zurück zum Artikel

Nach der 5G-Auktion: Jetzt kommt ein vierter Netzbetreiber

Volker Briegleb
5G Symbolbild

(Bild: heise online/vbr)

Die Auktion ist vorbei und die Netzbetreiber planen ihre Zukunft mit 5G. Doch in der ist noch viel unsicher – auch weil die Branche geklagt hat.

Endlich ist es vorbei. Nachdem die Versteigerung der 5G-Frequenzen zu Ende gegangen ist, macht sich in der Branche Erleichterung breit – aber auch Ernüchterung. Die etablierten Netzbetreiber lecken nach der geschlagenen Schlacht ihre Wunden und wollen das viele Geld am liebsten zurückbekommen. Die Politik hingegen hat eigene Vorstellungen, wie es jetzt weitergehen soll. Für viele stehen aber die großen Gewinner schon fest: Neben 1&1 sind das die Verbraucher – auch wenn die auf 5G noch warten müssen.

Bei knapp 6,6 Milliarden Euro war am Mittwochabend der letzte Hammer gefallen [1]. Das ist eine Menge Geld, das den Netzbetreibern jetzt für den Ausbau des Netzes fehlt. Soweit sind sich fast alle einig. Netzwirtschaft und Politik erneuern deshalb ihre Kritik an an der Bundesnetzagentur, das Auktionsdesign und der Zuschnitt der Frequenzen hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass die Lizenzen so teuer geworden sind. "Das Auktionsdesign der Bundesnetzagentur war alles andere als optimal", moniert Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner.

"Die Netzbetreiber wurden in ein Auktionsverfahren gezwungen", meint auch Bitkom-Chef Achim Berg. Die Anbieter müssen nun Milliarden für die Nutzungsrechte hinblättern. "Diese Investitionsmittel fehlen den Netzbetreibern jetzt", ergänzt eco-Vorstand Klaus Landefeld, der sich andere Vergabebedingungen gewünscht hätte. Die Bundesnetzagentur weist die Kritik zurück verweist auf eine erfolgreiche Auktion, die einem vierten Netzbetreiber den Markteintritt ermöglicht habe: "Davon dürften nicht zuletzt die Verbraucher profitieren", sagte eine Sprecherin.

Den Netzbetreibern wäre es lieber gewesen, die Behörde hätte die Frequenzen im Antragsverfahren vergeben und mit klaren Ausbauauflagen versehen. Stattdessen haben die vier Bieter bei der Auktion bis zuletzt erbittert um einen 10-MHz-Block im 3,6-GHz-Band gerungen. Die 300 MHz, die zur Auktion standen, reichen nicht, um alle Wünsche der vier Bieter zu befriedigen. Telekom und Vodafone beanspruchten je 90 MHz, Telefónica 70 MHz und 1&1 Drillisch 60 MHz – zusammen sind das 310 MHz. Schließlich hat sich der Newcomer mit 50 MHz zufrieden gegeben und so den Weg für das Auktionsende geebnet.

Die Netzbetreiber sind sauer, weil eigentlich mehr Spektrum da ist: die Bundesnetzagentur hatte einen dicken Batzen des 3,6-GHz-Bandes reserviert, mit dem die Industrie eigene lokale 5G-Netze aufbauen soll. Diese sogenannten Campusnetze sind nicht öffentlich und sollen nur der internen Versorgung von Industriestandorten dienen. Das Interesse bei deutschen Unternehmen ist groß [2] und erste Projekte laufen schon, doch die Vergabebedingungen stehen noch nicht endgültig [3] fest.

"Die Zuteilung von 100 Megahertz Industriespektrum ohne Bedarfsanfrage ist ohne Zweifel rechtswidrig", sagt Telefónica-Chef Markus Haas. "Da werden wir uns hoffentlich auch gerichtlich durchsetzen können." Telefónica hatte wie andere Unternehmen gegen die Vergabebedingungen geklagt. Auch wenn sie bei Campusnetzen nicht grundsätzlich außen vor sind, wie das gemeinsame 5G-Projekt von Telekom und Osram zeigt, kritisieren die Carrier den großzügigen Schnitt zugunsten der Industrie. "Diese 100 Megahertz werden im bundesweiten 5G-Netz für lange Zeit fehlen", mahnt Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter.

