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Intel kreidet AMDs CPU-Namen an und ignoriert eigene Mängel

AMD vermischt in der Ryzen-7000-Mobilserie vier Prozessorgenerationen. Intel bezeichnet das als "Schlangenöl", sitzt aber selbst im Glashaus.

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(Bild: Intel)

Lesezeit: 4 Min.

Intels Marketing-Abteilung hatte einen kreativen Moment. Sie hat eine Präsentation erstellt, in der PC-Nutzer über "Kernwahrheiten" ("Core Truths") aufgeklärt werden sollten: "Es gibt eine lange Geschichte des Verkaufs von Halbwahrheiten an ahnungslose Kunden. Dieses Handbuch soll den Zuschauern helfen, einige dieser Halbwahrheiten zu erkennen, die von der Konkurrenz vor aller Augen verbreitet werden", schrieb Intel, hat das umstrittene Dokument inzwischen aber wieder offline genommen.

Punkt 1 der Präsentation: "Der Ryzen 5 7520U basiert auf der veralteten Zen-2-Architektur, die 2019 veröffentlicht wurde! […] Die Zahl 7 ist das einzig Neue an einigen AMD-Prozessoren der Serie 7000." In einer Folie geht der Hersteller so weit, AMD mit einem Verkäufer von Schlangenöl zu vergleichen – das Produkt sei also nutzlos.

Intel macht auf einen validen Punkt aufmerksam: Die Notebook-Prozessorserie Ryzen 7000U/H ist der Höhepunkt der kreativen Namensgebung, um möglichst viele alte Prozessoren im neuen Gewand zu verkaufen. Die dritte Ziffer soll zwar auf die verwendete CPU-Architektur (Zen 2, 3[+] oder 4) aufmerksam machen, aber wie viele der Millionen Notebook-Käufer wissen das schon?

Intels Präsentation über "Kernwahrheiten" (32 Bilder)

(Bild: Intel)

Ganz anders sehe es bei Intels eigenen Prozessoren aus. Der Core i5-1335U als konkretes Beispiel nutze die neueste Architektur (Raptor Lake), die erst 2023 vorgestellt worden sei. Das Problem? Intel mischt bei den Core i-13000 und i-1300 neue Raptor-Lake-Dies mit Chips aus der vorherigen Alder-Lake-Generation. Käufer erhalten unter Umständen also ein Produkt aus dem Jahr 2021.

Damit ein Core i5-1335U nicht schneller ist als ein anderer, bremst Intel die Raptor-Lake-Typen künstlich. Deren größte Verbesserung ist ein größerer Level-2-Cache (2 vs. 1,25 MByte), mit dem die CPU-Kerne mehr Daten lokal vorhalten können. Dadurch müssen sie seltener auf den langsameren Arbeitsspeicher zugreifen, was die Leistung steigert. Zur Angleichung hat Intel die Differenz jedoch ausgeknipst.

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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Viele Modelle aus der 13. Core-i-Generation haben deswegen nur ein kleines Takt-Upgrade. Das gleiche Spiel bei den Desktop-CPUs der 14. Generation: Die Core i-14000 verwenden die gleichen Dies wie die Core i-13000, höhere Taktfrequenzen bringen den meisten Modellen nur marginal mehr Leistung. Einzig bei den Core i7 lässt Intel mehr CPU-Kerne aktiviert.

Nicht zu vergessen ist das Fiasko mit der 10-Nanometer-Fertigung, weshalb Intel sechs CPU-Baureihen auf Basis der Skylake-Architektur aufgelegt hat – von den Core i-6000 (Skylake) bis hin zu den Core i-10000 (Comet Lake). Währenddessen bekamen Notebooks zumindest teilweise 10-nm-Chips mit neuerer Architektur, die mit 14-nm-Produkten gemixt wurden.

Geradezu blasphemisch wirkt die vierte "Kernwahrheit": "Nicht alle Kerne bieten die beste Gesamtleistung." Diese Aussage stammt von einer Firma, die das Hybrid-Computing mit unterschiedlichen CPU-Kernen bei Desktop-PCs und Notebooks salonfähig gemacht hat. Um beim Beispiel des Core i5-1335U zu bleiben: Intel und PC-Hersteller preisen ihn als 10-Kerner an, allerdings erreichen nur zwei Performance-Kerne die höchste Leistung. Die acht Effizienzkerne sind langsamer. Zur Angleichung deaktiviert Intel sogar die AVX-512-Instruktionen, die nur die Performance-Kerne beherrschen.

An dieser Stelle wollen wir nicht den Hybrid-Ansatz verunglimpfen. Firmen sollten lediglich ihre Aussagen über die Konkurrenz überdenken, wenn sie selbst im Glashaus sitzen. Die Reaktionen auf die Präsentation sorgten derweil für eine schnelle Gegenreaktion. Intel hat die Einbettung von seiner Webseite entfernt. Google findet aber weiterhin einen Deeplink zum PDF.

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