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IFA 2015: Smarte Ohrhörer "The Dash" im Hands-On

Knapp 3,4 Millionen US-Dollar hatte ein Münchener Startup Anfang 2014 über Kickstarter für Bluetooth-Ohrhörer gesammelt, die zugleich MP3-Player, Headsets und Fitnesstracker sind. heise online konnte nun ein seriennahes Exemplar probehören.

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Nico Jurran beim Real-Life-Test von The Dash

Redakteur Nico Jurran beim Real-Life-Test von The Dash.

(Bild: Nico Jurran / heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nico Jurran
Inhaltsverzeichnis

Bluetooth-Ohrhörer, die auch als MP3-Player, Headset und Fitnesstracker dienen: Mit dieser Idee sammelte das Münchener Start-Up Bragi unter Leitung des Dänen Nikolaj Hviid Goldim Januar 2014 per Crowdfunding knapp 3,4 Millionen US-Dollar ein. Doch die Umsetzung des "The Dash" genannten Produkts erwies sich als äußert kompliziert. Am Ende konnte Bragi weder die ursprünglich geplante Premiere im November 2014 halten noch den daraufhin auf Februar 2015 verschobenen Starttermin.

Die Ohrhörer von The Dash sind auch untereinander nicht mit einem Kabel verbunden. Beide Exemplare haben daher Akkus eingebaut.

(Bild: Nico Jurran / heise online)

Doch nun ist es bald soweit: The Dash steht kurz vor der Serienreife, aktuell werden vor allem noch Feinabstimmungen an der Hardware und der dazugehörigen App vorgenommen. Als Vertreter von heise online hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen der IFA ein seriennahes Exemplar probezuhören – in einem privaten Rahmen, da Bragi in Berlin nicht mit eigenem Stand vertreten ist.

The Dash kommt in einer kleine Transportbox, die zugleich Dockingstation mit USB-Ladeanschluss ist. Da die beiden Ohrhöhrer auch untereinander nicht mit einem Kabel verbunden sind, sind jeweils 100-mA-Akkus eingebaut. Die liefern je nach Nutzung (als Ohrhörer oder mit Fitnessfunktion) laut Entwickler durchgehend Strom für 3 bis 5 Stunden. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Akkus sollen in weniger als einer Stunde wieder voll aufgeladen sein. Die Standby-Zeit soll bei etwa 250 Stunden liegen.

Auf den ersten Blick wirken die Ohrhörer nicht gerade zierlich, die 13 Gramm leichten Geräten haben aber einen sicheren und angenehmen Sitz. Sie lösen sich auch nicht, als ich stark den Kopf schüttel. Drei mitgelieferte Hüllen sollen dafür sorgen, dass die Hörer in 96 Prozent aller Ohren passen.

Die Ohrhörer steckt man in einer bestimmten Reihenfolge ein, zunächst das rechte, dann das linke Exemplar. Als Bestätigung hört man eine kurze Klangfolge. Tatsächlich haben die beide Ohrhörer unterschiedliche Rollen: Im rechten Exemplar steckt etwa der Teil für die Musik und die Kommunikation (wenn man The Dash als Headset benutzt), von hier werden die Audiodaten des Stereotons zum linken Ohrhörer geschickt. Eben diese Übertragung sorgte für große Verzögerungen in der Entwicklung. Schließlich kann man die Signale nicht durch den Kopf senden, sondern muss sie um diesen herum leiten.

Über das mitgelieferte "Power-Case" sollen sich die Ohrhörer in einer Stunde komplett aufladen lassen

(Bild: Nico Jurran / heise online)

The Dash hat einen Musikplayer eingebaut, mit 4 GByte Speicher für etwa 1000 Musikstücke. Alternativ koppelt man per Bluetooth an ein Handy und streamt von dort Musik. Hinzu kommen die Headset-Funktion und eine Reihe von Sensordaten: Über Beschleunigungssensoren sollen sich beim Sport Geschwindigkeit, Distanz und sogar den Energieverbrauch messen lassen, zudem kann The Dash über zwei winzige Infrarot-LEDs den Puls, die Sauerstoffsättigung und die Körpertemperatur des Trägers und die Umgebungstemperatur messen. Das alles muss gesteuert werden.

Hierfür bedient man sich einer Reihe von Fingertipsern und Wischgesten, die man an beiden Ohrhörern ausführt – auf der rechten Seite für Musik und Kommunikation und auf der linken Seite für die Kontrolle über die Sensorrückmeldungen.

Mit den ganzen möglichen Eingaben bin ich anfangs etwas überfordert, die Wiedergabe der auf The Dash gespeicherten Musik bricht bei meinen ersten Versuchen mehrmals unvermittelt ab – trotz der guten Erklärung auf der interessant gestalteten Verpackung, die ich aber noch nicht fotografieren darf. Doch nach kurzer Zeit habe ich den Dreh raus: Nicht nur die Grundfunktionen, auch das Navigieren zwischen mehreren Playlists beherrsche ich schnell.

Blick auf die App, die Bragi zu The Dash ausliefert.

(Bild: Nico Jurran / heise online)

Demostücke in den drei Musikstilen Klassik, Rock und R'n'B stehen zum Probehören bereit. Auch wenn der letzte Schliff hier und da noch fehlt, kann The Dash klanglich bereits überzeugen: Stimmen und Instrumente werden klar und sauber reproduziert, Höhe klingen klar und Bässe haben genug Druck. Auch Details bildet The Dash gut ab. Pharrell Williams "Happy" macht richtig Laune.

Natürlich bleibt The Dash ein Ohrhörer mit den damit verbundenen klanglichen Grenzen, aber in seiner Produktkategorie spielen das Gerät ordentlich auf. Was mir ebenfalls positiv auffällt: Irgendwelche Störungen durch die nötige Übertragung des linken Audiokanals zum rechten Ohrhörer treten während meines Kurztests nicht auf.

Lustig ist die "Audio Transparency"-Funktion: Nach einer Wischgeste schalten sich die Mikrofone in The Dash ein. Schirmten die Ohrhöhrer einen zuvor noch akustisch von der Umwelt ab, dringt diese jetzt durch die Musikkulisse ins Ohr. Zunächst ein fast etwas unheimliches Gefühl. Aber man bekommt nun tatsächlich wieder alles voll mit, was um einen herum gesprochen wird. Da stellt sich für mich die Frage, ob ich in diesem Modus The Dash eigentlich beim Fahrradfahren tragen dürfte.

The Dash (Vorserienversion) im Hands-on (5 Bilder)

Lebenszeichen

Als nettes Gimmick sollen die Ohrhörer einmal pro Stunde einen "Herzschlag" anzeigen (hier rechts zu erkennen).
(Bild: Nico Jurran / heise online)

Gerne hätten wir auch die Sensorfunktionen angetestet, doch hier arbeitet Bragi nach eigenen Angaben noch am Zusammenspiel mit der Smartphone-App.

In den kommenden Wochen soll zunächst das Developer Kit an ausgewählte Entwickler ausgeliefert werden, im Anschluss folgt der Versand an die rund 16.000 Kickstarter-Backer und die etwa noch einmal sovielen Vorbesteller. Nach Bragis aktuellen Plänen ist The Dash im Oktober frei im Handel erhältlich – über den eigenen Online-Shop und weltweit bei exklusiven Vertriebspartnern. Der Listenpreis soll bei 300 Euro liegen. (nij)