Oliver Kahn gegen Electronic Arts -- 1:0

Die Darstellung Oliver Kahns in dem Computerspiel FIFA Fußballweltmeisterschaft 2002 war rechtswidrig, der Nationaltorhüter will Schadensersatz -- doch FIFA 2003 bleibt erst einmal im Handel.

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Von
  • Dr. Andreas Lober

Die Darstellung Oliver Kahns in dem Computerspiel FIFA Fußballweltmeisterschaft 2002 war rechtswidrig, der Nationaltorhüter will Schadensersatz -- doch FIFA 2003 bleibt erst einmal im Handel, und weitere Fußballspiele wie International Superstar Soccer wohl auch.

Kahns Prozessvertreter, der bekannte Prominentenanwalt Dr. Matthias Prinz, spricht anlässlich des Sieges vor Gericht von "konkreten Aufträgen" weiterer bekannter Personen und sieht auf Electronic Arts Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe zukommen. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Olli K. gegen den Computerspielehersteller geklagt, weil er nicht damit einverstanden war, ungefragt in einem Computerspiel aufzutauchen. Das Landgericht gab der Klage insoweit statt, als es den -- ohnhin seit Oktober eingestellten -- Vertrieb von FIFA Weltmeisterschaft 2002 untersagte; der gegen die damalige TV-Werbung gerichtete Teil der Klage blieb dagegen erfolglos, weil man den Nationaltorhüter hier nicht identifizieren könne -- "nicht jeder blonde Torwart ist Oliver Kahn". Das liegt übrigens daran, dass für den Fernsehspot Bilder aus dem Vorgängerprodukt FIFA 2002 verwendet wurden. Und das kann grafisch nicht ganz mit der WM-Edition mithalten.

Dass Computerspieler künftig ohne Namen und Konterfeis realer Stars auskommen müssen, ist trotz der markigen Worte von Kahns Anwalt vorerst nicht zu befürchten. Dr. Jens Uwe Intat, Geschäftsführer von Electronic Arts Deutschland, erklärte gegenüber heise online, dass FIFA 2003 auf dem Markt bleibe -- die Verträge zur Verwendung der Spieler seien "noch wasserdichter" als in der Vergangenheit, daher bestehe für den Publisher kein akuter Handlungsbedarf. Auch finanziell drohe kein Totalschaden: da die Spielervereinigung FIFpro -- mit der ein Lizenzvertrag bestehe -- zugesichert habe, über die für FIFA WM 2002 notwendigen Vermarktungsrechte zu verfügen, werde man notfalls bei dieser Regress nehmen.

Auch Mitbewerber Konami, der mit ESPN International Superstar Soccer den wohl härtesten Konkurrenten zur FIFA-Reihe auf dem Markt hat, bleibt erst einmal gelassen. Zwar stellt die Website des Unternehmens deutlich als Verkaufsargument von ISS auf der Playstation2 heraus: "Original FIFpro Lizenz: Endlich verfügt ISS über echte Spielernamen", heißt es dort. Man habe den Streit zwischen Kahn und EA verfolgt, aber "noch keine Entscheidung getroffen", meint der europäische PR-Manager Wolfgang Ebert -- schließlich liege das schriftliche Urteil auch noch nicht vor. Generell sei man jedoch bei Konami sehr auf die Wahrung eigener und fremder Rechte bedacht und gehe daher zunächst einmal davon aus, auf der sicheren Seite zu sein.

Wie groß die Gefahr für andere Computerspielehersteller nun wirklich ist, lässt sich nicht einfach beurteilen. Jedenfalls muss das Hamburger Urteil nicht das Ende für Spiele mit "echten" Sportlern sein. Dass dann, wenn diese in Computerspielen auftauchen, eine Lizenz benötigt und eingeholt wird, ist seit langem gängige Praxis. So hat auch Electronic Arts mit der FIFpro -- der Spielervereinigung des Weltfußballverbandes FIFA -- ein Lizenzabkommen geschlossen. Dieses hat sich als wertlos erwiesen, weil der Spielehersteller nicht nachweisen konnte, dass die FIFpro tatsächlich die Vermarktungsrechte an Oliver Kahn hatte -- irgendwo zwischen Kahn, der VDV, FIFpro und EA war die Lizenzkette also möglicherweise unterbrochen. Rechtsanwalt Jan Pohle, Prozessvertreter von Electronic Arts, sagte gegenüber heise online, dass der FIFpro jedes neue Produkt vorgelegt werde und diese den Softwarehersteller benachrichtigen müsse, wenn das Produkt nicht durch die Lizenz gedeckt sei. Ein derartiger Hinweis sei nicht erfolgt, und die Lizenzvereinbarung sei "von seltener Klarheit". Ob die FIFpro aber tatsächlich Rechteinhaberin sei, das könne EA eben nicht nachprüfen, sondern sich nur garantieren lassen.

Nun hatte man bei Electronic Arts -- vermutlich wegen des auffälligen Schweigens der FIFpro, die an dem Verfahren als Streitverkündete beteiligt war -- wohl schon ein schlechtes Gefühl: Man baute also vorsichtshalber eine zweite Argumentationslinie auf. dass man nämlich in diesem speziellen Fall gar keine Lizenz benötigt hätte. Der Nationaltorhüter sei eine absolute Person der Zeitgeschichte und tauche in einem Spiel, das sich gerade um die Weltmeisterschaft dreht, auch in einem solchen zeitgeschichtlichen Zusammenhang auf. Das sah das Landgericht genauso. Nur die nach dem Kunsturhebergesetz dann normalerweise eintretende Folge -- freie Verwendung der Darstellung in diesem Zusammenhang -- wollte es dann doch nicht zugestehen. Ausnahmsweise überwiege nämlich dennoch das Interesse des Promintenten: Besonders schockierend empfand der Vorsitzende Richter-- der nach eigenen Angaben das Spiel eigens mit seinem Sohn angeschaut hatte --, dass man Kahn auf Knopfdruck nicht nur einfach so kommandieren kann, sondern sogar Eigentore schießen darf. Das allerdings hätten computerspieleerfahrenere Juristen wahrscheinlich weniger aufgeregt, weil dies zu den normalen Handlungsmöglichkeiten eines Torwarts in Computerspielen gehört. Extra bei Kahn eine Würgefunktion einzubauen, wäre vielleicht tatsächlich problematisch gewesen -- das hat Electronic Arts aber gar nicht getan. (Dr. Andreas Lober) / (jk)