OpenInfra Summit: Gemeinsam die Cloud weiter öffnen – ein Bericht aus Berlin

Vom 7. bis 9. Juni 2022 findet die Zusammenkunft der Open Infrastructure Community in Berlin statt, erstmals seit 2019 wieder in Präsenz. Heise ist mit vor Ort.

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OpenInfra Summit Berlin, 7. - 9. Juni 2022

(Bild: Silke Hahn)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Dr. Udo Seidel
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Vom 7. bis zum 9. Juni 2022 lädt die OpenInfra Foundation zu ihrer Hauskonferenz nach Berlin ein – zum ersten Mal seit über zwei Jahren als Präsenzveranstaltung. Zuletzt hatte die Community sich 2019 in Shanghai getroffen. Rund 1.000 Teilnehmer sind der Einladung gefolgt und können sich in 100 Vorträgen zu elf verschiedenen Themen neue interessante Informationen und Ideen abholen.

Zudem feiert die Foundation ihr zehnjähriges Bestehen. Zur Erinnerung: Die heutige OpenInfra Foundation firmierte zuvor unter dem Namen OpenStack Foundation. Der Launch der neuen Organisation mitsamt der Namensänderung und die Erweiterung des thematischen Zuschnitts erfolgten 2020.

Eröffnung des OpenInfra Summit Berlin 2022

Die Eröffnungsrede (Opening Keynote) war weniger technisch als sonst und stand unter dem Motto "We are getting the job done" (grob übersetzt: Wir setzen das um). Jonathan Bryce und Mark Collier – CEO beziehungsweise COO der Foundation – boten eine Rückschau und blickten zugleich nach vorne: So erfuhr das Publikum aus den mitgebrachten Zahlen und Daten, dass über 8.000 Entwicklerinnen und Entwickler einen Beitrag zur quelloffenen Infrastruktur-Software leisten. Das Ergebnis (Stand Juni 2022) sind rund 25 Millionen CPU-Kerne weltweit, auf denen mittlerweile OpenStack-Software läuft. Das aktuelle wirtschaftliche Potenzial des Cloud-Marktes bezifferte Collier mit fast 8 Milliarden US-Dollar.

Kurzfassung der Keynote von Mark Collier, COO der OpenInfra Foundation am 7. Juni 2022 in Berlin beim OpenInfra Summit

(Bild: OpenInfra Foundation)

Im April 2022 hatte ihm zufolge der CEO von Amazon Andy Jassy geäußert, dass 95 Prozent der weltweiten IT-Ausgaben nicht in der Public Cloud stattfänden, sondern für On-Premises-Installationen ("95 % of the world's IT spend is on premises and not in the cloud"). Das OpenInfra-Team meint daher, dass es hier noch Wachstumspotenzial gebe. Anders gesagt: Nach über zehn Jahren ist die Mission der Foundation ihnen zufolge noch lange nicht zu Ende. Dazu zeigte Mark Collier ein Balkendiagramm, das AWS mit einem Marktanteil von 33 Prozent als die Nummer Eins im Cloud-Umfeld darstellt. Auf Platz zwei folgte mit 27 Prozent bereits ein Sammeleintrag "Others". Dieser setzt sich aus über 180 OpenStack-Installationen verschiedener Firmen zusammen, unter anderem Vexxhost, Deutsche Telekom Open Cloud, Cleura, OVH, Nipa Cloud, China Unicom, China Telecom, Rackspace, Binero, Infomaniak und ORock.

Mark Collier während der Eröffnungsrede beim OpenInfra Summit Berlin, 7. Juni 2022

Collier und Bryce betonten, dass Open Source durch die Zusammenarbeit möglichst vieler Firmen und Entwicklerteams, die gemeinsam an Code arbeiten, ein Erfolgsmodell sei. Damit lassen sich auch weitere Herausforderungen bewältigen, die die Foundation sieht: Dazu gehören die geschätzt 180 ZetaByte an Daten in den nächsten 36 Monaten oder über 50 Milliarden durch das Internet der Dinge (IoT) verbundene Geräte bis zum Jahr 2030. Neue Mitglieder wie Vexxhost und Bloomberg konnte die OpenInfra Foundation ebenfalls begrüßen. Mit ihnen beträgt das Wachstum seit der Namensänderung laut dem COO 33 Prozent.

Das übliche Feuerwerk von Ankündigungen neuer Funktionen oder Versionen im OpenInfra-Ökosystem blieb bei der Eröffnung vorerst aus. Möglicherweise zeigt sich hier auch die Reife des Gesamtprojektes. Teilnehmer aus China hatten diesmal wegen geltender Reisebeschränkungen nicht anreisen können, weshalb der China Community Manager Horace Li von der OpenInfra Foundation und Xu Wang von der Ant Group sich stattdessen mit einer Videobotschaft ans Publikum wandten.

Vortrag zum Threat Modeling mit Kata-Containern von Cysec beim OpenInfra Summit in Berlin, gefolgt von einer Live-Demo.

