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Interview mit Lytro-Gründer Ren Ng: "Das mehrdimensionale Raw" 3 Kommentare

Sophia Zimmermann

Mit der Illum hat Lytro kürzlich die nächste Generation seiner Lichtfeldkamera vorgestellt. Wir konnten mit dem Lytro-Gründer Ren Ng über die Kamera und ihre Zukunft am Markt sprechen.

Mit der Illum [1] wollen Sie die Lichtfeldfotografie einen Schritt weiterbringen – wie ordnet sich die Kamera in den bestehenden Technik-Kanon ein?

Ren Ng: Der Kameramarkt steht gerade vor einem drastischen Umbruch. Klassische Kamerafunktionen werden von anderen Geräten wie Smartphones übernommen. Aktuell fehlt es an fundamentalen Erfindungen, die die Leistungsfähigkeit der Fotografie erweitern. Das leistet die Lichtfeldkamera, denn sie ist in der Lange viel gehaltvollere Daten zu sammeln.

Lytro Illum in Bildern (0 Bilder) [2]

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Diese gehaltvolleren Daten werden auch bei der Illum durch ein klassisches Objektiv gesammelt. Welche besonderen Anforderungen gab es an das Objektivdesign?

Ren Ng: Das Linsendesign ist maßgeschneidert für die Lichtfeldkamera. Das Objektiv der Illum deckt einen sehr großen Brennweitenbereich bei einer vergleichsweise hohen gleichbleibenden Blende von f/2.0 ab. Das Design der Optik ist sehr überraschend, da es nur mit vergleichsweise wenigen und ausschließlich sphärischen Linsenelementen auskommt, daher günstig produziert werden und vergleichsweise leicht ausfallen kann. Das ist sehr ungewöhnlich, denn aktuelle Zoomobjektive für herkömmliche Kameras haben einen sehr komplexen Aufbau mit bis zu 20 Linsenelementen inklusive asphärischer Elemente. Wir können das Design der Illum-Optik so relativ einfach halten und damit mehr Abbildungsfehler tolerieren, weil wir Physik in Software verwandeln. Letztlich ist es die Software, die perfekt auf das Objektiv abgestimmt, aus den eingehenden Lichtstrahlen das korrekte Lichtfeldfoto berechnet.

Auf ihrer Webseite erwähnen Sie, dass sie mit einem der besten Objektivhersteller zusammenarbeiten. Wozu denn der Aufwand, wenn das Design doch so einfach sein kann?

Lytro

Das Illum-Objektiv (unten) im Vergleich zu einem modernen, sehr komplex aufgebauten Zoomobjektiv für herkömmliche Spiegelreflexkameras.

(Bild: Lytro)

Ren Ng: Wer unser Objektiv produziert, ist vertraulich. Aber der Hersteller hat mehrere Jahrzehnte Erfahrung auf dem Gebiet und auch für ihn war es eine überraschende Erfahrung, unser Objektiv zu bauen. Das Objektiv, das wir benötigen, muss nicht exakt korrigiert sein, das erledigt unsere Software. Wir tolerieren also eine geringere Qualität. Aber wir wollten ein Objektiv schaffen, das mehr künstlerische Freiheiten gewährt. Die Herausforderung bestand deshalb darin, ein Objektiv mit einem so breiten Brennweitenspektrum bei einer gleichbleibenden hohen Lichtstärke zu bauen.

Warum hat die Illum ein fest eingebautes Objektiv und kein Wechselsystem, was den professionelleren Anspruch unterstreichen wüdre?

Ren Ng: Technisch wäre es möglich, Wechselobjektive anzubieten. Das ist aber derzeit nicht unser Fokus. Wir wollen die Kamera zunächst auf dem Markt etablieren und uns dann weiter auf die Software konzentrieren, um das volle Potenzial der Lichtfeldfotografie auszuschöpfen.

Nun, noch sind die Möglichkeiten, ein Lichtfeldfoto zu betrachten und zu nutzen allerdings sehr limitiert.

Ren Ng: Da muss ich Ihnen widersprechen. Die Sichtbarkeit unserer Fotos ist keinesfalls limitiert, sie steht nur in krassem Kontrast zu dem, was wir bisher gewohnt sind. Sie können das mit der Entwicklung von Raw-Dateien vergleichen, die anfangs nur mit spezieller Software genutzt werden konnten. Heute gehören sie für Fotografen fest zum Standard. Wir bieten über unseren Cloud-Service jedem, der einen Zugang zu einem Webbrowser hat, auch einen Zugang zu den Lichtfeldfotos an.

Dann könnten Lichtfeldfotos das neue, bessere Raw werden aus dem man seine Fotos völlig frei entwickeln kann?

Lytro

Bedient wird die Lytro Illum über ihren 4-Zoll-Touchscreen. Auf diesem kann man auch direkt seine Lichtfeldfotos anschauen und nutzen. Leistungsfähig macht die Kamera ein Snapdragon-800-Prozessor. Ihr Sensor hat das 1/1.2-Zoll-Format.

(Bild: Lytro)

Ren Ng: Genau, das neue mehrdimensionale Raw.

Wie lange denken Sie, wird es dauern, bis sich die Lichtfeldfotografie durchgesetzt hat?

Ren Ng: Es ist sehr schwer vorherzusagen, wie schnell sich eine Technik am Markt durchsetzt. Wir stehen gerade noch am Anfang, an dem Punkt wo damals Digitalkameras starteten. Die erste Digitalkamera wurde 1975 vorgestellt, erst 20 Jahre später kam das erste kommerziell erhältliche Gerät auf den Markt und erst 2002 wurden erstmals mehr Digitalkameras verkauft als analoge Kameras. Es muss erst ein bestimmter Umkipp-Punkt erreicht sein. Als das bei der Digitaltechnik der Fall war, hat sie die Art zu fotografieren aber grundlegend geändert.

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Anmerkung

Natürlich wollten wir von Ren Ng auch wissen, wann genau die Illum auf dem deutschen Markt aufschlagen wird – immerhin war sie für Juli zu einem Preis von 1600 Euro angekündigt. Eine konkrete Antwort lieferte Ng nicht, er vertröstete auf bald. Einer unserer Kollegen der amerikanischen Ausgabe der c't Digital Photography [4] konnte die Kamera aber schon ausführlich ausprobieren. Für einen gründlichen Test war das ihm zur Verfügung gestellte Illum-Modell aber wohl noch nicht bereit – es hakte sowohl die Software als auch die Hardware. Wir sind nun auf eine endgültige Version der Kamera gespannt.

(ssi [5])


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[1] https://www.heise.de/news/40-Megaray-Lytro-bringt-Profi-Modell-seiner-Lichtfeldkamera-2174384.html
[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_2272441.html?back=2270154;back=2270154
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_2272441.html?back=2270154;back=2270154
[4] http://www.ct-digiphoto.com/
[5] mailto:ssi@heise.de