Hintergrund: Flatrates erstickten an Telekom-Gebühren

Verluste zwingen immer mehr Flatrate-Anbieter zur Aufgabe. Nur mit einer Großhandels-Flatrate wäre das Dilemma zu lösen.

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Mit Medien Info Center (MIC) und Sonnet haben diese Woche zwei weitere Provider ihren Flatrate-Tarif eingestellt. Die Abschaltungen erfolgten abrupt und ohne Einhaltung der Kündigungsfristen. Die Kunden erhielten keine Benachrichtigung; über Nacht wurde ihr Zugang abgeklemmt. Viele dürften dies erst in den kommenden Tagen bemerken.

Die ehemaligen Kunden der beiden Provider fürchten jetzt um ihre bereits bezahlten Gebühren. MIC gibt an, diese anteilig ab dem Ausfall am 21. September zurück zu zahlen. Allerdings müssten sich die Kunden mit ihren Forderungen schriftlich an die Medien Info Center GmbH, Lessingstraße 10, 21629 Neu-Wulmstorf, wenden. Ralf Lauterbach, Geschäftsführer der Versatel-Tochter Sonnet, versicherte gegenüber c't, die bezahlten Gebühren für die nicht erbrachte Leistung ab dem 21. September zu erstatten.

Die Buchhaltung scheint jedoch bei beiden Firmen nicht reibungslos zu funktionieren. So teilte uns ein Leser mit, dass er seinen Sonnet-Vertrag wegen massiver Einwahlprobleme zum 15. September gekündigt habe. Trotz Kündigungsbestätigung sei ihm aber am 21. September ein weiterer Monatsbeitrag abgebucht worden – also an dem Tag, an dem Sonnet die Flatrate ganz einstellte. Ein anderer Leser berichtete, MIC habe ihm Mitte September wegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen gekündigt. Am folgenden Tag habe der Provider dennoch eine weitere Monatsgebühr eingezogen.

Nach der Einstellung der beiden Tarifmodelle bleibt bei den Kunden ein schaler Nachgeschmack: Welcher der billigen Flatrate-Anbieter hat noch eine Zukunft? Neben AOL und T-Online nimmt nur noch NGI neue Kunden an. AddCom beschränkt sein Pauschangebot auf 5000 Teilnehmer und gibt an, das Kontingent sei derzeit ausgeschöpft. Alle Flatrate-Anbieter zahlen an die Telekom zeitabhängige Gebühren, während sie von ihren Kunden nur einen Pauschalbetrag kassieren. Vielsurfer bedeuten für diese Provider also ein Minusgeschäft.

Legt man die Gebühren für den Anschluß für Online-Dienste-Anbieter (AfOD) zugrunde, zahlen die Flatrate-Anbieter derzeit durchschnittlich 1,5 Pfennig für jede Minute, in der ein Kunde seinen Zugang nutzt. Sie schreiben also bereits rote Zahlen, wenn die Surfer im Schnitt drei Stunden täglich online sind. Kleinere Provider ohne eigene Infrastruktur müssen für die Nutzung der Telekom-Internetplattform noch tiefer in die Tasche greifen.

Versatel gibt an, die Sonnet-Kunden hätten den Zugang durchschnittlich fünf Stunden am Tag genutzt. In wenigen Monaten sei so ein Verlust im "zweistelligen Millionenbereich" aufgelaufen, so Sonnet-Geschäftsführer Lauterbach. Sonnet hat angekündigt, erst wieder eine Flatrate anzubieten, wenn sich das Geschäftsmodell für die Firma auch rechnet. Mit anderen Worten: Erst wenn die Telekom ihre AfOD-Gebühren massiv senkt oder diese Leistung zum Pauschalpreis (Großhandels-Flatrate) anbietet, können auch kleinere Firmen einen Flatrate-Tarif einführen. Bis dahin bleibt der Pauschaltarif ein Privileg für große Provider, die Verluste ausgleichen können, oder für Mitbewerber der Telekom, die selbst Telefonanschlüsse anbieten und für die letzte Meile zum Kunden nicht zeitabhängig bezahlen müssen.

Ein erster Lichtblick ist das Verfahren, das die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegen die deutsche Telekom angestrengt hat. Dabei soll geklärt werden, ob T-Online von der Telekom-Mutter Rabatte eingeräumt bekommt. Wie auch immer dieses Verfahren ausgeht, es wird nicht die Abkehr von der zeitabängigen Tarifierung durch die Telekom bedeuten, die viele Provider fordern. Ein Sprecher der Regulierungsbehörde, Rudolf Boll, sagte gegenüber c't: "Im Moment kann niemand die Telekom dazu zwingen, eine Großhandels-Flatrate anzubieten." (ll)