ICANN bleibt beim Sitefinder hart

Ein Technik-Komitee der Internet- und DNS-Verwaltung veröffentlichte die Begründung zur Ablehnung des Sitefinder-Dienstes und spricht sich gegen den Einsatz von Wildcards bei Top Level Domains aus.

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Von
  • Monika Ermert

Verisigns Sitefinder-Dienst soll auf keinen Fall wieder eingeführt werden. Das Komitee für Sicherheit und Stabilität ("Security and Stability Advisory Committee", SSAC) der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat sich gegen den Einsatz von Wildcards bei Top Level Domains ausgesprochen. VeriSign hatte im vergangenen Herbst ohne große Vorankündigung alle Anfragen nach nicht existierenden Domains -- oder schlichte Vertipper -- auf seine eigenen Server umgeleitet und damit eine Welle der Entrüstung unter Netzwerkadministratoren ausgelöst.

In einem 85-seitigen Bericht begründeten die SSAC-Mitglieder nun ihre Entscheidung. "Das Komitee ist der Ansicht, dass VeriSigns Handlungsweise zwar nicht zu einem Zusammenbruch des Netzes geführt hat, aber sie hat doch fundamentale Architekturprinzipien und eingeführte Verhaltensmaßstäbe und anerkannte Praxis verletzt, die für Stabilität sorgen sollen", lautet das abschließende Urteil. Im Einzelnen wird das Ausfallen bestehender Dienste, die auf den üblichen "no such domain"-Meldungen fußen, die dadurch erzwungenen schnellen Hacks vieler Administratoren und Datenschutzverletzungen kritisiert. Dadurch, dass alle Arten von Anfragen auf den Sitefinder-Server umgeleitet wurden, landeten auch Vertipper-Mails beim Exmonopolisten. Kritiker sprachen gar von einer Art man-in-the-middle-attack.

Ex-ICANN-Direktor Karl Auerbach, ausgewiesener Kritiker der Internet-Verwaltung, bemängelte in einer Reaktion auf den Bericht vor allem, dass die Berufung auf "eingeführte Verhaltensmaßstäbe und anerkannte Praxis" doch etwas freihändig sei. Obwohl Auerbach die Sitefinder-Einführung im Prinzip ablehnt, wirft er seinen ehemaligen Kollegen vor, dass sie es versäumt haben, klare Verfahren für die Einführung solcher neuer Services festzulegen.

In seinen Empfehlungen geht das SSAC sogar so weit, dass es den Einsatz von Wildcards bei allen Top Level Domains abgeschafft sehen möchte. Außerdem raten die Techniker dazu, die Wildcard-RFCs, auf deren Existenz sich VeriSign während des Streits berufen hatte, zu ändern. Ob ICANN selbst die Initiative ergreifen und bei der Internet Engineering Task Force vorstellig wird, darüber werden ICANNs Direktoren möglicherweise beim bevorstehenden Treffen in Kuala Lumpur beraten.

Der Sitefinder-Dienst ist auch Gegenstand einer Klage, die VeriSign gegen die DNS-Verwalter angestrengt hat. Auch dazu hat ICANN einen Schriftsatz bei Gericht eingereicht und auf VeriSigns Berufung reagiert. Zunächst war die Klage vor einem kalifornischen Bezirksgericht abgewiesen worden. ICANNs Erwiderung gleicht in vielen Passagen einer Ohrfeige für VeriSign -- heißt es dort doch, es sei für das Gericht zu offensichtlich, dass VeriSign einfach "unglücklich darüber ist, dass es ICANN gibt. Die Tatsache, dass Techniker, Regierungsvertreter, NGOs und ja, existierende und künftige Wettbewerber auch nur den kleinsten Einfluss auf VeriSigns kommerzielle Ausnutzung seiner Vorreiterrolle bei der Verwaltung zweier wichtiger Registries ausüben, ist zweifellos eine beständige Quelle des Ärgers und der Frustration für VeriSign", schreiben die Anwälte von der Kanzlei Jones Day. Doch diese "corporate angst" (sic) berechtige eben nicht zu einer Wettbewerbsklage. (Monika Ermert) / (jk)