PC-Hersteller: Neue Konzepte sind gefragt

Hintergrundbericht: Die Ära des klassischen PCs könnte bald zu Ende sein.

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Von
  • Christian Rabanus

Es gibt keine Horrormeldungen, aber die Geschäftsberichte der Großen der Computer-Branche glänzen lange nicht mehr so wie noch vor kurzer Zeit: Gerade gestern hat Dell, Marktführer in den USA und weltweit die Nummer zwei bei den Computerbauern, die Gewinnerwartungen für das Quartal, das am 28.1. 2000 endet, nach unten korrigiert. Für das vierte Quartal 1999 mussten auch Compaq, IBM und Gateway zurückgegangene Umsatzzahlen bekannt geben. Dagegen konnten Sun, HP und Apple zulegen.

Bei den Verlierern gibt man die Schuld am Knick in der Bilanzkurve vor allem zwei Ereignissen: dem Datumswechsel und Intels Lieferschwierigkeiten. Schon zu Beginn des vierten Quartals des letzten Jahres wurden die Gewinnerwartungen von Börsenanalysten gedämpft: Viele Kunden würden aus Angst vor Y2K-Bugs die Anschaffung neuer Systeme auf das Jahr 2000 verschieben. Und dass Intel auch noch seine angekündigten neuen Prozessoren und schnellen Chipsätze nicht liefern konnte, die Hersteller ihre PCs der jüngsten Generation also nicht ausliefern konnten, gab den Managern eine weitere Begründung für schwache Verkaufszahlen.

Die Argumentation mit Lieferschwierigkeiten bei Intel scheint auch politischer Natur zu sein: Begründet sie doch für manche PC-Bauer, die bislang allein von Intel Prozessoren bezogen, die Lockerung dieser Geschäftsbeziehung: Ein Angebot von Systemen, in denen ein AMD-Herz schlägt, hätte Intel bei Herstellern wie Gateway vor ein oder zwei Jahren als Affront aufgefasst. Jetzt hält nur noch Dell am Pentium-Hersteller als alleinigem CPU-Lieferanten fest.

Sicherlich haben auch manche potenzielle Kunden bis nach dem Datumswechsel gewartet, um neue Rechnersysteme zu ordern - aber warum sollte die Angst vor Y2K-Bugs bei Sun-, HP- und Apple-Kunden signifikant kleiner sein als beispielsweise bei IBM-Kunden?

Auffallend ist auch, dass die Flaute auf dem Computermarkt mit Sun und HP gerade zwei auf Server spezialisierte Hersteller verschont hat. Sogar IBM konnte einen "signifikanten Umsatzanstieg" beim Absatz kleinerer und mittlerer Serversysteme verzeichnen; dieser reichte freilich nicht aus, um die Verluste in anderen Bereichen zu kompensieren. Der ungebrochene Boom des Internet und die zunehmende Ausstattung auch mittlerer und kleinerer Betriebe mit elektronischen Datenverarbeitungssystemen hält den Markt für leistungsfähige Server offen. Das scheinen auch die Hersteller so zu sehen: Compaq etwa hat vorgestern angekündigt, seine populäre ProLiant-Server-Linie besser zu platzieren, um an HP verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Ist ein Ende der Ära des "normalen" PC, der seit dem legendären Erfolg des C64 das Zugpferd der gesamten IT-Branche war, in Sicht?

Bereits Ende März 1999 hatte das schwedische Marktforschungsinstitut Stelacon eine Sättigung des PC-Markts für Privatanwender im seinen Land festgestellt. 70 Prozent der schwedischen Haushalte seien mit einem PC ausgestattet. Allerdings sei dieser Ausstattungsgrad im europäischen Vergleich ungewöhnlich hoch, sagte Anders Wedar, Geschäftsführer von Stelacon. Klaus Schrape und Josef Trappel vom Basler Meinungsforschungsinstitut Prognos erwarten eine 60prozentige Versorgung deutscher Haushalte mit multimediafähigen Computern erst für das Jahr 2005.

