Heute vor 20 Jahren: Java betritt offiziell die Bühne

Am 23. Mai 1995 präsentierten Offizielle von Sun und Netscape der Weltöffentlichkeit erstmals die Programmiersprache Java. 20 Jahre später ist sie zur Programmierplattform Nummer eins geworden.

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20 Jahre Java

(Bild: Oracle)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Alexander Neumann
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Mit Jubiläen von Programmiersprachen ist das so eine Sache. An welchem Datum man sie überhaupt feiern soll, ist oft nicht ganz einfach zu beantworten. Das betrifft auch die objektorientierte Programmiersprache Java, die dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert. So veröffentlichte der damalige Eigentümer, Sun Microsystems, im März 1995 eine erste Alpha-Version. Der jetzige Java-Statthalter Oracle, der Sun vor fünf Jahren übernommen hatte, setzt das Jubiläum auf den heutigen 23. Mai. Denn auf den Tag genau vor zwanzig Jahren wurde die Interpreter-Sprache erstmals in großem Stile auf der Sun World präsentiert, und zwar als "DOS of the Internet".

Doch erste Arbeiten fanden schon früher statt. Ingenieure bei Sun arbeiteten von 1991 an im Rahmen des Forschungsprojekts Green an einer Systemumgebung zur Steuerung von Set-Top-Boxen, und James Gosling steuerte hierfür mit seinem Team die Programmiersprache Oak (Object Application Kernel) bei. Etwas später wurde die Verbindung mit Mosaic, dem Vorgänger des Netscape-Browsers, hergestellt. Und auch das Java-Maskottchen, den "Duke", gab es bereits vor dem Namenswechsel in Java und noch einiges früher als die Freigabe des JDK 1.0 (Java Development Kit) im Januar 1996.

Am wichtigsten für den frühen Erfolg war im gleichen Jahr die Unterstützung von Java-Applets im Netscape Navigator, was das Aufkommen unterschiedlichster Anwendungen im Browser ermöglichte. Der Erfolg des Internets ging fortan mit dem der Java-Plattform einher. Java stand darüber hinaus für moderne Konzepte wie Garbage Collection, ein für damalige Zeiten restriktives Sicherheitsmodell, aber vor allem für die immer wieder gerne und bis heute propagierte Plattformunabhängigkeit ("write once, deploy anywhere").

Die Sprache wurde außerdem schnell zur Programmierumgebung des Internets schlechthin, da sie als Alternative zur damaligen Microsoft-Dominanz begrüßt wurde. Große Unternehmen wie IBM, HP und Oracle sprangen ebenfalls schnell auf den Zug auf. Und selbst der damals übermächtige Konzern aus Redmond mischte anfangs mit einer eigenen Java-Implementierung mit. Andere Firmen wie SAP folgten erst später, als es schon lange klar, dass Java Bestand haben würde.

Der große Zuwachs an Entwicklern und Ideen in die unterschiedlichsten Richtungen brachte aber auch viel Wildwuchs mit sich – so war es begrüßenswert, dass sich Sun und andere Unternehmen schon bald um die Spezifikation im Rahmen des eigens 1998 hierfür gegründeten Java Community Process (JCP) kümmerten. Auch die Unterteilung 1999 in drei Plattformen für unterschiedliche Anwendungsszenarien (Desktop = J2SE, Java SE; Server = J2EE, Java EE; Mobile = J2ME, Java ME) sorgte für mehr Orientierung.

Spätestens zum zehnjährigen Jubiläum durfte die Java-Industrie als erwachsen gelten, und Java war zur Massenware, war Mainstream geworden. Sun zählte damals 4,5 Millionen Entwickler, eine Milliarden Java Cards, 700 Millionen mit Java installierten Rechner, über 700 Millionen Java-gestützte Mobiltelefone und 2,5 Milliarden Java-Geräte insgesamt.

Damals kamen aber auch mehrere Punkte zusammen, die deutlich machten, dass Java den frühen Coolnessfaktor hinter sich hatte. Die letzten Änderungen insbesondere im Enterprise-Java-Umfeld hatten die Plattform behäbig werden lassen, Open-Source-Techniken wie Spring oder Hibernate standen hingegen für "leichtgewichtige" Alternativen. Insgesamt übten aus der Open-Source-Community kommende Entwicklungen gewaltigen Druck auf Suns ohnehin spürbar kleiner werdende Entwicklermannschaft aus.

Folgerichtig war die Entscheidung, Ende 2006 die Sprache mit Java 6 quelloffen zur Verfügung zu stellen, nur bei der Mobile Edition und der Herausgabe der Technology Compatibilty Kits (TCK) blieb Sun restriktiv. Damals positionierte man außerdem Java erstmals als polyglotte Plattform, bei der die Sprache selbst nur noch eine von vielen JVM-Sprachen (JVM), etwa Scala, Groovy, JRuby, Jython und Clojure, sein sollte.

Doch leider sollte Java 6 das letzte Release für lange Zeit bleiben. Die Entwicklermannschaft schien wie gelähmt von den fortwährenden Sun-Übernahmegerüchten. An anderer Stelle wie der Modularisierung der Sprache verzettelte man sich außerdem. So verlor die Java-ME-Plattform zu der Zeit ihre Vorrangstellung im Mobilmarkt gegenüber Apple und Google.

Java-Erfinder James Gosling zu Sun-Zeiten

Schließlich trug auch die Übernahme von Sun durch Oracle ihr Übriges bei, dass Entwickler bis 2011 auf Java 7 warten mussten, da etliche Kernentwickler, darunter auch Gosling, den neuen Besitzer verließen und erst mal die Roadmap neu aufgestellt werden musste. Seitdem diese geklärt ist, nimmt die Entwicklung wieder an Fahrt auf, sodass lange ersehnte Features wie Lambda-Funktionen in Java 8 mittlerweile in die Sprache einziehen konnten.

Heute ist Java nicht mehr wegzudenken. Oracle zählt jährlich rund eine Milliarde Downloads und prognostiziert, dass Java auf 97 Prozent aller Unternehmens-Desktops installiert sei. Des Weiteren ist von neun Millionen Java-Entwicklern die Rede, und die Sprache ist seit etlichen Jahren schon in Spitzenpositionen bei den Indizes zur Verbreitung von Programmsprachen wie TIOBE, PyPL und RedMonk zu finden. In vielen Universitäten ist Java zur Lehrsprache Nummer eins geworden, auf dem Jobmarkt werden regelmäßig mehr Java-Entwickler gesucht als welche mit Kenntnissen zu anderen Programmiersprachen.

Die nächste Version – Java 9 – ist derzeit in Arbeit und für September 2016 angekündigt. Oracle kommt mit diesem Termin seinen früheren Ankündigungen also vermutlich nach, alle zwei Jahre ein neues großes Release herauszubringen. Wichtigste Neuerungen dürften das schon oft verschobene Modulsystem und die Modularisierung der Plattform sein, den womöglich wichtigsten Java-Änderungen der letzten Jahre. Denn sie legen den Grundstein für eine einfacher bedienbare Sprache, sodass davon auszugehen ist, dass Java auch in zehn, ach was, in zwanzig Jahren weitverbreitet sein wird. (ane)