Mobilfunkantennen

Der Bund will mit Standorten für Mobilfunkantennen helfen.

(Bild: dpa, Oliver Berg/Symbolbild)

Nach der Auktion zeigen die drei etablierten Anbieter zuversichtlich und wollen den 5G-Ausbau nun möglichst schnell angehen. Doch strahlende Sieger sehen anders aus – dafür waren die Frequenzen einfach zu teuer. Deshalb bringen sie sich sofort mit neuen Forderungen an die Politik in Stellung. Die soll die sechs Milliarden über ein "Reinvestitionsprogramm" (Ametsreiter) direkt wieder in Mobilfunkinfrastruktur stecken, damit der Netzausbau zügig vonstatten gehen kann.

Bisher macht die Bundesregierung allerdings keine Anstalten, von ihrem bisherigen Plan abzurücken. Die Auktionserlöse sollen in das "Sondervermögen Digitale Infrastruktur" der Bundesregierung einfließen. Dort sollen sie dem Festnetzausbau und der Digitalisierung der Schulen zugute kommen. Die Mobilfunker würden davon nur mittelbar auch profitieren – denn ohne eine gute Glasfaserinfrastruktur ist 5G nicht zu haben: Auch die Mobilfunkmasten wollen angebunden sein.

Und da kündigt sich der nächste Engpass an. Für 5G und den im Zuge der Auktionsauflagen nötigen weiteren Flächenausbau von 4G sind neue Antennenstandorte gefragt. Das ist aber gar nicht so einfach, denn selbst in unterversorgten Regionen treffen die Netzbetreiber auf verschiedene Hindernisse, wenn sie ein Funklock schließen wollen – von zu langwierigen Genehmigungsverfahren bis zu Bürgerinitiativen gegen Sendemasten. "Wir haben erhebliche Probleme, die passenden Standorte für 4G und 5G anzumieten und zu errichten", sagt Telekom-Manager Wössner.

Vor allem beim konkreten Ausbau fehlen einerseits die Kapazitäten bei den Tiefbaufirmen, andererseits gibt es zu viel Bürokratie – dieses Schicksal teilt die Mobilfunkbranche mit den Festnetzbetreibern. Das zieht den Netzausbau unnötig in die Länge, egal wer über welchen Topf wieviel Geld zuschießt. Auch da muss der Bund ran, meint BDI-Präsident Dieter Kempf und gibt zu bedenken, dass milliardenschwere Förderprogramme wenig nützen, "wenn Bau und Planung der Netze durch das Planungs- und Baurecht zu einer immer größeren Herausforderung werden".

In den unterversorgten Gebieten soll nach dem Willen der Koalition nun der Bund Abhilfe schaffen und eine Infrastrukturgesellschaft gründen, die mit Antennenstandorten auf bundeseigenen Grundstücken aushelfen soll. Über die Rahmenbedingungen haben sich Union und SPD gerade verständigt [4]. Die Mobilfunker sind zwar grundsätzlich bereit, mehr zu kooperieren, bleiben dabei aber lieber unter sich.

Der Ausbau sei "nicht durch eine staatliche Infrastrukturgesellschaft, nicht durch neue Roamingpflichten und auch nicht durch neue Strafkataloge erreichbar", sagt Haas und schlägt einen Dreipunkteplan vor: Die aktiven Nutzungsrechte der Flächenfrequenzen zwischen 700 und 900 Megahertz für "bundesweit investierende" Netzbetreiber unbürokratisch verlängern, erweiterte Kooperationen der Netzbetreiber untereinander und staatliche Förderung für weiße Flecken.

Ralph Dommermuth

Alle Augen auf Ralph Dommermuth: Der Mann meint es ernst.

(Bild: dpa, Boris Roessler/Archiv)

Mit "bundesweit investierend" dürfte Haas einen nicht gemeint haben: 1&1 Drillisch. Der Newcomer freut sich zwar über das ersteigerte Spektrum, hält sich ansonsten aber noch bedeckt. Nur so viel ist klar: United Internet meint es ernst. "Natürlich gehen wir nicht mit einem Messer zu einer Schießerei", hatte Vorstandschef Ralph Dommermuth vor der Auktion zu Zweifeln an seinem Durchhaltevermögen gesagt. Jetzt will er ein Netz bauen [5]: "Als vierter Netzbetreiber werden wir einen Beitrag leisten, Deutschland zum Leitmarkt für 5G zu machen."

