Interview Clark Little: Die Magie der Riesenröhren

Früher jagte Clark Little die hawaiianischen Monsterwellen als Profisurfer, heute fängt er sie mit der Kamera ein. Im Interview spricht der Fotograf über die Magie der riesigen Röhren, über Genickbrüche und andere Gefahren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph Twickel
  • seen.by

Früher jagte Clark Little die hawaiianischen Monsterwellen als Profisurfer, heute fängt er sie mit der Kamera ein. Im Interview spricht der Fotograf über die Magie der riesigen Röhren, über Genickbrüche und andere Gefahren - sowie über die Schwierigkeit, Schildkröten scharf zu kriegen.

siehe auch:
- Unwetter-Fotograf Peter Zéglis
- Fotos vom Dance Floor
- Cowboys sind ganz anders

Clark Little, Jahrgang 1968, machte sich in den Achtzigern und Neunzigern als virtuoser Wellenreiter an der Nordküste Hawaiis einen Namen. Nach seiner Karriere als Profisurfer wechselte er 2007 ins Fotografie-Fach und konnte sich mit seinen spektakulären Aufnahmen brechender Wellen in kurzer Zeit weltweite Aufmerksamkeit sicher. Little hat in Magazinen wie "National Geographic", "New York Times", "Life", "Paris Match" oder "Geo" publiziert und veröffentlichte 2009 seinen Bildband "The Shorebreak Art of Clark Little". Christoph Twickel hat ihn im Juli 2013 für seen.by interviewt:

Sie haben das Surfen auf Hawaii gelernt. Was macht die mythischen Nordstrand-Wellen auf Hawaii so gigantisch und so einzigartig?

Clark Little: Wir sind umgeben vom Ozean, um uns herum liegen Tiefseezonen, es gibt keine vorgelagerten Riffs. Wenn der Seegang hier auf die Küste trifft, brechen die Wellen eben nicht in kleinen Portiönchen, sondern sie türmen sich in voller Höhe auf und brechen auf ganzer Breite. Als Bonus kommen der weiße Strand, die Palmen, die Berge, das magische Wetter, die Sonnenauf- und -untergänge dazu, das gibt es sonst nirgendwo. Ich fotografiere ja nicht nur die Wellen, sondern auch diese einzigartige Szenerie.

Clark Little


Sie sind in Kalifornien geboren – was hat Sie nach Hawaii verschlagen?

Little: Mein Vater hat einen Job als Lehrer für Fotografie an der Punahou School in Honolulu bekommen – auf die übrigens auch Präsident Obama gegangen ist. Deshalb sind wir 1970, als ich zwei Jahre alt war, nach Hawaii gezogen.

Dann haben Sie das Fotografieren von Ihrem Vater gelernt?

Little: Nicht wirklich. Er ist ja ein Old-School-Fotograf, der immer mit Film gearbeitet hat. Bei mir ist alles digital. Aber vielleicht liegt's im Blut! Und er ist natürlich glücklich und stolz, dass ich als Fotograf Karriere mache.

Sie haben die Fotokunst erst vor sieben Jahren entdeckt – wie kam es dazu?

Little: Eines Tages kam meine Frau mit einem Wellenfoto aus dem Souvenirladen nach Hause. Ich habe gesagt: "Für so etwas brauchst du doch kein Geld auszugeben. Ich schwimm' raus und mach dir ein besseres Bild!" Also habe ich mir eine wasserdichte Box für meine Kamera gekauft und es einfach probiert. Ich lebe ja nur drei Minuten vom Nordstrand entfernt und kann von Sonnenaufgang bis -untergang im Wasser sein. Früher war das für mich, als wäre ich ein Kind im Süßigkeitengeschäft. Und nun ist halt eine Karriere daraus geworden. Auch deshalb, weil niemand anderes sich in die großen Wellen rein wagt. Ich dagegen liebe es, wenn ich von der Welle eingesogen und durchgewirbelt werde.

(Bild: Clark Little)

Ist das nicht gefährlich?

