Libreka! Volltextsuche mit möglichem Kollateralschaden

In dem erneuten Wechsel des Finanzierungsmodells für die Buch-Volltextsuche Libreka sehen Kritikier eine Bedrohung für das Verzeichnis lieferbarer Bücher.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mathias Schindler

In das als Antwort auf Googles Buchsuche gestartete Branchenprojekt zur Digitalisierung von Buchtiteln kommt Bewegung. Zum ersten Mal ist der aktuelle Stand des zur Buchmesse in "Libreka!" umgetauften Projekts "Volltextsuche Online" (VTO) für die Allgemeinheit einsehbar. In die allgemeine Erleichterung mischen sich jedoch kritische Stimmen, die in dem erneuten Wechsel des Finanzierungsmodells eine existenzielle Bedrohung für eines der zentralen Werkzeuge des deutsch(sprachig)en Buchhandels sehen: das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB). Zudem ist weiterhin fraglich, wie Libreka eine größere Anzahl an attraktiven Titeln akquirieren soll.

Auch bei der erneuten Vorstellung auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse lief das Digitalisierungsprojekt des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels noch als "Public Preview". Auf der Messe im vergangenen Jahr war das Projekt ertsmals präsentiert worden. "Wenn wir mit 10.000 Titeln nach einem Jahr herumdümpeln, dann haben wir das Thema vergeigt", sagte damals der Geschäftsführer des Verbandes, Alexander Skipis. Zwölf Monate später werden andere Zahlen gehandelt.

Für Ronald Schild, Geschäftsführer der Börsenvereins-Tochter und Betreibergesellschaft MVB, setzt die offizielle Zeitrechnung auch erst auf der Buchmesse 2007 ein. Am Tag Drei neuester Zählung verzeichnet Libreka etwa 2335 Buchtitel in unterschiedlicher Qualität und Einsehbarkeit – die MVB selbst legt Wert auf die Zahl von "knapp 8000" Titeln, die von Verlagen bereits übermittelt worden seien. Bis Frühjahr 2008 wolle man bei 30.000 bis 40.000 Büchern angekommen sein, erklärte ein MVB-Vertriebsmitarbeiter.

Große Hoffnungen setzt man bei der MVB daher in einen "Scan-Service", der Verlagen die Einstellung von Titeln erleichtern soll, sofern diese die umfangreichen und in der Vergangenheit häufig überarbeiteten Anforderungen an die digitale Lieferung nicht erfüllen können. Bis zu 1000 Titel pro Verlag und insgesamt maximal 50.000 Titel können bis zum 15. November 2007 noch kostenlos an den Dienstleister GDS German Dataservice übermittelt werden. Später fallen für den Scan je nach Größe und Seitenzahl zwischen 19 Euro und 39 Euro pro Buch an.

Auf der Libreka-Party am Messemittwoch verkündete Ronald Schild bereits stolz die Zahl von 5000 Titeln, die Verleger über dieses Angebot einsenden wollen. Noch im Februar 2007 hatte die MVB die von den Verlagen in Absichtserklärungen angegebenen Zahlen auf 15.000 Titel addiert, was sich später als zu optimistisch herausgestellt hatte.

Weniger offensiv kommuniziert, aber durchaus nicht versteckt ist eine Klausel in den Bedingungen des Scan-Service, die die Verleger dazu verpflichtet, die Bücher für die komplette Dauer ihrer Lieferbarkeit auf der Onlineplattform zu lassen – eine nachträgliche Rücknahme, wie sie sonst in den Verträgen vorgesehen ist, wird damit ausgeschlossen. Das bei Googles Buchsuche seit dem Start bestehende Angebot des kostenlosen Einscannens verzichtet auf eine solche Bestimmung.

Die schon im Millionenbereich liegenden Kosten des Projektes VTO/Libreka werden derzeit aufgefangen durch eine drastische Preiserhöhung des MVB-Angebotes Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB), das derzeit nach MVB-Angaben über eine Million lieferbarer Buchtitel enthält und damit zu den wichtigsten Bibliographiewerkzeugen der Buchbranche zählt. Gerade bei wissenschaftlichen Verlagen mit einer großen Auswahl lieferbarer Titel mit niedrigen Verkaufszahlen sorgte die knappe Verdopplung der Preise für einen Aufschrei.

In einem "Brandbrief" (PDF-Datei) kritisiert der Münchner Verleger Herbert Utz die Preiserhöhung und warnt vor einer Massenabwanderung der Verlage aus dem VLB. Der Verlust der Vollständigkeit des VLB als Kollateralschaden würde Librekas Finanzierungsgrundlage gefährden. Vertreter des MVB wollen solche Abwanderungsbewegungen nur hinter vorgehaltener Hand bestätigen – man habe ohnehin mit einer gewissen Rate an Abmeldungen gerechnet.

Ronald Schild teilte auf Anfrage von heise online mit, eine Verringerung der Titelzahlen könne man nicht feststellen. Im Gegenteil, das neue Modell der Zwangskopplung von VTO und VLB mit einer Jahresgebühr von drei Euro pro Titel und Jahr träfe bei der überwiegenden Zahl von Verlagen auf große Zustimmung. Man sei in Gesprächen mit den Verlagen, die das alte Modell separater Abrechnungen und Teilnahme bevorzugten. (Mathias Schindler) / (bo)