Als Newcomer hat 1&1 vergleichsweise milde Auflagen bekommen. Bis 2022 muss das Unternehmen ein Viertel der deutschen Haushalte mit eigenem Netz versorgen. Deshalb dürfte United Internet zunächst in Ballungsgebieten ausbauen. Noch kann das Unternehmen 20 MHz im 2-GHz-Band nutzen, die Telefónica im Rahmen der Übernahme von E-Plus abgeben musste. Die Nutzungsrechte laufen bis 2025, danach hat 1&1 nun eigene Lizenzen ersteigert. "Drillisch ist knapp ausgestattet mit Frequenzen – für den Start reicht das, aber man muss schauen, wie sich das weiter entwickelt", sagt Torsten Gerpott von der Universität
Duisburg-Essen.

Für einen bundesweiten Auftritt wäre Dommermuth anfangs auf die Konkurrenz angewiesen. Das wird noch spannend, weil die Bundesnetzagentur eine nationale Roamingpflicht nicht angeordnet hat. Aber sie hat die Netzbetreiber verpflichtet, mit einem Newcomer darüber zumindest zu verhandeln, und behält sich eine Schiedsrichterrolle vor. Doch das hängt alles noch in der Schwebe, weil die Netzbetreiber gegen die Auktionsbedingungen geklagt haben – hier haben erstmal die Gerichte das Wort [6].

In Branchenkreisen wird deshalb auch gemunkelt, dass Dommermuth noch einen Plan B haben könnte, um sein Netz bundesweit auszubauen: United Internet könnte Telefónica Deutschland übernehmen. Wenn die Spanier ein gutes Angebot für ihre Deutschlandtochter bekommen, ist das nicht auszuschließen. Nicht sofort, aber in Zukunft: "Mittelfristig ist das durchaus möglich", meint Branchenkenner Gerpott.

Zunächst sieht es aber so aus, dass Deutschland einen vierten Netzbetreiber bekommen wird. Das sehen die meisten als Vorteil und den Verbraucher deshalb als großen Gewinner. Doch bis 5G flächendeckend beim Handynutzer ankommt, werden noch viele Monde ins Land gehen – zumal der mit den 5G-Lizenzen verknüpfte Flächenausbau mit LTE zu bewerkstelligen ist. Groß ist die Auswahl an 5G-Handys ohnehin noch nicht [7], aber das dürfte sich spätestens 2020 ändern.

Doch ohne Zweifel wird 1&1 den Markt durcheinanderwirbeln und die etablierten Drei aus ihrer Komfortzone holen. "Es ist sehr erfreulich, dass es einen weiteren Mobilfunkanbieter geben wird, denn mehr Wettbewerb führt zu niedrigeren Preisen und einer besseren Infrastruktur für die Verbraucher", hofft der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Sitta. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf Ralph Dommermuth – und der ist ja nicht der Mann, der nur mit einem Messer bewaffnet zur Schießerei kommt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung [8].

(vbr [9])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4447229

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/5G-Frequenzauktion-beendet-4445365.html
[2] https://www.heise.de/news/Deutsche-Industrie-setzt-auf-eigene-5G-Campusnetze-4403687.html
[3] https://www.heise.de/news/5G-Regulierer-skizziert-Rahmenbedingungen-fuer-lokale-Frequenzen-4333302.html
[4] https://www.heise.de/news/Union-und-SPD-einig-bei-Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft-4446543.html
[5] https://www.heise.de/news/United-Internet-will-bundesweites-Mobilfunknetz-aufbauen-4355798.html
[6] https://www.heise.de/news/5G-Mobilfunkauktion-Telekom-stellt-Eilantrag-4315464.html
[7] https://www.heise.de/hintergrund/Generation-Beta-die-5G-Smartphones-des-MWC-4326559.html
[8] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[9] mailto:vbr@heise.de