Hartz IV-Software: Bundesagentur verteidigt Arbeitslosenstatistik

Der Vorwurf wurde laut, die Bundesagentur für Arbeit lege falsche Arbeitslosenstatistiken vor; Hintergrund der Statistik-Probleme bildet die uneinheitliche Software-Landschaft, mit der das Arbeitslosengeld II berechnet wird.

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Von
  • Detlef Borchers

Im aufkommenden Wahlkampf werden die von der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) gelieferten Statistiken zur Arbeitslosigkeit und besonders zur Zahl der ALG-II-Berechtigten von Politikern aller Couleur als Munition benutzt. Dabei darf auch nicht der Vorwurf fehlen, dass die Bundesagentur die Arbeitslosenzahlen verfälscht in den Statistiken wiedergibt. Er wurde während der Vorstellung der neuen Arbeitslosenstatistik laut, die von einer Gesamtzahl von 4.806.589 Arbeitslosen ausgeht. Dabei sind rund 81.000 ehemalige Sozialhilfeempfänger nicht berücksichtigt, die in so genannten Optionskommunen leben. Gegen diesen Vorwurf der Zahlenspielerei setzt sich die Agentur mit einer Pressemeldung zur Wehr. Obwohl das Datenmaterial nicht vollständig sei, gäben die veröffentlichten Zahlen einen unverfälschten Blick auf die Lage, heißt es aus Nürnberg.

Hintergrund der Statistik-Probleme bildet die uneinheitliche Software-Landschaft, mit der das Arbeitslosengeld II berechnet wird. Während die Bundesagentur Daten aus der hauseigenen webbasierten Lösung A2LL auf Knopfdruck produzieren kann, gibt es Probleme mit den 69 Optionskommunen. Diese Kommunen setzen unterschiedliche Softwarepakete zur Verwaltung der Arbeitslosen und Berechnung der ALG-II-Zahlungen ein. Die dabei auflaufenden Daten dürfen jedoch nicht in das A2LL-System einfließen, da der Zugriff auf diese Software durch Optionskommunen gesetzlich untersagt ist. "Die BA hat im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden die erforderlichen Daten definiert und einen technischen Standard für den Datenaustausch beschrieben und entwickelt. Um die gelieferten Daten nutzen zu können, müssen diese technisch richtig vorbereitet und vollständig sein sowie den Regeln des vereinbarten Datenstandards entsprechen", erklärte die Behörde dazu.

Obwohl die verschiedenen Hersteller der Software für die Optionskommunen sich nach eigenen Angaben an die Schnittstellendefinition halten, läuft der Datenaustausch nach Darstellung der Bundesagentur nicht einwandfrei. "In praktisch allen Fällen ist die Datenlieferung noch unvollständig und kann noch nicht als Grundlage für die Statistik der Arbeitslosigkeit dienen," heißt es aus Nürnberg. Daher sei die Bundesagentur gezwungen, die Zahlen zur Arbeitslosigkeit aus dem eigenen IT-System zu generieren und die Zahlen der Optionskommunen zu schätzen. Diese Schätzungen würden laufend mit den betroffenen Optionskommunen abgeglichen und böten ein schlüssiges Bild der Arbeitslosigkeit in Deutschland. "Die fehlenden Daten zu einem Teilbereich der Arbeitslosigkeit in den Optionskommunen und die Notwendigkeit, durch Schätzungen diese Untererfassung zu kompensieren, sind nur ein Übergangsphänomen, das voraussichtlich in den nächsten Monaten schrittweise überwunden werden kann."

Warum es trotz der verbindlichen und von den Programmierern eingehaltenen Schnittstellendefinition nicht möglich ist, die Daten der Bundesagentur und der Optionskommunen zusammenfließen zu lassen, bleibt erst einmal im Raum stehen. In jedem Fall könnte sich mit einem möglichen Regierungswechsel andeuten, dass die einstmals auf Verlangen der CDU/CSU im Vermittlungsausschuss erarbeitete Konstruktion der Optionskommunen ein stärkeres Gewicht bekommen wird. So haben Vertreter der Union bereits angekündigt, nach einem Regierungswechsel "mittelfristig" die Zuständigkeit für das Arbeitslosengeld II den Kommunen zu geben. Die Bundesagentur soll demgegenüber für die Sicherung der Qualitätsstandards und das Controlling zuständig sein.

Unterdessen soll bei der BA-Software A2LL nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ein weiteres Problem aufgetaucht sein. Nach Angaben des Blattes kann T-Systems als Produzent der Software die zum 1. Oktober geplante Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten nicht pünktlich realisieren. Die Neuregelung sollte es Erwerbslosen möglich machen, mehr von ihrem etwaigen Zuverdienst einbehalten zu können und damit ein weiterer Anreiz sein, Arbeit zu suchen. Die notwendige Umstellung der Software soll nunmehr erst Anfang 2006 kommen. Die Verzögerung kommentierte die grüne Arbeitsmarktspezialistin Thea Dückert hilflos: "Es geht nicht um die Software, es geht um die Betroffenen."

Zur Hartz IV-Software A2LL siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)