OSZE für Medienfreiheit im Internet

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa will sich stärker in die Diskussion zu Internet-Regulierung und -Verwaltung einbringen und dabei sich insbesondere um die Stärkung der Medien- und Meinungsfreiheit im Internet kümmern.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will sich stärker in die Diskussion zu Internet-Regulierung und -Verwaltung ("Internet Governance") einbringen und sich dabei insbesondere um die Stärkung der Medien- und Meinungsfreiheit im Internet kümmern. Die OSZE hatte beim ersten Internet Governance Forum (IGF) im November 2006 in Athen die Bildung einer "Dynamic Coalition on Freedom of the Media on the Internet" initiiert, der rund 15 Mitglieder beitraten. Dazu gehören die UNESCO, Article 19, IP Justice, Reporter ohne Grenzen, das World Press Freedom Committee und das dänische Menschenrechtsinstitut in Kopenhagen. Auf dem IGF hatten sich sechs solche "dynamischen Koalitionen" gebildet, darunter Stop Spam, Open Standards, Privacy, Internet Bill of Rights und Zugang zu Wissen (A2K@IGF). In den "Dynamic Coalitions" sind jeweils, auf freiwillger Basis, alle drei Gruppen von Betroffenen (neudeutsch Stakeholdergruppen genannt) vertreten – Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Im weiteren Verlauf des Internet Governance Forum der UN sollen die dynamischen Koalitionen ein Thema betreuen beziehungsweise Lösungen voranbringen. Der Zusammenschluss von Organisationen und Akteuren, die zu einem Thema im Bereich der Koordination und Regulierung des Netzes arbeiten, gehört zu einem der zentralen Ziele, die beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) formuliert wurden.

Am Rande eines von der Universität Graz veranstalteten internationalen wissenschaftlichen Symposiums zum Thema "The Global Dimension of Internet Governance: The Role of Multistakehoderism" informierte Christian Möller, der Internet-Beauftragte der OSZE, über die Vorhaben. Die OSZE arbeite gegenwärtig gemeinsam mit ihren Partnern an einem Mission Statement und einem Aktionsplan, dessen Entwurf auf der nächsten Sitzung der IGF Advisory Group im Februar in Genf vorgelegt werden soll. Im April wird die OSZE überdies eine Publikation zum Thema "Internet Governance in the OSCE Region" veröffentlichen. Laut Möller will sich die OSZE vor allem in ihren asiatischen Mitgliedsländern, die aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion hervorgegangen sind, für die Gewährleistung der Internetfreiheit einsetzen. Gerade dort sei das beim WSIS vereinbarte Prinzip der Beteiligung möglichst aller betroffenen Gruppen bei der Internet Governance (Multi-Stakeholder-Prinzip) von besonderer Bedeutung. Zwar seien Internet-Wirtschaft und Online-Communities in diesen Ländern noch sehr schwach, die Gefahr sei aber groß, dass es am Ende mehr Einschränkungen als Freiheit gibt, wenn Regierungen ohne Einbeziehung des privaten Sektors und der Zivilgesellschaft über nationale Internet-Politik entscheiden.

Richard Wein, Manager von nic.at, der Länderdomain-Registry für Österreich, warnte davor, die Frage der Aufsicht über die DNS-Rootzone im Internet erneut zu politisieren. Die besondere Rolle der USA, die sich weiterhin die Oberaufsicht über die Internet-Verwaltung vorbehalten, hätte sich historisch ergeben und sei bislang weder von der Clinton- noch von der Bush-Regierung missbraucht worden. Die Schaffung eines zwischenstaatlichen Aufsichtsgremiums, in dem mehrere Regierungen sich Entscheidungsbefugnisse teilen, träge das Risiko sachfremder politischer Konflikte und eine Verzögerung der technischen Abläufe in sich und könnte auch die Kosten erhöhen. Laut Wein könnte der größte Teil der Eintragungen in der DNS-Rootzone heute ohnehin schon automatisch erfolgen, ohne dass es dafür einer formellen Autorisierung durch das US Handelministeriums bedarf.

Elisabeth Markot von der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der Europäischen Kommission in Brüssel verwies darauf, dass EU-Kommissarin Vivien Reding im September 2006 den Abschluss des "Joint Project Agreements" (JPA) zwischen ICANN und der US-Regierung begrüßt und als einen ersten Schritt bezeichnet hat, Regierungsaufsicht über das Management der Internet-Ressourcen zu reduzieren. Die Europäische Union sieht dabei im IGF und im Prozess der "Enhanced Cooperation" zwei parallele Prozesse, die sie aufmerksam und konstruktiv begleiten will. Im Moment sei sich die EU jedoch noch nicht einig, wie die beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft gefundenen Formulierungen zu "Enhanced Cooperation" im Detail zu interpretieren seien und wie das von der EU vorgeschlagene "neue Kooperationsmodell" konkret weiterentwickelt werden könne.

Das Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen an der Karl Franzens Universität Graz hat erst kürzlich den Zuschlag für ein neues Forschungsprojekt zum Thema Internet Governance bekommen. Das von Prof. Wolfgang Benedek geleitete Projekt will sich dabei insbesondere der menschenrechtliche Dimension des Themas widmen. Das Institut in Graz ist eng verbunden mit dem Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie. Im März wird eine erste Publikation "Menschenrechte in der Informationsgesellschaft" erscheinen. Im Mai 2007 wird ein zweites Symposium zum Thema "The European Dimension of Internet Governance: Perspectives of Multi-Stakeholder Participation and Human Rights in the Information Society" in Graz stattfinden. Geplant ist auch eine Vernetzung mit dem beim IGF in Athen gegründeten "Global Internet Governance Academic Network" (GIGANET). (Wolfgang Kleinwächter) / (jk)