So möchte auch Hans Georg Sutter, ebenfalls von Prognos, nach den schlechten Quartalsabschlüssen noch nicht von einem Trend sprechen: "Die Branche ist zwar sehr nervös, aber wenn die Abschlüsse einmal nicht so gut sind, bedeutet dies noch kein Ende der PC-Ära." Sutter sieht das Problem der PC-Hersteller weniger in einem hohen Sättigungsgrad des Marktes. Vielmehr liefen die Hersteller Gefahr , am Markt vorbei zu produzieren. Viele Benutzer erwarteten vom PC vor allem Fähigkeiten eines Geräts der Unterhaltungselektronik. Für spezielle Anwendungen wie das Abspielen von MP3s und DVDs oder den Zugang zum Internet seien die gegenwärtigen PCs aber nicht ideal, da sie auf solche Anwendungen nicht spezialisiert seien und zum Teil durch teure Zusatzkomponenten aufgerüstet werden müssten. Der Marktforscher sieht der Entwicklung spezieller Geräte wie MP3- und DVD-Playern, Internet-Computern oder auch Palmtops und WAP-Handys gespannt entgegen. "Nachdem in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrtausends der PC als Alleskönner angepriesen wurde, ist derzeit wieder eine Diversifizierung auf dem High-Tech-Markt zu beobachten", sagte Sutter.

Es scheint sich abzuzeichnen, dass die Anbieter neue Kunden nicht mehr nach altbewährter Methode gewinnen können. Bestes Beispiel dafür ist Apple: Nachdem man die Firma Mitte der 90er Jahre schon fast abgeschrieben hatte, konnte sie sich durch moderne Technik, gute Ideen und zeitgemäßes Design eine bedeutende Stellung auf dem Markt zurückerobern. Ein neues Konzept hat auch den Palmtop zum Erfolg geführt. Von technischen Neuerungen können aber nicht nur die Hersteller von Endprodukten profitieren: Firmen wie Texas Instruments, die die für Handys und MP3-Player wichtigen digitalen Signalprozessoren herstellt, und Nortel, die im Bereich optischer Netze brilliert, beweisen, dass man auch hinter den Kulissen ein beachtliches Ergebnis erzielen kann. Schließlich sind auch AMD und Intel zu nennen: Beide Konzerne verlassen sich schon seit einiger Zeit nicht mehr allein auf ihren Erfolg bei der Herstellung von Prozessoren, sondern investieren kräftig in Internet- und Netzwerkprojekte. Und genauso wie sich Gateway von Intel abwendet und zur Konkurrenz geht, setzt Intel bei seinen neuen Web-Appliances nicht mehr auf ein Microsoft-Betriebssystem, sondern auf Linux.

Eine Grundregel der technisierten Gesellschaft scheint sich wieder durchzusetzen: Innovative Ideen und Produkte stoßen auf hohe Akzeptanz und bringen große Gewinne. Das Festhalten an althergebrachten Konzepten dagegen führt geradewegs ins wirtschaftliche Desaster. Nicht zuletzt die Macher des für seine Zeit bahnbrechenden C64 mussten dies erfahren, als Commodore 1994 endgültig alle Hoffnungen auf Sanierung aufgeben musste. In den 90er Jahren des letzten Jahrtausends, als sich die auf Intels x86er-Prozessoren aufbauende PC-Architektur längst durchgesetzt hatte, wollten die Anwender nichts mehr von Commodore-Produkten ohne Festplatte wissen -- die Versuche, mit dem Amiga wieder Boden zu gewinnen, kamen zu spät.

Ein Prozessor mit einer Taktrate, die wieder einmal 100 MHz höher ist als beim Vorgänger? Das Gros potenzieller Kunden kann das nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken, wenn der Chip immer noch in PCs mit einem Betriebssystem eingebaut wird, das zweimal täglich abstürzt und jedes halbe Jahr neu installiert werden muss. Wer dagegen mit einem einfach zu bedienenden und wartungsarmen Internet-Computer aufwartet, kann sich der Sympathie von Kritikern und Käufern gewiss sein. (chr)