House of the Dragon, Folge 2: Irgendwas mit Drachen

Wäre "Game of Thrones" so gestartet wie die neue Serie von George R. R. Martin, wäre es wohl kein Welthit geworden.

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Milly Alcock scheint in dieser Einstellung auch nicht so ganz davon überzeugt, dass sie in einer neuen Hit-Serie mitspielt

(Bild: HBO)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Die zweite Folge von "House of the Dragon" macht ziemlich genau da weiter, wo die erste aufgehört hat. Leider. Denn die Serie ist immer noch nicht so mitreißend, wie man es von einem "Game of Thrones"-Nachfolger eigentlich erwarten würde. Wenigstens entrollen die Macher so langsam etwas, was man als soliden Plot bezeichnen könnte: Die zweite Folge dient hauptsächlich dazu, den ersten wirklichen Bösewicht der Serie vorzustellen. Eine erste Konfrontation zweier zentraler Hauptfiguren, wohl als dramatischer Höhepunkt geplant, enttäuscht allerdings.

Achtung: Die folgende Rezension enthält einige wenige Spoiler für die ersten zwei Folgen von "House of the Dragon".

"House of the Dragon" ist eine solide Fantasy-Serie. Die Spezialeffekte sind gut, wenn auch nicht atemberaubend, und die Schauspieler machen durchweg einen ordentlichen Job. Leider können weder Milly Alcock (als Prinzessin Rhaenyra) noch Paddy Considine (König Viserys), die in der zweiten Folge die meiste Bildschirmzeit bekommen, wirklich beeindrucken. Sie wirken wie Schauspieler in einem billigen "Game of Thrones"- Abklatsch von Netflix, nicht wie die Cast des offiziellen Prequels bei HBO. Matt Smith (Prinz Daemon), der in fast jeder Szene die Show stiehlt – auch weil er zu herrlichem Overacting à la Peter Dinklage neigt – kommt leider in der zweiten Folge, die zeitlich ein halbes Jahr nach der ersten angeordnet ist, kaum vor. Immerhin retten der erfahrene Charakterdarsteller Graham McTavish (Ser Harrold) und Rhys Ifans (als Hand des Königs Otto Hightower) fast alle Szenen, in denen sie vor der Kamera stehen.

Der Höhepunkt der zweiten Folge, als Rhaenyra ihren Onkel Daemon auf der Brücke der Burg Drachenstein konfrontiert, macht die Probleme der Serie exemplarisch deutlich. Niemand kann das plötzliche Auftauchen der Drachen und ihrer Herrin Rhaenyra überraschen, darauf hatte die erste Folge am Anfang viel zu deutlich hingearbeitet. Die Begegnung der beiden, mit dramatischer Musik untermalt, soll augenscheinlich die Zuschauer in Rhaenyras Bann ziehen. Doch der große Moment fällt flach: vor allem wegen stumpfer Dialoge und dem wenig überzeugendem Schauspiel der Australierin Alcock. Ihre Figur soll offenbar als Kickass-Drachenreiter-Prinzessin rüberkommen, wirkt aber stattdessen wie eine verzogene Göre, die Papas Privilegien missbraucht.

Zudem sind die computererzeugten Landschaften in dieser Szene zwar schön, aber wirklich echt sieht das – inklusive der Drachen selbst – alles nicht aus. Die ganze Szene wirkt eher wie die Zwischensequenz eines Witcher-Spiels als etwas aus "Game of Thrones" bei HBO. Die Original-Serie hatte Drachen schlauerweise sehr sparsam eingesetzt, bei "House of the Dragon" haben sie bereits in der zweiten Folge ihren Reiz verloren.

Matt Smith und Komparsen, offensichtlich vor einem Greenscreen

(Bild: HBO)

Das wäre alles nicht schlimm, wenn die Schauspieler den Zuschauer in ihren Bann ziehen würden. Aber auch sie wirken in der offensichtlich vor Greenscreen gefilmten Einstellung deplatziert und verloren, so als wären sie selbst nicht von der offenbar komplett im Computer erzeugten Szenerie überzeugt. Bei "Game of Thrones", einer Serie die fast durchweg damit bestochen hatte, wie echt die Kulissen wirkten und wie verwurzelt die Schauspieler in der Realität der Figuren schienen, gab es solche wenig überzeugenden Einstellungen nur selten.

