Open-Source-Entwickler erhalten Zugang zu Microsofts Server-Protokollen

Eine Menge zu lesen bekommen die Programmierer des freien Datei- und Druckservers Samba: Der im EU-Kartellverfahren geforderte Zugang zu den "Geheimnissen" der Server-Kommunikation von Windows wurde nun vertraglich vereinbart.

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Von
  • Jürgen Kuri

Jetzt gibt es für die Entwickler des freien Datei- und Druckservers Samba erst einmal eine Menge zu lesen und zu studieren: Sie (und andere Open-Source-Entwickler) bekommen Zugang zu Microsofts Dokumentationen der Protokolle und Schnittstellen für die Kommunikation mit Windows-Servern. Der im EU-Kartellverfahren festgelegte Zugang zu den "Geheimnissen" der Server-Kommunikation von Windows wurde nun vertraglich vereinbart – betroffen von der Vereinbarung sind nicht nur die Workgroup-Protokolle, sondern alle Schnittstellen und Protokolle, die heute einen Windows-Server auszeichnen, etwa Active Directory und Policy.

Die EU-Kommission hatte im März 2004 ein Rekordbußgeld von 497 Millionen Euro gegen Microsoft verhängt und das Unternehmen zur Öffnung von Windows für mehr Wettbewerb bei Medien-Playern und Servern verurteilt – dazu gehörte auch, dass Microsoft die Protokoll- und Schnittstellendokumentation offenlegen sollte. Der Konzern klagte beim EU-Gerichtshof erster Instanz in Luxemburg gegen die Sanktionen. Im Juli 2006 verhängte die Kommission ein weiteres Bußgeld in Höhe von 280,5 Millionen Euro. Damit sollte Microsoft gezwungen werden, Informationen über Kommunikationsprotokolle von Windows und die Protokollschnittstellen für die Kommunikation zwischen Arbeitsplatzrechnern und Windows-Servern bereitzustellen.

Mitte September dieses Jahres entschied das Gericht, dass die Wettbewerbsauflagen und die Geldbuße vom März 2004 zu Recht verhängt wurden. Kurz darauf wurde bekannt, dass Microsoft die Wettbewerbsforderungen der Kommission erfüllen und keine Berufung beim Europäischen Gerichtshof gegen das Urteil einlegen werde.

Die Vereinbarung (verfügbar als PDF-Dokument), mit der die Samba-Entwickler Zugang zu den Dokumentationen erhalten, ist nun die erste ihrer Art in Reaktion auf den Ausgang des EU-Kartellverfahrens. Eine nicht-kommerzielle Organisation namens Protocol Freedom Information Foundation (PFIF) verhandelte den Vertrag für das Samba-Projekt mit Microsoft. Die PFIF, gegründet vom Software Freedom Law Center (SFLC), zahlt eine einmalige Gebühr von 10.000 Euro an Microsoft. Im Gegenzug kann die PFIF Open-Source-Entwicklern, darunter eben dem Samba-Projekt, den Zugang zu der Dokumentation ermöglichen. Diese Lizenzvereinbarung entspricht dem, was Microsoft in Reaktion auf das Urteil des EU-Gerichts als eine der beiden möglichen Lizenzen unter dem Namen "No Patent Agreement" vorgestellt hat.

Allerdings ist mit dieser Lizenzform kein vollständig freier Umgang mit der Dokumentation verbunden: Die Entwickler müssen ein Non-disclosure Agreement (NDA) unterzeichnen, das ihnen verbietet, die Dokumentation selbst weiterzugeben. Auch ist die Nutzung von eventuell durch die Umsetzung der Protokolle und Schnittstellen betroffener Patente nicht durch die Lizenz abgedeckt; Microsoft ist aber verpflichtet, eine Liste der Patente bereitzustellen, von denen der Konzern glaubt, sie seien durch die Protokoll- und Schnittstellen-Implementierung betroffen. Entwickler erhalten somit immerhin die Information, wo sie aufpassen müssen, da möglicherweise Patentrechte berührt sind. Die Open-Source-Entwickler, die Zugang zur Dokumentation haben, sind ansonsten aber frei, die dokumentierten Protokolle und Schnittstellen in eigener Software umzusetzen. Auch die Veröffentlichung des so entstandenen Source-Codes unterliegt keinen Restriktionen.

Die Patentproblematik kritisiert auch Andrew Tridgell, "Erfinder" von Samba, in einer Stellungnahme zu der Vereinbarung mit Microsoft: Man sei enttäuscht, dass die EU-Entscheidung die Frage der Patente nicht gelöst habe. Trotzdem aber ist Tridgell "hoch erfreut", Zugang zu der technischen Protokoll-Dokumentation zu bekommen, die notwendig sei, um Samba als freies Software-Projekt weiterzuentwickeln. "Die Vereinbarung ermöglicht es uns, Samba auf dem neuesten Stand zu halten, was jüngste Änderungen in Windows angeht, und hilft auch anderen freien Software-Projekten, die mit Windows zusammenarbeiten müssen." Jeremy Allison, einer der Mitbegründer von Samba, meinte, man hoffe, nun zu der produktiven Zusammenarbeit mit Microsoft zurückkehren zu können, die man in den frühen 1990er-Jahren gehabt habe. Damals habe man gegenseitig Informationen über die Protokolle ausgetauscht. (jk)