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Hitze, Trockenheit, Starkregen: Folgen des Klimawandels für Deutschland

Andreas Wilkens

(Bild: Umweltbundesamt)

Wenn nicht sofort viel getan wird, ändern sich die Lebensbedingungen für Menschen, Tiere und Pflanzen kräftig, geht aus einer Risikoanalyse hervor.

Wenn der Klimawandel nicht gebremst wird, werden die Risiken durch Hitze, Trockenheit und Starkregen in Deutschland stark ansteigen. Dabei wirkten sich die Schäden in einem Dominoeffekt von bereits heute stark belasteten Ökosystemen wie Böden, Wäldern und Gewässern hin den zu Menschen, ihrer Gesundheit und ihrer Wirtschaft aus. Das geht aus der Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamts hervor, die am heutigen Montag vorgestellt wurde. Darin wurden über 100 Wirkungen des Klimawandels und deren Wechselwirkungen untersucht.

Die seit 1881 in Deutschland gemessene Lufttemperatur zeige bis 2020 einen deutlichen Aufwärtstrend, heißt es in der Klimawirkungs- und Risikoanalyse [1] (KWRA). Mit einer Zunahme von 0,25 °C in jedem Jahrzehnt zwischen 1951 und 2015 liege die Temperaturzunahme in Deutschland deutlich über dem globalen Mittelwert der Zunahme. Heute liegt die Durchschnittstemperatur in Deutschland 1,6 °C höher als 1881. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte die Durchschnittstemperatur um weitere knapp 5 °C steigen.

In weiten Teilen Deutschlands seien zum Ende des Jahrhunderts über 40 heiße Tage pro Jahr zu erwarten, das wären im Deutschlandmittel knapp 28 Tage mehr als 1971 bis 2000. Extreme Hitze könnte sich besonders entlang des Rheins und der Spree und vor allem in Städten auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte denn unter vielem anderen auch mehr Bäume in den Städten zu pflanzen.

Umweltbundesamts-Präsident Dirk Messner meint, einige Risiken in Deutschland könnten so stark ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorge reduziert werden können. Dazu gehöre Hochwasser- und Küstenschutz, die Auenrenaturierung und die Verbesserung des Rückhalts in der Fläche. Zugleich müsse die Verschmutzung und Übernutzung von Wasser, Boden und Luft drastisch verringert werden.

Während die Sommer trockener werden, können die Niederschläge im Winter zunehmen, dabei auch die Tage mit Starkregen. Durch Starkregen steigt auch das Risiko der Erosion wertvoller Böden. Durch mehr sommerliche Trockenheit versickert weniger Wasser, das Grundwasser werde verstärkt in den späten Herbst und den Winter verlagert, also außerhalb der Vegetationsperiode. Dadurch können ungenutzte Dünge- und Nährstoffe ins Grundwasser geraten

Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hat sich laut KWRA das jährlich erneuerbare verfügbare Wasser in Deutschland verringert. Auch hätten sich die verfügbaren Wasserressourcen durch Abnahme im Sommer und durch Zunahme im Winter verschoben. Die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten könnten sich an Flussabschnitten mit einem Regenregime erheblich verschärfen, manche Flüsse werden schwieriger schiffbar.

Neben Schädigungen von Pflanzen, die jeweils eine Saison betreffen, verändern sich die Bedingungen der Landwirtschaft langfristig auch grundsätzlich. Mit den steigenden Temperaturen verschieben sich Klimazonen und damit die günstigen Flächen für die verschiedenen Nutzpflanzen nach Norden. Kulturen, die einen bestimmten Kältereiz im Winter benötigen, können regional nicht mehr angebaut werden. Auf der anderen Seite kommen neue wärmeliebende Kulturen wie Soja und Rotweine hinzu, deren Anbau vorher in Deutschland nicht möglich war.

Der Meeresspiegel ist zwischen 1993 und 2015 vor allem wegen des grönländischen Eisverlusts beschleunigt angestiegen. Es wird erwartet, dass sich die Schmelzprozesse auf Grönland und in der Antarktis beschleunigen, dabei wird ein globaler Meeresspiegelanstieg von etwa 40 Zentimeter bis über zwei Meter bis zum Jahr 2100 berechnet.

Bis 2050 können die Küstenökosysteme in der Nordsee durch die Erosion der Außenküsten und einer Verringerung der Wattenmeerfläche durch Erhöhung des Meeresspiegels beeinträchtigt werden. Für die Ostseeregion rechnen Experten durch steigende Nährstoffbelastungen mit höherer Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Extremblaualgenblüten bis zum Ende des Jahrhunderts. Darüber hinaus hat das zunehmend wärmere Wasser zusammen mit einem verstärkten Sauerstoffmangel gravierende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in weiten Gebieten der Ostsee.

Durch Veränderungen der klimatischen Wasserbilanz würden für rund ein Fünftel der Pflanzenarten ein Großteil der bioklimatisch passenden Gebiete in Deutschland wegfallen, heißt es weiter in dem Bericht. Bei Brutvogelarten, Tagfaltern, Libellen und Fischarten finden sich erste Anhaltspunkte für eine Verschiebung relativer Häufigkeiten zugunsten wärmebedürftiger und zuungunsten kältebedürftiger Arten.

Der Klimawandel ist eine weitere Gefährdungsursache für Feuchtgebiete, die durch Trockenlegung bereits stark zurückgegangen seien. Er führt durch länger andauernde Trockenperioden und hohe Temperaturen zu einer verstärkten Austrocknung von Feuchtgebieten und Bachläufen. In Fließgewässern gehen geeignete Lebensräume und Bestände von Fischarten, wie Äsche und Forelle zurück.

In den Gebirgen könnte sich pro Grad Celsius höherer Temperatur die Vegetationszone um 200 Höhenmeter verschieben. Arten in höchsten Lagen gehen in ihrem Vorkommen zurück, da sie nicht weiter nach oben ausweichen können. Pflanzenarten tieferer Lagen wandern zunehmend in alpine Rasengesellschaften der Hochlagen ein.

In deutschen Wäldern werden gegenwärtig starke Schäden durch trockene und heiße Jahre kombiniert mit Stürmen und Borkenkäfervermehrungen sowie abnehmende Vitalität von Waldbäumen beobachtet. In Folge von Temperaturerhöhungen, die zu früherem Blattaustrieb führen, werden Bäume gegenüber Spätfrostschäden anfälliger. Ökosystemtypen der subalpinen Krummholz-, Hochwald- und Bergwaldlagen nehmen ab und Ökosystemtypen der Tief- bis unteren Bergwaldlagen nehmen zu.

(anw [2])


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[1] https://www.heise.de/downloads/18/3/1/2/0/9/3/1/kwra2021.pdf
[2] mailto:anw@heise.de