Kein Ding der Unmöglichkeit: Warum mit Ladybird jetzt ein neuer Browser entsteht

Als mit Ladybird ein komplett neuer Webbbrowser das Licht der Welt erblickte, stießen die Entwickler auf viel Skepsis. Zu Unrecht, meint Andreas Kling.

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(Bild: iX)

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Heute noch einen komplett neuen Webbrowser aus dem Boden stampfen – der Start von Ladybird wurde mit viel Enthusiasmus begrüßt, rief aber auch viele Skeptiker auf den Plan. Warum das Unterfangen kein Ding der Unmöglichkeit ist, erklärt jetzt Entwickler Andreas Kling.

Sein wohl überraschendstes Argument: Heute sei es – den Unkenrufen zum Trotz – viel einfacher, einen neuen Webbrowser zu entwickeln, als noch vor wenigen Jahren. Der Grund seien die stark verbesserten Webspezifikationen, die seit den Tagen von HTML4 und CSS2.1 deutlich einfacher und mit weniger Rätselraten zu implementieren seien. Zwar seien die Spezifikationen noch nicht perfekt, doch das W3C arbeite aktiv an ihnen – und durch die Arbeit der Ladybird-Entwickler an einem unabhängigen Browser ließe sich außerdem sicherstellen, dass sie tatsächlich komplett seien.

Des Weiteren würde sich das Projekt auf vertikale Teile konzentrieren. Was bedeutet das konkret? Die Entwickler wollen nicht einzelne Webspezifikationen losgelöst implementieren, sondern übergreifende Ziele erreichen. Hierbei kann es sich zum Beispiel um das korrekte Laden eines Twitter-Kontos oder einer Anmeldeseite bei Discord handeln. Hierbei greifen unterschiedliche Webtechniken ineinander und es sei ferner motivierender, konkrete Fortschritte zu sehen. Wer hingegen abstrakten Spezifikationen arbeite, würde schnell das Interesse verlieren.

Wenig bis keine Rolle spielt zunächst die Leistung von Ladybird: Korrekte und kompatible Implementieren haben Vorrang, Benchmark-Ergebnisse und vergleichbare Metriken verfolgt das Projekt hingegen nicht. Nur wenn die zu langsame Geschwindigkeit die Arbeit behindere, würden die wichtigsten Flaschenhälse ausgeräumt. Trotzdem unterstreicht Andreas Kling, dass der neue Browser durchaus auch bei der Performance glänzen soll – jedoch nur schlussendlich, Optimierungen haben dahin letztlich keine Priorität.

Hinzu kommt der Faktor Mensch, denn zum einen habe das Ladybird-Projekt eine höchst optimistische Entwicklerkultur mit einer Can-Do-Einstellung. Die Beteiligten seien zwar auf der ganzen Welt verteilt, würden sich aber auf Discord absprechen und gegenseitig motivieren; Programmierer würden ständig zusammenarbeiten oder sich aushelfen. Ferner könne jeder explizit seine persönlichen Interessen in Ladybird verfolgen – wer noch nie mit Browser-Code gearbeitet habe, würde hier schnell zu einem der weltbesten Entwickler in diesem Bereich. Schließlich sei das Team nicht von Dritten abhängig, aller Code sei intern geschrieben und so für alle Beteiligten transparent.

Außerdem habe Ladybird mit Andreas Kling selbst einen erfahrenen Verantwortlichen. Tatsächlich ist er nicht nur der Hauptentwickler des eng verwandten unix-ähnlichen Betriebssystems SerenityOS, sondern kennt sich aufgrund seiner Arbeit bei Apple und Nokia mit bereits produktiv eingesetzten Webbrowsern aus. Wie er in seinem Blogbeitrag erklärt, würde er persönlich vor allem an den schlechter spezifizierten Bereichen Hand anlegen – der Umgang mit ihnen sei für die anderen weniger erfahrenen Mitglieder des Teams deutlich schwerer.

(fo)