Musikerin: "Musikpiraterie ist nicht unser Feind"

Die Sängerin Imogen Heap beklagt das komplexe und unfaire System, das in der Musikindustrie die Verwertungswege bestimmt. Mithilfe von Plattformen, die das Blockchain-Protokoll nutzen, will sie eine Alternative schaffen.

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"Musikpiraterie ist nicht unser Feind"

(Bild: Vladimir Hodac / Fotolia)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Honey

Während für die International Federation of Phonographic Industry (IFPI) die Musikpiraterie nach wie vor als "größte Gefahr für die Entwicklung des lizenzierten Musiksektors" gilt, sieht es die britische Singer-Songwriterin Imogen Heap anders: "Musikpiraterie ist nicht unser Feind und war es nie." Sie ist mit ihrem Welthit "Hide and Seek" im Jahr 2005 bekannt geworden und hat somit einige Erfahrungen in der Branche. Als eigentliches Problem der Musikindustrie sieht Heap eine verbreitete Innovationsresistenz. "Es ist noch immer ein Problem, dass die Musikindustrie neue Technik nicht annimmt oder nicht schnell genug auf sie reagiert", sagt die Sängerin in der aktuellen Ausgabe der Technology Review (jetzt im Handel und im heise shop bestellbar).

Dabei verlange das Business innovative Lösungen mehr denn je, weil es extrem komplex geworden sei. "An einem einzigen Song arbeiteten heute viele verschiedene Leute, die alle über mehrere verschiedene Verwertungswege bezahlt werden. Es ist ein kompliziertes, langsames und unfaires System, das aus technoischer Sicht komplett unnötig ist", findet Heap. Am Verkauf von Tonträgern, also Downloads, Streams oder CDs, verdienen vor allem der Handel, der Vertrieb, das Plattenlabel und der Musikverlag. Die Musiker, die die Musik eingespielt haben, bekommen laut dem Bundesverband Musikindustrie nur 9,9 Prozent des Nettoverkaufspreises (siehe Grafik). Das gelte aber nur für bereits erfolgreiche Musiker, sagt Heap. Der Komponist wird im Schnitt sogar mit nur 3,7 Prozent abgespeist.

Künstler und Autoren erhalten beim Verkauf einer CD in Deutschland gerade mal ein Viertel dessen, was Handel und Vertrieb daran verdienen.

(Bild: Verband unabhängiger Musikunternehmen, Bundesverband Musikindustrie)

Imogen Heap probiert deshalb aus, wie die Zukunft aussehen könnte. Kürzlich hat sie ihren Song "Tiny Human" auf Ujo und Aurovine veröffentlicht. Beide Plattformen nutzen ein Blockchain-Protokoll, um Musikrechte zu verwalten und die damit verbundenen Transaktionen. "Wird 'Tiny Human' bei uns gekauft, verteilt die Blockchain automatisch die Honorare, entsprechend einem Smart Contract", erklärt Phil Barry, Gründer von Ujo.

Ein Smart Contract ist eine digitale Liste aller Akteure, die an der Produktion eines Songs beteiligt sind, zusammen mit den Anteilen in Prozent, die die Vertragspartner von einem Verkauf des Songs abbekommen. Die Blockchain von Ujo speichert diesen Smart Contract und protokolliert alle Transaktionen, vom Kauf eines Songs bis zur Verteilung der Honorare. Daneben speichert die Blockchain auch die Rechte, die der Käufer der Musikdatei erwirbt, also etwa das Recht, einen Song in einem Club abzuspielen oder ihn in einem Video zu verwenden.

Wie jede andere Blockchain auch ist die von Ujo eine verteilte Datenbank. Jeder Beteiligte hält eine exakte Kopie. So verbindet sie vom Songwriter über die Musiker und Toningenieure bis zum Käufer alle Beteiligten und schafft dabei Transparenz. Es könnte eine Alternative zum bestehenden System in der Musikindustrie aufzeigen. (jle)