Etwas technischer ging es zu im Talk von Cysec, in dem drei Entwickler die Prinzipien des Confidential Computing erläuterten und anhand eines Anwendungsfalls zum Threat Modeling mit Kata-Containern in einer Live-Demo veranschaulichten. Eric Ernst, Samuel Ortiz, Fabiano Fidêncio plädierten dafür, statt der bisherigen Cloud-Provider-Perspektive das Threat Modeling aus Anwendersicht zu betreiben, und zeigten, dass sich mit Kata-Containern die Host- und Guest-Interaktion unter anderem bezüglich des API-Zugriffs so einschränken lässt, dass das Verwenden von Cloud-Infrastruktur für Nutzergruppen sicherer werde.

Weitere Kurzvorträge teaserten die Schwerpunkte des Konferenzprogramms an: So stehen mehrere Fachvorträge zu LOKI (Linux, OpenStack und Kubernetes-Infrastruktur), zu offenen Clouds sowie zu digitaler Souveränität bevor. Frederic Lardinois von TechCrunch moderierte den politischen Teil der Eröffnung: Dr. Franziska Brantner vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stellte die laufenden Initiativen auf Bundesebene wie eine 2-Millionen-Euro-Finanzierung für die Software Supply Chain vor und betonte die Bereitschaft des Ministeriums, den Bereich darüber hinaus auch weiter zu fördern. Aus Schweden war Daniel Melin vom Skatteverket angereist, der schwedischen Kombination aus Finanzamt und Steuerbehörde, die über Red Hat OpenStack nutzen.

Die Ant Group wurde beim OpenInfra Summit als Super User ausgezeichnet.

Abschließend fand die Bekanntgabe der Gewinner des Superuser-Preises statt. Hier teilen sich erstmals zwei Firmen den ersten Platz: OVHcloud und die Ant Group.

Mark Collier, Jonathan Bryce und Thierry Carrez von der OpenInfra Foundation standen Heise und weiteren Medienvertretern bei einem anschließenden Pressetermin noch für Fragen zur Verfügung. Den Journalisten gegenüber betonten die Verantwortlichen unter anderem den sozialen Anspruch der Stiftung, die in 182 Ländern weltweit Mitglieder hat, einen herstellerunabhängigen Zugang zu Technik zu ermöglichen und Graswurzelbewegungen zu unterstützen. So gebe es in vielen Regionen der Welt lokale Meet-ups, und in der Zeit der Pandemie hätten auch Mitglieder aus sonst unterrepräsentierten Ländern einfacher an den regelmäßigen Treffen teilnehmen können. Die Community sei in dieser Zeit diverser geworden.

Europa sei mit Blick auf Themen wie Gaia-X, Catena-X und Fragen der Privatsphäre sowie der digitalen Souveränität für die OpenInfra Foundation von besonderem Interesse, wobei die Zusammenarbeit überwiegend über die Partner und Mitglieder laufe, die lokal und in ihren jeweiligen Ländern die dafür notwendigen Kontakte zu Regierung und Verwaltung pflegten. Die gesetzgeberischen Anliegen wie den Cloud Act beobachte man in der OpenInfra Foundation mit Interesse. Europäische Forschungsinitiativen und -organisationen sind (mit Ausnahme einiger französischer Institute) zurzeit noch nicht in der OpenInfra Foundation vertreten. COO Mark Collier hält es allerdings lediglich für eine Frage der Zeit, bis sich das ändert.

Pressetermin mit der OpenInfra Foundation: CEO Jonathan Bryce, COO Mark Collier und General Manager Thierry Carrez

Die OpenInfra Foundation hat ihre Wurzeln im Gründungsjahr Jahr 2012 – damals legte sie los als Verwaltungsorgan für OpenStack, eine Open-Source-Infrastruktur für das Cloud-Computing. Inzwischen beschäftigt sich die Foundation auch mit weiteren Technologien wie Machine Learning, Edge Computing und hybriden Clouds. Dabei greift sie auf die Unterstützung von über 60 Platin-, aber auch Gold- und Silber-Mitgliedern sowie Partnerunternehmen und die OpenStack-/OpenInfra-Community zurück.

Zu den Projekten der OpenInfra Foundation zählt neben OpenStack, der Edge-Computing-Infrastruktur Starlingx und dem Tool zum Lifecycle-Management Airship insbesondere die CI/CD-Plattform Zuul, die 2022 bereits ihren zehnten Geburtstag feiert und in Version 6.0 vorliegt. Laut OpenInfra-Verantwortlichen plant offenbar Tesla die Nutzung von Zuul für das autonome Fahren, und auch BMW und Volvo haben die Technologie im Einsatz. Verbreitet sind ebenfalls die vor rund fünf Jahren eingeführten virtualisierten Kata Containers.

Der von der OpenInfra ausgerichtete Summit findet vom 7. bis 9. Juni 2022 im Berlin Congress Center nähe Alexanderplatz statt, das Programm lässt sich auf der Veranstaltungswebsite durchstöbern. Kurzentschlossene haben noch die Möglichkeit, dazuzustoßen. Wer für sich oder die eigene Organisation an Zusammenarbeit mit der Open Infrastructure Foundation interessiert ist, findet weiterführende Hinweise zur Mitgliedschaft auf deren Website.

(sih)