Plagiats-Expertin: "Es sind nicht nur Einzelfälle"

Bundestagspräsident Lammert soll in seiner Dissertation vor 40 Jahren unsauber gearbeitet haben. Die Uni Bochum prüft. Die Berliner Plagiats-Expertin Weber-Wulff meint: Viele Unis schauen bei Vorwürfen weg.

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Von
  • Maren Hennemuth
  • dpa

Nach Plagiatsvorwürfen nimmt die Ruhr-Universität Bochum die Doktorarbeit von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) unter die Lupe. Eine der bekanntesten Plagiats-Expertinnen in Deutschland ist Debora Weber-Wulff. Die Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin beteiligt sich am Prüf-Portal Vroniplag. Die dpa befragte sie zum Abschreiben bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Wie schwerwiegend sind die Vorwürfe gegen Norbert Lammert?

Debora Weber-Wulff: "Das wird die Universität Bochum entscheiden müssen. Die Punkte sind dokumentiert – ob man das noch Plagiat nennen kann oder eher einfach wissenschaftliches Fehlverhalten nennen sollte, das ist eine interessante, wissenschaftliche Frage. Viel schwerwiegender sind die 48 Fälle, die auf Vroniplag Wiki aufgelistet sind. Viele davon sind Wissenschaftler. Teilweise sind schon zwei Jahre vergangen – und es ist offenbar nichts passiert."

Warum sind diese unbeachteten Fälle so schwerwiegend?

Weber-Wulff: "Viele der Fälle, viel mehr als Politiker, sind Personen, die an Hochschulen tätig sind. Da liegt der Wurm drin – wie sollen Personen, die selber in ihren Dissertationen oder Habilitationen nicht sauber gearbeitet haben, neue Wissenschaftler ausbilden? Da verstehe ich nicht, dass die Universitäten nicht energischer und vor allem transparenter vorgehen."

Warum wird immer nur über besondere Einzelfälle gesprochen?

Weber-Wulff: "Es sind nicht nur Einzelfälle. Man müsste sich eingestehen, dass die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erlassenen Richtlinien für die Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis zwar seit 1998 vorhanden sind, aber nicht mit Leben erfüllt wurden. Man glaubte immer, das seien Einzelfälle. Und weil die Hochschulen eher nach quantitativen Gesichtspunkten finanziert werden – zum Beispiel Anzahl Doktoranden, Anzahl Publikationen, Anzahl Zitate – statt nach qualitativen, wird eben nach diesen Punkten maximiert. Das muss aufhören." (anw)