Hintergrund: Wie verlässlich ist maschinelle Wahlauszählung?

Warum sollte die Auszählung von Wahlzettel durch unbestechliche, nie ermüdende Maschinen ungenauer sein als die Auszählung durch Menschen?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Wolfgang Stieler

Das Vertrauen, das die Öffentlichkeit in die Verlässlichkeit von Informationstechnologie hat, ist bemerkenswert. Eigentlich müsste das ausgedehnte Wahl-Gezerre um die Besetzung des US-Präsidentenamtes eine tiefere Vertrauenskrise auslösen als der so genannte Jahr-2000-Fehler. Denn, so könnte das US-Wahlvolk zu Recht fragen, warum sollte die Auszählung von Wahlzetteln durch unbestechliche, nie ermüdende Maschinen ungenauer sein als die Auszählung durch Menschen? Und falls das tatsächlich so ist, warum vertrauen wir so wichtige Entscheidungen so mangelhafter Informationstechnologie an?

Die Computer Professionals for Social Responsibility (CPSR) stellen den maschinenlesbaren Wahlzetteln, die jetzt soviel juristischen Staub aufwirbeln, ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Die Vote-O-Matic-Wahlmaschine, die unter anderem in 15 Wahlbezirken von Florida verwendet wird, habe nur eine "begrenzte Genauigkeit", denn ihr Konstruktionsprinzip weise fundamentale Schwächen auf. Die Maschine benutzt Lochkarten im klassischen drei mal sieben Zoll-Format als "maschinenlesbare" Stimmzettel. Betätigt der Wähler einen Hebel, stanzt die Maschine an der gewünschten Stelle ein Loch in den Stimmzettel (von möglicherweise verwirrenden Stimmzetteln einmal abgesehen).

Im Unterschied zu klassischen Lochkarten sind die Stimmzettel allerdings vorgestanzt. Die Kärtchen, die die Löcher verdecken, hängen nur noch an den Ecken fest. In Einzelfällen kann es dazu kommen, dass die Löcher nun nicht völlig ausgestanzt werden, sondern nur teilweise. Je nachdem, wie die Karte dann im Maschinenleser zu liegen kommt, kann das Loch offen oder verdeckt sein. Besonders anfällig, so die Experten der CPSR, reagiert das System auf einen plötzlichen Wechsel der Luftfeuchtigkeit. Wenn man die Stimmkarten aus einem klimatisierten Raum in ein unklimatisiertes Wahllokal bringt, könne das "unvorhersehbare Resultate" zeigen. Obwohl die Wahlmaschinen sorgfältig konstruiert sind, können auch zwei Wahlzettel auf einmal eingezogen werden.

Angesichts derartiger Mängel hat die Forderung nach einem grundlegenden Upgrade der Wahl-Hardware derzeit Konjunktur: Eine Wahl per Internet, so die Hoffnung, würde niemals in einem solchen Auszählungs-Chaos enden. Kritiker mahnen allerdings zur Vorsicht, denn zum einen müßte die verwendete Software absolut vertrauenswürdig sein, und zum anderen kann letztendlich nie hunderprozentig sichergestellt werden, dass auch tatsächlich die jeweils wahlberechtigte Person am Terminal sitzt und von niemandem bei der Stimmabgabe beinflusst wird. Ganz abgesehen natürlich von mutwilligen Manipulationen von außen. Rebecca Mercury, die am Bryn Mawr College in Pennsylvania lehrt und sich seit über zehn Jahren mit elektronischen Wahlsystemen befasst, ist sich sicher: "Vergessen sie Internet-Wahlen", erklärte sie der Trenton Times."Erinnern Sie sich, dass auch Microsoft gehackt worden ist".

Siehe dazu auch den Artikel Warum die Amerikaner sich bei den Wahlen verzählen in Telepolis. (wst)