Mit viel Getöse: Medizinforschungsgesetz im Bundestag beschlossen

Trotz Zweifeln bei der Unabhängigkeit der Bundesethikkommission und weiterer Kritik wurde das Medizinforschungsgesetz beschlossen.​

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Geld und Pillen

(Bild: InfinitumProdux/Shutterstock.com)

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Der Bundestag hat das Medizinforschungsgesetz in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen von SPD, Grüne und FDP beschlossen. Es soll im Rahmen einer Pharmastrategie die Investitionen zurück nach Deutschland holen. Kritik gab es vor allem wegen der möglichen Abhängigkeit der Bundesethikkommission und "vertraulichen Erstattungspreise". Darüber hinaus habe es im Vorfeld Absprachen mit einem Pharmakonzern gegeben, kritisiert die Opposition.

"Wir vereinfachen und beschleunigen Genehmigungsverfahren für klinische Studien, schaffen klare, einfache Zuständigkeiten, harmonisieren Prüfvorgaben und nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung. [...] Deutschland wird als wieder auferstandenes Schwergewicht in der Forschung hier wichtige Beiträge liefern", so Gesundheitsminister Karl Lauterbach zum Medizinforschungsgesetz. Ähnliche Worte fand auch Martina Stamm-Fibich von der SPD-Fraktion. Wichtig sei das Wohl der Patienten, auf die komme es bei der Forschung am meisten an. Als Stamm-Fibich sagte, dass ein Gesetz so selten "eine so breite Zustimmung in der Fachwelt erfahren" habe, waren Buhrufe zu hören.

Die Berichterstatterin für Arzneimittel und Medizinprodukte der Grünen, Paula Piechotta, fand viele lobende Worte für das Gesetz, das gleichermaßen ein "Arzneimittelindustriestandortverbesserungsgesetz und ein Arzneimittelpreisregulierungsanpassungsgesetz" sei.

"Es sind die vertraulichen Erstattungspreise, die keiner braucht, die nur Geld kosten", kommentierte das CDU-Bundestagsabgeordneter Georg Kippels den bereits mehrfach geänderten Vorschlag. Vogler bezeichnete Lauterbachs Versprechungen, dass die Arzneimittel durch geheime Erstattungspreise günstiger würden als "dreiste Lüge". Zudem habe es im Vorfeld des Medizinforschungsgesetzes Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und dem Pharmakonzern Eli Lilly gegeben.

Olaf Scholz habe laut Vogler Anfang des Jahres zweimal mit dem Geschäftsführer von Eli Lilly gesprochen. Auf ihre Nachfrage, ob "Inhalte der Pharmastrategie der Bundesregierung auf inhaltlichen Absprachen mit dem Unternehmen Eli Lilly beruhen und welche das waren" hieß es laut Vogler vom BMG, dass "die Pharmastrategie der Bundesregierung [...] unter Einbeziehung der pharmazeutischen Industrie erarbeitet [wurde]".

Zu Rückfragen des Linken-Abgeordneten Ates Gürpınar bezüglich der vertraulichen Erstattungspreise beteuerte Lauterbach, dass die Pharmaunternehmen nicht daran beteiligt gewesen seien. "Das hat nichts mit dem Unternehmen Eli Lilly zu tun", sagte Lauterbach. Die vertraulichen Erstattungspreise seien bereits im Rahmen der Pharmastrategie entwickelt worden. Früher habe er eine andere Position vertreten. Das habe sich aber geändert, als Deutschland das einzige Land in Europa gewesen ist, das transparent bei den Erstattungsbeiträgen gewesen sei. Das führte dazu, dass Deutschland die höchsten Arzneimittelpreise zahlen muss. Die Preise anderer Länder wurden dann entsprechend der Arzneimittelpreise in Deutschland abgesenkt.

"Immer wieder versucht der Deutsche Bundestag, die explodierenden Arzneimittelpreise [...] unter Kontrolle zu bringen, die die gesetzlichen Krankenkassen von Jahr zu Jahr mehr belasten. Im Jahr 2022 waren es zum Beispiel fast schon 50 Milliarden Euro. Aber die Ampelregierung hat jetzt endgültig kapituliert und sich entschieden, das sehr lukrative Geschäft mit neuen Arzneimitteln noch profitabler zu machen", so Katrin Vogler von den Linken. Das Medizinforschungsgesetz sei aus ihrer Sicht nichts anderes als "Standortpolitik mit Geldern der Krankenversicherung".

Im Vorfeld hatten unter anderem die gesetzlichen Krankenkassen befürchtet, dass es zu höheren Preisen führe, wenn Ärzte nicht wissen, was ein Medikament kostet. Laut Piechotta seien die vertraulichen Erstattungspreise inzwischen deutlich stärker reguliert, etwa dadurch, dass die Hersteller einen Sonderrabatt von neun Prozent gewährleisten müssen und auch wirklich in Deutschland forschen und entwickeln.

"Mit dem Gesetz werden die Rahmenbedingungen für den Standort Deutschland erheblich verbessert. Forschung, Entwicklung und Produktion werden für die Industrie attraktiver, sodass mehr Investitionen in Deutschland stattfinden", so Andrew Ullmann von der FDP. Zwar räumte er ein, der Bundesethikkommission weiterhin kritisch gegenüberzustehen, "aber mit dem Gesetz haben wir auch den Arbeitskreis der Medizinischen Ethikkommission Deutschlands gestärkt".

Emmi Zeulner von der CDU/CSU-Fraktion lehnt die Ansiedlung der Ethikkommission an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und damit an das Bundesgesundheitsministerium "ganz klar" ab. Der Bundesgesundheitsminister solle nicht "von oben die Ethik in unserem Land" bestimmen.

Janosch Dahmen von den Grünen verteidigte die Ethikkommission: "Es ist richtig, dass die Bundesethikkommission beim BfArM zukünftig angesiedelt ist. Aber so, wie wir das von der STIKO kennen, werden die Mitglieder der Bundesethikkommission zukünftig von den Ländern benannt. Und so, wie die STIKO in unserem Land unabhängig ist, ist auch die Bundesethikkommission in Zukunft unabhängig. So steht es im Gesetz". Ullmann lobte auch den versprochenen Bürokratieabbau und Einverständniserklärungen künftig "patientenfreundlicher gestalten wird und wir Vertraulichkeitsklauseln verbindlich umsetzen können. Das bringt mehr PS auf die Straße – vor allem mehr PS für schnellere Studienumsetzungen".

Hubert Hüppe von der CDU/CSU: "Diese neue Spezial-Ethikkommissionen [...] schaffen eben nicht, wie immer gesagt wird, weniger Bürokratie, sondern sie schaffen mehr Bürokratie. [...] Und sie ist eben nicht [...] unabhängig im Sinne der Deklaration von Helsinki, weil ihre Mitglieder vom Gesundheitsministerium ernannt und entlassen werden und nur im Benehmen der Länder sind. [...] Und sie bleiben angesiedelt bei der Bundesoberbehörde". Das hätte einen "Vertrauensverlust und dadurch auch weniger Teilnahmebereitschaft an klinischen Studien" zur Folge. Darüber hinaus kritisierte Hüppe die aus seiner Sicht zu niedrigen Sanktionen, wenn Kliniken oder Praxen Informationen zu Implantaten nicht an das dafür eingerichtete Register melden. "Damit können Sie kein vernünftiges Register aufbauen".

(mack)