Keine klare Perspektive für Streetside View

Microsoft darf und wird am kommenden Montag mit Kamerafahrten für sein Web-Panoramaangebot Streetside View beginnen, auch wenn nach wie vor strittig ist, unter welchen Voraussetzungen es die Bilder ins Web stellen darf.

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Von
  • Hans-Peter Schüler

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat Microsoft zugestanden, Bilder für seine Web-Atlas-Ansicht Streetside aufzunehmen, auch wenn die anschließende Nutzung dieser Fotos ausdrücklich noch nicht geregelt ist. Ab dem kommenden Montag will das Unternehmen Kameraautos planmäßig zuerst durch die Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen fahren lassen, nachdem es den ursprünglich für den 9. Mai vorgesehenen Starttermin zwischenzeitlich aus technischen Gründen um 14 Tage verschoben hatte.

Nach Absichten des Software-Konzerns sollen die gesammelten Bilder dessen Webatlas Bing Maps auch für Deutschland um die Straßenansichten namens Streetside ergänzen, so wie dies in den USA schon lange der Fall ist. Doch während Microsoft wie in den USA vorhat, die Panoramen zuerst zu veröffentlichen und betroffenen Bürgern erst danach eine Möglichkeit zum Widerspruch einzuräumen, bestehen deutsche Datenschützer auf dem Standpunkt, dass die Bilder erst nach Ablauf einer vorherigen Einspruchsfrist im Web auftauchen dürfen, so wie dies im Falle von Googles konkurrierendem Dienst Street View der Fall ist.

Nach wie vor muss Microsoft einkalkulieren, dass die zuständige bayerische Landesregierung verbieten wird, Streetside-Ansichten ohne vorherige Widerspruchsgelegenheit zu veröffentlichen. Nach Maßgabe aus Redmond obliegt die Verhandlung im Namen des Softwarekonzerns nicht der Konzernspitze, sondern der Microsoft Deutschland GmbH. Deren Sprecher Thomas Baumgärtner bestätigte, was auch der Chef des bayerischen Landesamts Thomas Kranig gegenüber heise online erklärte: Die Gespräche verliefen außerordentlich kooperativ, und man stehe "in intensivem schriftlichem, mündlichem und persönlichem Kontakt". Worauf sich die erklärte Hoffnung, zu einer gütlichen Einigung zu kommen, aber inhaltlich stützt, ist den Äußerungen aller Beteiligten derzeit nicht einmal im Ansatz zu entnehmen.

Google hatte beim Einführen seines konkurrierenden Bildangebots Street View in Deutschland zahlreiche Proteste ausgelöst, es verletze die Persönlichkeitsrechte der Besitzer und Einwohner fotografierter Bauten. Nicht zuletzt als Reaktion darauf haben IT-Unternehmen, darunter Google und Microsoft, unter der Federführung des Branchenverbands BITKOM einen Datenschutz-Kodex für Geodaten-Dienste formuliert. Diese Selbstverpflichtung sieht unter anderem vor, dass Straßenansichten für Webatlanten nur nach gebührlicher vorheriger Ankündigungsfrist aufgenommen werden dürfen, und dass betroffene Bürger ohne Angabe von Gründen verlangen können, dass Bilder ihrer Wohnungsfassade oder ihres Hauseigentums unkenntlich gemacht werden.

Der Kodex besagt nicht, dass derartige Einsprüche schon vor der Veröffentlichung zur Geltung kommen müssten. Genau diese Lücke erregt den Widerstand deutscher Datenschützer: In einer Stellungnahme vom 8. April (PDF) verlangt der Düsseldorfer Kreis, eine Arbeitsgruppe der obersten deutschen Datenschutzbehörden, ein Einschreiten des Gesetzgebers. Er möge festlegen, dass Bürger schon vor der Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet Widerspruch einlegen können.

In den USA können Bürger, die ihre Rechte durch Microsoft Streetside verletzt sehen, auf einer Beschwerde-Webseite interaktiv markieren, welche Bildausschnitte sie verpixelt haben wollen. Microsoft verspricht, solchen Wünschen binnen 48 Stunden nachzukommen. Nach Auskunft gegenüber heise online wendet das Unternehmen in den maßgeblichen Rechenzentren im US-Bundesstaat Colorado einen Algorithmus an, der die Retuschen ohne großen Personalaufwand ermöglicht.

Im Unterschied dazu baut Google, wenn es um die Verpixelung von Häuserfotografien für dessen Panoramadienst Street View geht, auf eine Abgrenzung der bearbeitungsbedürftigen Bildausschnitte von Hand. Das Unternehmen muss hierfür sehr viel Aufwand betreiben und plant wohl auch deshalb vorerst keine weiteren Street-View-Veröffentlichungen für Deutschland.

Die ganze Debatte gilt übrigens nur der Verpixelung von Gebäudeansichten. So gut sie es können, verwischen sowohl Microsoft als auch Google automatisch alle Gesichter und Autokennzeichen auf ihren eigenen Bildern, bevor sie diese veröffentlichen. Anders liegt die Sache bei Bildern, die von der Community über Plattformen wie Picasa oder Flickr in die Web-Atlanten hineingelinkt werden. Bei welchen Instanzen man sich gegen etwaige Indiskretionen auf solchen Bildern verteidigen kann, ist zurzeit noch nicht einmal ein öffentliches Gesprächsthema. (hps)