Nichtstun bringt nichts: Weltklimarat-Bericht kreist um Kohlendioxidausstoß

Erst Japan, nun Berlin: Das wissenschaftliche Aufarbeiten des Klimawandels geht weiter. Der Knackpunkt für den Weltklimarat bleibt der Umgang mit dem Kohlendioxid-Ausstoß.

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Von
  • Ulrike von Leszczynski
  • dpa
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Wenn ein neuer Bericht des Weltklimarats (IPCC) ansteht, gibt es gewisse Rituale. Wissenschaftler werfen mit ernster Miene Präsentationen an die Wand, deren Grafiken und Tabellen immer auf das gleiche Fazit hinauslaufen: Wenn die Welt jetzt nicht mit strengem Klimaschutz beginnt, wird alles schlimmer und teurer. Aber Welt zögert weiter. An diesem Sonntag will die dritte Arbeitsgruppe des IPCC in Berlin berichten, wie sich der Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht abschwächen lässt. Ob die Politik das beherzigt, ist dann ihre Sache – wie immer.

Ein Schwerpunkt des neuen Berichts, der dicht auf den jüngsten Bericht zu den Auswirkungen des Klimawandels und den Anpassungsmöglichkeiten daran folgt, liegt auf der Verminderung von Treibhausgas-Emissionen. Es geht vor allem um den Ausstoß von CO2, das in erster Linie durch Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Gas entsteht. Es gilt als Haupttreiber der Erderwärmung mit ihren negativen Folgen – von der Eisschmelze über den steigenden Meeresspiegel bis zu Wetterunbilden vor der Haustür.

Anteile von Ländern und Regionen an Emissionen durch fossile Brennstoffe. 36 Prozent für "den Rest der Welt".

(Bild: globalcarbonproject.org )

Wer beim "Carbon Dioxide Information Analysis Center" (CDIAC) die CO2-Mengen verfolgt, die seit 1960 pro Jahr in die Atmosphäre gelangten, sieht eine stetig steigende Fieberkurve. 2013 erreicht sie bei 36 Milliarden Tonnen ihren höchsten Wert – ein Anblick, der manchen Wissenschaftler traurig aufseufzen lässt.

Denn es sieht so aus, als ob internationale Klimakonferenzen seit derjenigen in Kyoto 1997 in eine Sackgasse geführt haben. Die nächste Hoffnung liegt auf "Paris 2015", groß ist sie nicht. Dort soll ein Vertrag entstehen, in dem sich nicht nur Industrieländer, sondern auch ärmere Staaten und Schwellenländer zu Klimazielen verpflichten. Auch die Idee eines freien Marktes mit regionalem Emissionshandel, bei dem CO2-einsparende Produzenten diesen Wert verkaufen können, haben bisher nichts Grundlegendes bewirkt.

Die Interessengegensätze zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern bleiben riesig. Fraglich ist, ob die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad, die als noch halbwegs erträglich für Mensch und Natur gelten, eingehalten werden kann. In jedem Fall müsste die Welt dafür gemeinsam an einem Strang Richtung Klimaschutz ziehen.

Es gehe vor allem um die langen Zeiträume zwischen den Kosten für heutige Klimaschutzmaßnahmen und möglichen positiven Folgen, sagte Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Das ist neu für politisches Handeln." Kohlendioxid in der Atmosphäre sei ein anderes Kaliber als das Ozonloch. Ozonschädliche Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) ließen sich durch andere Stoffe ersetzen, die es bereits gab, und Hersteller profitierten. "Kohlendioxidreduktion greift dagegen in wirtschaftliche Strukturen ein. Da geht's ums Ganze", sagt Geden.

Erzeugt das Zögern der Politik Frust bei der Wissenschaft? "Ich bin Zweckoptimist", sagt Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der am Bericht mitgearbeitet hat. Er sagt aber auch: "Die nächsten 20 Jahre sind entscheidend."

Was die IPCC-Wissenschaftler als Lösungswege für die CO2-Senkung vorschlagen wollen, setzt vor allem beim Energiesektor an. Er muss "decarbonisiert" werden – also deutlich weniger Kohlendioxid als heute freisetzen. Das bedeutet vor allem, den Einsatz fossiler Energieträger zu bremsen.

Es geht aber auch um neue Techniken wie die Kombination einer Energieerzeugung aus Biomasse und der Einlagerung von entstehendem Kohlendioxid in Speichern unter der Erdoberfläche (Carbon Capture and Storage, CCS). Das Problem bei diesem künstlichen CO2-Entzug: Vieles ist erst im Versuchsstadium – und der Widerstand gegen die CO2-Verpressung zumindest in Deutschland hoch.

"Wir werden in Zukunft mehr Abwägungsentscheidungen haben", prognostiziert Geden. "Akzeptieren wir ein schwächeres Temperaturziel als zwei Grad oder Technik, die wir eigentlich nicht wollen?" An der Biomasse-Lösung hingen komplexe Debatten: Dürfen Nahrungsmittel zur sauberen Energiegewinnung verfeuert werden?

Klimawissenschaftler können sich auch vorstellen, den CO2-Emissionshandel zu globalisieren und einen angemessenen Preis für die Tonne CO2 festzulegen. Denn im Moment würden Zertifikate auf regionalen Märkten verschenkt oder zu billig angeboten – auch in Europa.

Nichtstun bringt nichts. Denn das Klimasystem ist träge. Was einmal an Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, baut sich so schnell nicht ab. Wirkliche Einigkeit besteht trotzdem häufig nur in der Frage, dass die Erderwärmung von Menschen gemacht ist. Deshalb sind mit Klimawandel immer auch ethische Fragen verbunden, die Wissenschaftler in Berlin nicht ausklammern wollen: Was für eine Welt hinterlassen wir künftigen Generationen – wie fair sind wir? (anw)