IETF denkt über Reformen nach

Auch die gute alte Internet Engineering Task Force, die dem Netz durch viele grundlegende Standards sein Gesicht gegeben hat, ist von der Reformwelle der Internet-Selbstregulierungsorganisationen erfasst.

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Von
  • Monika Ermert

Auch die gute alte Internet Engineering Task Force (IETF) ist von der Reformwelle der Internet-Selbstregulierungsorganisationen erfasst. Seit einiger Zeit brodelt es unter der Oberfläche des Standardisierungsgremiums, das dem Netz durch viele grundlegende Standards sein Gesicht gegeben hat. Zu langsam, zu intransparent und zu hierarchisch soll sie arbeiten, so die Kritik von Mitgliedern, die in einem eigenen Internet-Draft zusammengefasst ist. Selbst die "biblischen" Konzepte rough consensus und running code wins geben Anlass zur Debatte. Bei der 57. IETF-Tagung in dieser Woche in Wien wird über die Zukunft der Organisation gesprochen.

Scott Bradner, einer der IETF-Väter, gab es auch den Newbies in der routinemäßigen Tour de Force am ersten Tag mit auf den Weg: Die IETF gehe durch "schwierige Zeiten". Der kommerzielle Druck auf die Standardisierer wächst und manches Unternehmen schert sich einen Teufel darum, ob ein Standard nun endgültig verabschiedet ist oder nicht. Standardentwürfe werden implementiert, lange bevor der Schritt vom Entwurf über den Vorschlag zum eigentlichen Standard getan ist. "Manchmal wird es dadurch auch schwieriger, die Arbeit am Standard zu beenden", meint Bradner. Aber auch von außen kommt Druck: Bei der International Telecommunication Union (ITU) sähe man es zu gerne, wenn die IETF ihre Standards durch die ITU anerkennen lassen würde. Schließlich fehlt es am lieben Geld. Um den Finanzbedarf des ohnehin zu kleinen Sekretariats der Organisation zu decken, hat man die Teilnehmergebühren deutlich auf 650 US-Dollar erhöht.

Das schnelle Wachstum im vergangenen Jahrzehnt hat die IETF mit ihrem klassischen Peer-Review-System an ihre Grenzen gebracht. Die Direktoren der acht Bereiche haben zu viel am Hals -- und das finden mehr und mehr auch ihre nicht nur von der Krise der Internet-Ökonomie gebeutelten Arbeitgeber. So warten manche Dokumente aus den immerhin rund 130 Arbeitgruppen monatelang auf das notwendige Plazet. Im schnelllebigen Internet-Geschäft ist das zu lange. In den Arbeitsgruppen wurde im vergangenen Jahr dagegen aufbegehrt, dass die in der Internet Engineering Steering Group (IESG) das Szepter schwingenden Bereichs-Direktoren die Macht haben, Entwicklungen gewollt oder ungewollt zu bremsen. Ein zweites Dokument zu den IETF-Problemen schlägt daher vor, dass genau das nicht mehr möglich sein soll: "Die IESG-internen Prozesse sollten so verändert werden, dass es unmöglich ist, für einen oder zwei IESG-Mitlglieder ein Dokument ewig zu verzögern."

Harald Alvestrand, der als aktueller IETF-Vorsitzende die Reformdebatte mit angestoßen hat, meint, auch die Mitglieder der Führungsgremien seien bereit, die Verantwortlichkeiten neu zu verteilen. Über die seit Jahrzehnten aktiven Pioniere hinaus sollen neue Leute in die IETF-Leitung eingebunden werden. "Ich hoffe, dass die Arbeit, die das IESG tut, künftig von mehr Leuten getan wird", sagt Alvestrand. Auf keinen Fall will er aber eine IETF-Arbeitsgruppe mit dem Design für eine neue IETF-Struktur beauftragen. "Arbeitsgruppen sind nicht gut darin, solche Veränderungen zu schaffen."

Bevor man ans Eingemachte geht, sollte ohnehin die vielleicht wichtigste Reformaufgabe gelöst werden: Welches Ziel verfolgt die IETF eigentlich? Geht es nur um schnell verwertbare, schnell produzierte Standards oder gilt noch, was die IETF für sich in Anspruch nimmt: Es gehe um das Wohl des Internet? "Die Teilnehmer in der IETF haben keine einheitliche Auffassung über die IETF-Mission", heißt es in den verschiedenen Zustandbeschreibungen. "Der Aufgabenbereich war aber schon immer ein bisschen unscharf", sagt Bradner. IETF-Kenner wie die Berliner Sozialwissenschaftlerin Jeanette Hofmann erinnern deshalb auch daran, dass die Debatte eigentlich eine Neuauflage von 1992 ist: "Viele der Fragen von damals sind bis heute nicht beantwortet," sagt Hofmann, "vor allem die der Verteilung beziehungsweise Konzentration von Macht."

Fraglich ist auch, ab wann man von einem Konsens sprechen kann und ob dafür die legendäre Art des "IETF-Meinungsbildes" noch ausreicht: Auch über die vorgestellten Reformdokumente wurde nicht etwa per Handzeichen oder einstimmigem Urteil befunden, sondern dadurch, dass die Anwesenden laut summten. Wie genau der Konsens zu den nächsten Reformschritten aussehen soll, ist dabei allerdings noch nicht klar geworden. (Monika Ermert) / (jk)