Lebt der Quake-Erfinder künftig vom Verkauf virtueller Schwerter?

"Entwickler von Online-Spielen müssen sich künftig Gedanken über ihr Geschäftsmodell machen - und schon vor Fertigstellung des Spiels wissen, welche virtuellen Gegenstände sich am besten verkaufen werden", hieß es auf der ION Conference.

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Von
  • Jürgen Kuri

"Entwickler von Online-Spielen müssen sich künftig Gedanken über ihr Geschäftsmodell machen – und schon vor Fertigstellung des Spiels wissen, welche virtuellen Gegenstände sich am besten verkaufen werden", verkündete John Young von Slipgate Ironworks – der neuen Firma von Quake-Miterfinder John Romero – auf der ION 2008 Conference in Seattle. Dass sich auch das kommende MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) von Slipgate selbst über den Verkauf von virtuellen Gegenständen finanziert, wollte er gegenüber heise online weder bestätigen noch dementieren. Für von Dritten entwickelte Spiele, die von Slipgate veröffentlicht werden sollen, sei dies aber in jedem Fall ein sehr wichtiger Aspekt. Für die Spieler sei diese Entwicklung erfreulich: "Es handelt sich um ein Geschäftsmodell, bei dem die Betreiber ein besonders hohes Interesse haben, Qualität abzuliefern. Schließlich kaufen die Spieler nur dann virtuelle Gegenstände, wenn sie Spaß an dem Spiel haben." Die Kunst dabei sei, dass die Spieler dies als tolle Möglichkeit neuer Features akzeptierten – und nicht als Verkauf unfairer Vorteile ansehen.

Ein bisschen ist aber auch die Not Vater dieses Gedankens. Wenn sich ein Thema durch den ersten Tag der Veranstaltung zog, dann war es die Schwierigkeit, neben "World of Warcraft" noch weitere Spiele zu etablieren, die sich durch Abo-Gebühren finanzieren. Das gilt für Amerika, das gilt für Europa, und das gilt in ganz besonderem Maße für die Märkte in Fernost, wo sich nicht einmal das heiß erwartete "Hellgate: London" durchsetzen konnte. Won II Suh von Neowiz betonte, dass außer "World of Warcraft" in Korea kein ausländisches MMOG wirklich erfolgreich sei und apellierte an die westlichen Entwickler, sich mit koreanischen Partnern zusammenzutun, um Fehler zu vermeiden und schnell an Boden zu gewinnen. Korea steht derzeit vor dem Problem, dass die kleinen Entwicklungsstudios in finanziellen Schwierigkeiten sind, weil zu viele zu ähnliche Produkte entwickelt worden sind. Die großen Publisher dort haben sich in den guten Zeiten ein ordentliches finanzielles Polster zugelegt, leiden aber an einem Mangel an innovativem Content und an Wachstumsmöglichkeiten auf dem heimischen Markt und schauen sich – das zeigen auch zahlreiche andere Aktivitäten der letzten Zeit – momentan sehr aktiv nach potenziellen Partnern in Amerika und Europa um. "Free to play" ist nach Ansicht von Won fast die einzige Chance, die verwöhnten koreanischen Spieler noch zu erreichen – und damit auch das Konzept, auf das viele Konferenzteilnehmer ihre Hoffnungen setzen. Dass dieses Geschäftsmodell auch außerhalb von Korea heute schon sehr erfolgreich ist, ist auf der ION 2008 aber noch kein Allgemeingut. Insbesondere der Erfolg vieler Browserspieleentwickler – neben Planetarion und Runescape sind auch gerade deutsche Anbieter wie Bigpoint, Gameforge und Travian Games international führend – hat sich lange noch nicht bei allen Teilnehmern und Referenten herumgesprochen.

Wer mit dem zu einem guten Teil durch den Verkauf virtueller Gegenstände finanzierten "Free to play"-Modell Erfolg haben möchte, muss aber nicht nur das Spieldesign darauf einrichten. Min Kim von Nexon America, verantwortlich für "Maple Story" – das nach eigenen Angaben zweitgrößte MMOG in Amerika, was die Umsatzzahlen angeht – berichtete von Schwierigkeiten bei der Zahlungsabwicklung in der ersten Zeit, als das Spiel in Amerika vermarktet wurde. Für die Zahlung von Kleinstbeträgen im Internet sei in den USA zunächst nur PayPal etabliert gewesen, inzwischen seien auch Prepaid-Karten bedeutend.

Weiter erfordert dieses Geschäftsmodell natürlich einen besonders sorgfältigen Umgang mit ökonomischen Mechanismen innerhalb der Spielewelten. Zudem stellen sich eine Reihe von Rechtsfragen in besonderer Schärfe, von der Besteuerung bis zu Haftung für virtuelle Güter (siehe dazu den heise-online-Artikel: Virtual Law: Was ist Recht in virtuellen Welten?). Von Marktführer Blizzard allerdings war bei diesen Diskussionen nichts zu hören oder zu sehen. Es scheint sich also mit rund 10 Millionen Abonnenten auch ohne den Verkauf virtueller Gegenstände gut zu leben. (Dr. Andreas Lober)

Der Autor Andreas Lober hielt auf der ION 2008 zusammen mit Steve Augustino einen Vortrag über Rechtsstreitigkeiten rund um virtuelle Welten und Online-Spiele. (jk)