ICANN setzt "digitales Bogenschießen" aus

Wegen technischer Probleme hat die ICANN die gruppenweise Bearbeitung der Bewerbungen für neue Top-Level-Domains unterbrochen. Nun wird über ein paralleles Abarbeiten der Anträge diskutiert.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) kommt mit ihrem von Pannen begleiteten Bewerbungsverfahren für neue Top Level Domains (TLD) nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Kleinlaut musste die Netzverwaltung einräumen, dass die Überprüfung der Anträge gestoppt wurde. Bisher war vorgesehen, von den insgesamt fast 2000 Anträgen halbjahresweise jeweils 500 Stück abzuarbeiten. Durch dieses "Batching" genannte Verfahren hätten manche Antragssteller bis zu zwei Jahren auf ihre Prüfung warten müssen. Auf dem am Sonntag eröffneten ICANN-Treffen in Prag wird nun diskutiert, ob die 1930 beantragten Domains nicht doch parallel überprüft werden sollen.

Um auszuwählen, wer in welchem Block überprüft werde, hatte die ICANN auf ein heftig kritisiertes System gesetzt, das sie "digitales Bogenschießen“ nennt. Bewerber sollten dabei zu einer von ihnen vorher bestimmten Zeit eine Nachricht an das System schicken. Je genauer dieser "Schuss“ die zuvor selbst festgelegte Zeit trifft, desto größer sind die Chancen, dass die eigene Bewerbung zum Block der zuerst bearbeiteten Bewerbungen gehört. Mit dem System wollte die in einem Vorort von Los Angeles residierende ICANN das Problem umgehen, dass eine Verlosung in Konflikt mit dem gesetzlichen Lotterieverbot im US-Bundesstaat Kalifornien geraten würde.

Zu den zahlreichen Kritikern dieses Vergabesystems hatten sich vergangene Woche noch die bei der ICANN vertretenen Regierungen gesellt und die Netzverwaltung unmissverständlich aufgefordert, die "digitalen Bogenschüsse" zu überdenken. Es gebe erhebliche Wettbewerbs- und Fairnessprobleme, heißt es in einem Schreiben (PDF-Datei) des Regierungsbeirats an den ICANN-Vorsitzenden Steve Crocker.

Akram Atallah, Rod Beckstrom und Steve Crocker von der ICANN

(Bild: Monika Ermert)

Als "vorrangige" Begründung für die Abkehr von dem umstrittenen System nannte die ICANN in Prag jetzt aber technische Gründe. Bewerber hätten festgestellt, dass "unerwartete Ergebnisse in Bezug auf die Zeitstempel“ aufgetreten seien. Mit dem erwarteten Run auf das System in den vergangenen fünf oder sechs Tagen habe man auch um die Stabilität des Systems gefürchtet, sagte Akram Atallah. Der ICANN-COO erklärte, die gleichzeitige Bearbeitung der Bewerbungen sei möglich, allerdings könnten nicht alle neuen gTLDs gleichzeitig in die Root eingetragen werden. Nach Ansicht von Experten kommen manche aber ohnehin schneller durch Begutachtung, technische Tests und Widerspruchsverfahren als andere.

Die ICANN bedauerte die erneute Panne, will diese aber nutzen, um sich mit allen Beteiligten über das Verfahren zu beraten. Wer schon für teures Geld die Unterstützung von Softwareunternehmen für eine erfolgreiche Teilnahme am "digitalen Bogenschießen" eingekauft hat, dürfte sich über die unnütze Investition aber wohl ärgern. Die ICANN will am Donnerstag ankündigen, wie es mit dem Bewerbungsverfahren weiter geht. (mho)