Little: Manchmal kommen acht, neun, zehn Wellen hintereinander, und sie können viereinhalb Meter hoch werden. Man kann ertrinken, man kann sich das Genick brechen, wenn man auf den Sand knallt, man muss aufpassen, dass einen die Kamera nicht verletzt, man muss Panik vermeiden. Und man muss einen Instinkt für die Situationen entwickeln.

Klingt nach einer Freizeitbeschäftigung für Lebensmüde. Was gefällt Ihnen daran?

Little: So verrückt das klingt: Es hat etwas sehr Friedvolles, in diese riesigen Röhren hineinzufahren. Das ist meine Komfortzone. Ich kenne den Ozean, ich weiß, wo die Wellen brechen, wo die Sonne aufgeht, wie ich aus gefährlichen Situationen entkomme und trotzdem noch ein Bild machen kann. Dabei dreht sich viel um gutes Timing – man muss wissen, wann der richtige Moment ist, um in die Wellenröhre hineinzukommen, und wie man dann drin bleibt.

(Bild: Clark Little)

Wie viele Fehlversuche brauchen Sie, bis Sie ein perfektes Wellenbild haben?

Little: Manchmal über tausend Belichtungen – in sechs Stunden. Ich schwimme bei Sonnenaufgang raus. Wenn das Wetter gut ist, will ich nicht vor mittags raus aus dem Wasser. Das Gefühl, dass die nächste Welle noch besser ist, womöglich sogar einzigartig – das macht süchtig. Man merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht.

Welches Equipment benutzen Sie?

Little: Nach den ersten Versuchen habe ich mir eine Nikon D200 mit einem Fisheye-Objektiv gekauft. Meist fotografiere ich mit Fisheye, manchmal nehme ich ein 24-Millimeter, manchmal ein 50-Millimeter-Objektiv, immer in Weitwinkelposition. Ich will ja die ganze Welle einfangen. Ich habe heute eine Nikon D3 und eine D4, die zehn Belichtungen pro Sekunde schafft – was wirklich schnell ist.

(Bild: Clark Little)

Und Sie fotografieren vermutlich mit extrem kurzen Belichtungszeiten.

Little: Klar. Es geht ja darum, diese gewaltigen, wütenden Wellen im richtigen Moment einzufrieren. Ich liebe diese sauberen, kristallinen, knackigen Bilder.

Arbeiten Sie mit Blitz?

Little: Ja, ich mache viele Bilder mit Blitzlicht – vor allem in dieser sehr speziellen halben Stunde vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang, wo es schon ein bisschen Licht gibt, aber alles noch wie schwarzweiß aussieht und der Blitz dann besondere Blautöne hervorbringt. Außerdem lässt Blitzlicht die Wellenoberfläche transparent erscheinen, fasst irreal.

Bearbeiten Sie Ihre Bilder nach?

Little: Manchmal ändere ich ein wenig am Kontrast oder an den Farben, aber ich versuche, die Bilder so natürlich wie möglich zu halten.

(Bild: Clark Little)


Ab und zu schwimmt auf Ihren Bildern auch eine Schildkröte in den Wellen – sicher nicht einfach, die zu finden, oder?

Little: Als Surfer kenne ich die abgelegenen Orte, an denen sie nisten. Meine Idee war: Schildkröten halb unter und halb über Wasser zu fotografieren. Ist nicht ganz einfach, den richtigen Fokus zu finden, damit beide Bildteile scharf sind, aber ich habe da ein paar Tricks, obwohl ich ja nie eine Fotografenausbildung gemacht habe. Ich lerne, während ich fotografiere. Ich bin eher so ein hemdsärmeliger Typ, ich probiere Sachen aus.

Und gehen Sie auch noch mit dem Surfbrett ins Wasser?

Little: Gelegentlich, allerdings meistens mit den Kindern. Das Problem ist: Früher wollte ich die perfekte Welle unbedingt surfen. Heute will ich sie lieber fotografieren.

Das Interview führte Christoph Twickel für seen.by im Juli 2013. (keh)