Netzteilstandard ATX 3.0: 600 Watt für Grafikkarten​ mit neuem Stecker

Um den Leistungshunger kommender Pixelbeschleuniger zu befriedigen, dürfen zukünftige PC-Netzteile kurzzeitig bis zum Doppelten der Nennleistung schlucken.

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12VHPWR-Stecker für Grafikkarten

(Bild: Gigabyte)

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Intel hat die Version 3.0 der ATX-Netzteilspezifikation vorgestellt. Diese bringt hauptsächlich Anpassungen für leistungsstarke Grafikkarten. So kommt der bereits im November 2021 in der PCI Express Card Electromechanical Specification 5.0 vorgestellte 12VHPWR-Anschluss für Grafikkarten hinzu. Der 12+4-polige Stecker soll langfristig die bisherigen sechs- und achtpoligen PEG-Anschlüsse ersetzen und bis zu 600 Watt Leistung übertragen.

Bei der bisherigen Spezifikation waren für Erweiterungssteckkarten abhängig von Anzahl und Art der Stromanschlüsse verschiedene Leistungsklassen definiert: 75 Watt, wenn die allein der PEG-Slot zur Spannungsversorgung dient, 150 Watt mit einem zusätzlichen sechspoligen, 225 Watt mit zwei sechspoligen und 300 Watt für Karten mit einem sechspoligen und einem achtpoligen Anschluss. In der Praxis gab es jedoch schon vor zehn Jahren stärkere Grafikbeschleuniger wie die Powercolor Devil13 HD7990, die bis zu drei achtpolige Zuleitungen benötigen, was streng genommen die Spezifikation verletzt hat.

Um diesen Wildwuchs einzudämmen, gibt es bei 12VHPWR neben den sechs Leitungspaaren mit 12 Volt und Masse vier zusätzliche Steuerleitungen. Darüber kann das Netzteil zum einen feststellen, dass am betreffenden Anschluss eine Karte angeschlossen ist und zum anderen meldet das Netzteil der Karte darüber in vier Stufen von 150 bis 600 Watt, wie viel Leistung es liefern kann.

Erst wenn der Grafiktreiber geladen ist, dürfen Grafikkarten das Power-Budget des 12VHPWR-Steckers voll ausschöpfen.

Direkt nach dem Einschalten des PCs darf die Grafikkarte jedoch zunächst nur einen Teil davon abrufen (siehe Tabelle). Erst wenn das Betriebssystem und der Grafiktreiber geladen sind, steht das komplette Budget bereit. Das Aushandeln der Maximalleistung schützt das Netzteil vor Überlastung, vor allem wenn mehrere GPUs im System eingebaut sind. Intel empfiehlt außerdem, dass die Netzteilhersteller die maximale Leistung auf die Stecker aufdrucken sollen.

Eine weitere Neuerung von ATX 3.0 ist, dass Grafikkarten die ausgehandelte Leistungsaufnahme kurzfristig bis zum Dreifachen überschreiten können. Das gilt aber nur für extrem kurze Zeiträume bis 100 Mikrosekunden. Gemittelt über ein Messintervall von einer Sekunde müssen sie das Power-Limit einhalten. Hier handelt es sich wohl ebenfalls um eine Reaktion auf energiehungrige Grafikkarten wie die Radeon RX 480, die mehr Strom als erlaubt gezogen haben. Statt ungeklärter Grauzone gibt es nun klare Vorgaben für GPU- und Netzteilhersteller.

Anhand einer logarithmischen Formel ist festgelegt, für welchen Zeitraum eine Steckkarte ihr Power-Budget überschreiten darf.

Damit die Kosten für PC-Netzteile wegen der erlaubten Stromspitzen nicht aus dem Ruder laufen, weicht Intel die Spannungstoleranzen auf. Bei hoher Last darf die 12-Volt-Spannung statt um bisher 5 Prozent auf 11,4 Volt nun um bis zu 7 Prozent auf 11,2 Volt sinken. Um mögliche Probleme zu vermeiden, empfiehlt Intel, dass die Netzteilhersteller die Nennspannung geringfügig auf 12,1 oder 12,2 Volt erhöhen, um die größere Toleranz auszugleichen.

Zugleich dürfen aber auch die ATX-3.0-Netzteile selbst ihre Nennleistung kurzzeitig überschreiten. Bei Modellen mit mehr als 450 Watt Leistung kann die Leistungsaufnahme für 100 Mikrosekunden das Doppelte betragen. Bis 100 Millisekunden sind noch 120 Prozent erlaubt, langfristig muss aber der Nennwert eingehalten werden.

Ein ATX-3.0-Netzteil mit 450 Watt darf in der Spitze 900 Watt schlucken.

Intel hat zudem die zweite Version des Netzteilstandards ATX12VO (ATX 12 Volt Only) vorgestellt. Diese Netzteile liefern ausschließlich 12 Volt. Die übrigen Spannungen erzeugen Wandler auf dem Board, was hauptsächlich im Leerlauf Energieeinsparungen bringt. Im damaligen c’t-Test eines ATX12VO-Prototypensystems konnten wir bestätigen, dass sich damit die Leistungsaufnahme typischer Desktop-PCs bei ruhendem Betriebssystemdesktop ungefähr halbieren lässt.

Eine neue Funktion von ATX12VO 2.0 mit der eingängigen Bezeichnung I_PSU% ist vor allem für kompakte Gaming-Rechner mit Netzteilen im kleineren SFX-Format interessant, deren Maximalleistung meist geringer ist als die von ATX-Netzteilen. Dort würde die kombinierte Spitzenlast eines leistungsstarken Prozessors und einer High-End-Grafikkarte das Netzteil überfordern. In der Praxis sind jedoch beide Komponenten selten zugleich voll ausgelastet.

Der bisherige 24-polige Mainboard-Stromstecker (rechts) schrumpft bei ATX12VO auf 10 Kontakte sowie einen 6-poligen PEG-Stecker zusammen.

(Bild: c't)

Über einen bisher reservierten Kontaktpin des ATX12VO-Hauptsteckers meldet das ATX12VO-Netzteil seine momentane Auslastung an das Board. Nähert sie sich der 100-Prozent-Marke, kann das Board vorübergehend das Power Limit der CPU reduzieren und eine Notabschaltung vermeiden. Ein gemeinsames Power-Budget für CPU und GPU(s) ist bei Notebooks und Servern schon länger üblich.

Erste Netzteile, Grafikkarten und PCs mit ATX 3.0 beziehungsweise ATX12VO 2.0 sollen im Laufe dieses Jahr erscheinen. Bereits in Kürze erhältlich sind die ersten Komplettsysteme mit ATX12VO. Im MSI Creator P100 und MPG Trident AS sitzen Intels aktuelle Prozessoren der zwölften Core-i-Generation.

(chh)