Musikstreaming: EU-Parlament fordert Regeln für gerechtere Vergütung

Musikschaffende beklagen ungerechte und intransparente Verteilung der Einnahmen von Streamingdiensten. Das EU-Parlament stellt sich auf ihre Seite.

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Streaming-Nutzer, der sich vermutlich gerade keine Sorgen um die Einnahmenverteilung macht.

(Bild: Spotify)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Falk Steiner

Das Europaparlament (EP) hat am Mittwoch einen Initiativbericht zum Streaming-Markt angenommen. Darin fordern die Europa-Abgeordneten die EU-Kommission unter anderem auf, für eine fairere Einnahmeverteilung zu sorgen. Die EU-Kommission solle bestehende Vertragspraktiken auf dem Musikstreaming-Markt sowie des derzeitigen Modells der Einnahmenverteilung für Musikstreaming-Dienste bewerten. Zusammen mit den Interessenträgern solle die Kommission geeignete Schritte prüfen, zum Beispiel alternative und gerechtere Modelle zur Umverteilung der Streaming-Einnahmen.

Der milliardenschwere Streaming-Markt funktioniere schlecht, auch wenn das nicht auf den ersten Blick sofort erkennbar sei, sagte der Grünen-Abgeordnete Niklas Nienaß in Straßburg, der als Schattenberichterstatter an dem Bericht des EP mitgearbeitet hat. Die Zeiten von Piraterie seien weitgehend vorbei, für die Künstlerinnen und Künstler sei die Situation aber existenzbedrohend. "Wir entscheiden jetzt über die Zukunft der europäischen Musik", sagte Nienaß. Künstler mit relevanten Abrufzahlen müssten von ihrer Arbeit leben können.

Vertreter aus der Musikbranche kritisieren in einer Pressekonferenz scharf die derzeitigen Verteilungssysteme für Einnahmen der Streamingdienste. Die Mechanismen dafür würden von den Diensteanbietern und den größten Musiklabels ausgehandelt. 90 Prozent der Tantiemen erreichten unter 1 Prozent der Musikschaffenden, sagte die Musikerin und Autorin Balbina Jagielska. Es müsse vom rein quantitativen zu einem qualitativen Mechanismus gewechselt werden. Genau das aber sehen die Musikschaffenden gefährdet, denn Spotify habe etwa angekündigt, dass Künstler mit unter 1000 Streams pro Jahr künftig keine Tantiemen mehr erhalten sollten.

Christopher Annen von der Band AnnenMayKantereit, Vorstand des Verbands freischaffender Musiker ProMusik, kritisierte diese Änderungen scharf. Das treffe gerade kleine Musiker unverhältnismäßig stark, selbst wenn es sich dabei pro Stück nur um verhältnismäßíg geringe Summen handele. Dadurch komme es zu einer "Umverteilung zu großen Artists". Andere Änderungen bei Spotify begrüßte Annen: Sogenanntes weißes Rauschen oder andere Geräusche sollen nicht mehr vergütet werden, wenn sie unterhalb gewisser Längen blieben. Allerdings sei das nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu faireren Vergütungsregelungen, die auch kleinere Künstler als seine Band angemessen an den Einnahmen beteiligten. Gegen die Regelung für weniger als 1000 Streams pro Jahr ruft ProMusik auf zu einer eine Onlinepetition.

Besonders abhängig von fairen Vergütungsregelungen sei die Gruppe der Musikautoren, schilderte Matthias Hornschuh, Mitglied des Aufsichtsrats der GEMA. Fast zu 100 Prozent hänge diese Gruppe von Nutzungsvergütungen ab, über 77 Prozent der Einnahmen komme über die GEMA bei Autoren an. Das passiere nur dann, wenn eine Werkbeteiligung hinterlegt sei – und das sei regelmäßig ein Problem. Hier fordern die Europaparlamentarier, die EU-Kommission solle prüfen, ob für Metadaten zu Stücken bessere technische Lösungen verfügbar und verpflichtend einsetzbar sein könnten, um alle Werkbeteiligten auch zu entlohnen. Fehlerhafte oder fehlende Metadaten gelten in Branchenkreisen als Teil des Problems.

Die Abgeordneten fordern auch mehr Transparenz von Plattformen: Diese sollten darlegen, nach welche Kriterien Musiktitel in algorithmisch sortierten Playlists organisiert würden und wie Empfehlungsmechanismen funktionierten. Der Berichterstatter des europäischen Parlaments Ibán Garcia del Blanco erklärte: "Wir fordern Regeln, die für Transparenz in den Algorithmen und Empfehlungstools der Streaming-Dienste sorgen und den Einsatz von KI-Tools berücksichtigen, die die europäischen Urheber in den Mittelpunkt stellen." Die Abgeordneten fordern unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte – und Eingriffsmöglichkeiten für die Künstler, wenn etwa ihre Stimme für künstlich generierte Musik genutzt wird.

Insgesamt sehen Abgeordnete wie Künstler im Zusammenhang mit der Nutzung menschengemachter Musik durch KI-Modelle und die Ausspielung künstlich erzeugter Werke auf den Plattformen noch einigen Gesprächs- und Regelungsbedarf. Allerdings dürfte sowohl dort als auch bei dem jetzt verabschiedeten Initiativbericht in dieser europäischen Legislaturperiode kaum mehr etwas passieren: Das Europaparlament wird im kommenden Juni neu gewählt – anschließend wird im Laufe des Sommers eine neue EU-Kommission ernannt. Frühestens 2025 dürfte daher mit möglichen gesetzgeberischen Aktivitäten zu rechnen sein.

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