Teile von "House of the Dragon" erinnern an George Lucas schlimmste Fehltritte vor dem Blue- und Greenscreen der Star-Wars-Prequels. Als die Schauspieler bis auf ein paar Regie-Anweisungen keine Anhaltspunkte hatten, in welcher Umgebung sie denn eigentlich gerade spielen. Anstatt die Schauspieler wie bei Disneys "Mandalorian" in einer riesigen runden LED-Bildschirm-Bühne zu platzieren und zu filmen, auf die in Echtzeit gerenderte, computergenerierte Hintergründe projiziert werden, setzt der "GoT"-Nachfolger anscheinend wieder auf schnöden Greenscreen. Und statt des Grit und der Glaubhaftigkeit eines "Mandalorian" bekommen wir hier nur die Sterilität einer Greenscreen-Kulisse.

Bemerkenswerterweise haben sich die sage und schreibe zwanzig Produzenten (das macht ungefähr zwei Produzenten pro Hauptdarsteller) dazu entschlossen, in diese Folge keine Sex-Szene einzubauen. Dafür nutzt man den bei "Game of Thrones" bereits sehr oft und erfolgreich genutzten Trick, den Bösewicht mit krassen Gewalt- und Folterszenen einzuführen, damit auch der letzte Zuschauer sofort begreift: Aha, dieser Krabbenspeiser, der ist böse! Als ob man das nicht sofort an der albernen "Phantom der Oper"-Maske erkannt hätte.

Bei "Game of Thrones" hat das vor allem funktioniert, weil es neu und in dieser Art nie zuvor dagewesen war. Das lockte ungeahnte Massen an Zuschauern, die sonst eine Fantasy-Serie mit königlichen Intrigen, Schwertkämpfen und Drachen einfach links liegen gelassen hätten – Nerd-Kram halt. Es erscheint logisch, dass "House of the Dragon" versucht, das Erfolgsrezept fortzuführen. Allerdings lässt die Serie dabei bisher eigene Innovationen vermissen. Und nur mit dem weiterzumachen, was "Game of Thrones" bekannt gemacht hat, macht die Serie wenig interessant für ein Publikum jenseits der Hardcore-GoT-Fangemeinde.

Der eine Punkt, bei dem "House of the Dragon" anscheinend tatsächlich einen eigenen Weg einschlägt, verstärkt das Problem nur. Die Serie ist mehr als ihr Vorgänger bisher stärker auf die politische Ebene der Bücher von George R. R. Martin fokussiert. Bis auf die Drachen hatten wir in den ersten Folgen fast keine Fantasy-Elemente zu bestaunen und große Schlachten bleiben im, zum Handlungszeitpunkt der Serie, seit langer Zeit befriedeten Westeros bisher ebenfalls aus. Zuschauer, die sich also nicht brennend für die politischen Konflikte im Spannungsfeld zwischen einem agnatischen und einem cognatischen Erbfolgesystem interessieren, werden (bis auf den einen Gewaltexzess pro Folge bisher) jegliche Spannung vermissen.

Ein bisschen wirkt "House of the Dragon" so, als will man hier alleine mit dem "Game of Thrones"-Branding, hauptsächlich mittelmäßigen Schauspielern und ein paar Millionen für anständige, aber nicht berauschende Spezialeffekte einfach nur Content produzieren. Die Serie wirkt uninspiriert und, für HBO-Standards, überraschend langweilig und steril. Das mag daran liegen, dass zu viele Produzenten den Kochlöffel im Kochtopf haben oder einfach an einer mangelnden Drehbuchqualität.

So oder so ist "House of the Dragon" bisher nichts Besonderes. Man kann die Serie ganz gut anschauen, hat aber auch nicht das Gefühl, dass man etwas Weltbewegendes verpasst, wenn man das nicht tut. Wenn die ersten Folgen von "Game of Thrones", im Kontext ihrer Zeit, genauso gewöhnlich gewesen wären, hätte es diese Serie nie gegeben. Denn dann wäre "Game of Thrones" wohl wahrscheinlich nicht zu dem Hit geworden, der es heute ist.

"House of the Dragon" ist in Deutschland exklusiv bei Sky und bei WOW, dem Nachfolger von Sky Ticket, im Streaming-Abo zu sehen. Neue Folgen der Serie werden jeden Montag, parallel zur US-Erstausstrahlung, veröffentlicht.

(fab)