Planetenforscher-Konferenz EPSC 2020: Theorien zu heißen Jupitern und Supererden

Die Entstehung von Exoplaneten ist weitgehend ungeklärt. Das gilt auch für exotische Exoplaneten wie heiße Jupiter und Supererden.

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Planetenforscher-Konferenz EPSC 2020: Theorien zu heißen Jupitern und Supererden

Der Exoplanet WD 1856 b und sein weißer Zwerg.

(Bild: NASA/JPL-Caltech/NASA's Goddard Space Flight Center)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Seit im Jahr 1995 der erste Planet außerhalb des Sonnensystems entdeckt wurde, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist, ist die Zahl solcher Exoplaneten auf weit über 4000 angestiegen. Für viele dieser Himmelskörper gibt es in unserem Sonnensystem nichts Vergleichbares. Die Beobachtungen haben daher unter Astronomen die Debatten über Theorien zur Entstehung von Planetensystemen befeuert.

Zu den – aus irdischer Sicht – exotischsten Exoplaneten zählen zum einen die "heißen Jupiter", also Gasriesen mit teils noch größerer Masse als der Jupiter, die ihre Sterne auf extrem nahen Orbits in wenigen (Erd-) Tagen umkreisen. Zum anderen sind zahlreiche "Supererden" entdeckt worden, womit Gesteinsplaneten bezeichnet werden, deren Durchmesser mehr als doppelt so groß sein kann wie der der Erde und deren Masse das Zehnfache der Erdmasse betragen kann.

Obwohl Supererden mittlerweile den Großteil der katalogisierten Exoplaneten stellten, sei ihre Entstehung weiterhin rätselhaft, erklärte Mohamad Ali-Dib (University of Montréal) jetzt in seinem Beitrag zum Europlanet Science Congress (EPSC) 2020 der Planetenforscher. Gängige Modelle zur Planetenentstehung würden erwarten lassen, dass solche großen Brocken mit ihrer Schwerkraft das Gas in ihrer Umgebung anziehen und dadurch zu Gasriesen werden müssten. Ein solcher, sich selbst verstärkender Prozess könne aber möglicherweise durch die thermischen Eigenschaften der protoplanetaren Scheibe gestoppt werden.

Zusammen mit seinen Forschungskollegen Andrew Cumming und Doug Lin hat Ali-Dib Modellrechnungen durchgeführt, bei denen Energie sich durch Strahlung oder Konvektion in einem entstehenden Planetensystem ausbreitet. Sie kamen zum Ergebnis, dass in einer Entfernung von 0,1 Astronomischen Einheiten (eine AE entspricht der Entfernung Erde-Sonne) das Gas im Umkreis des Planetenkerns selbst zu strahlen beginnt, nicht mehr abkühlt und dadurch vom Planeten nicht eingefangen werden kann.

Mit der Bildung von Supererden im Orbit von Roten Zwergen, den kleinsten und am weitesten verbreiteten Sternen, hat sich Brianna Zawadzki (Pennsylvania State University) beschäftigt. Die Simulationen von Zawadzki zeigen, dass sich aus anfänglich 147 "planetaren Embryos" mit jeweils 0,08 Erdmassen durch Kollisionen innerhalb von einer Million Jahren Planeten bilden. Das Vorhandensein von Gas reduziere die Zahl der entstehenden Planeten und lasse sie näher an den Stern wandern. Aufgrund der raschen Formation der Planeten sei ausreichend Zeit für den Aufbau einer ausgedehnten Gashülle um sie herum, doch die könne durch Kollisionen oder die Strahlung des Sterns später wieder verloren gehen.

Die Studie soll die Suche des NASA-Observatoriums TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) nach Exoplaneten unterstützen. Die heute beobachteten Konstellationen von Planetensystemen, so ein weiteres Ergebnis der Simulationen, ließen jedoch keine Rückschlüsse auf die Anfangsbedingungen zu. "Wir haben herausgefunden", erklärt Zawadzki, "dass die Verteilung der Planeten am Ende kein Gedächtnis der anfänglichen Materieverteilung beinhaltet."

Exoplanetenjäger TESS der NASA (8 Bilder)

Die Vorbereitung des Weltraumteleskops
(Bild: NASA)

Planeten, die ihren Heimatstern in sehr geringer Entfernung umkreisen, sind häufig durch Gezeitenkräfte in ihrer Rotation blockiert, sodass sie dem Stern immer die gleiche Seite zuwenden. Das gilt vermutlich auch für den mithilfe von TESS entdeckten Exoplaneten LHS 3844b, der den 48,6 Lichtjahre entfernten Roten Zwerg LHS 3844 alle elf Stunden einmal umkreist.

Tobias G. Meier (Universität Bern) und sein Forschungsteam haben versucht, das Innenleben dieses Planeten zu simulieren. Dabei gingen sie von der Annahme aus, dass sich die extremen Temperaturunterschiede an der Oberfläche (1000 K auf der Tagseite, 20 K auf der Nachtseite) auch im Planeteninneren auswirken und sich im Austausch mit der Atmosphäre zeigen müssten. Als entscheidender Faktor erwies sich dabei die Stärke der Planetenkruste. Nur bei einer dicken Kruste waren Prozesse des Absinkens und Auftreibens asymmetrisch verteilt, wobei der Auftrieb der flüssigen Planetenmaterie vor allem auf der Nachtseite erfolgte. Bei einer dünnen Kruste dagegen ist die geologische Dynamik über den gesamten Planeten weitgehend gleich verteilt. Eine asymmetrische Tektonik sei bislang bei keinem Gesteinsplaneten des Sonnensystems beobachtet worden, stellen die Forscher fest. Zukünftige Beobachtungen von Exoplaneten sollten daher insbesondere darauf achten, inwieweit sich Asymmetrien vulkanischer Aktivität nachweisen lassen.

Die Supererde LHS 3844b hat etwa den 1,3-fachen Durchmesser der Erde. Der 2018 entdeckte Exoplanet WASP-189b dagegen hat den 1,6-fachen Durchmesser des Jupiter und umkreist seinen Heimatstern einmal alle 2,7 (Erden-) Tage. Der jetzt vom ESA-Observatorium CHEOPS (CHaracterising ExOPlanet Satellite) noch einmal genauer beobachtete Planet ist unter den heißen Jupitern ein besonders heißer Kandidat: Mit 3200 Grad Celsius übertrifft er sogar manchen Roten Zwerg. Diese von CHEOPS präzise bestimmte Temperatur ist nicht seine einzige Besonderheit: Er rotiert zudem so schnell, dass sein Radius am Äquator deutlich größer ist als an den Polen, wodurch er an den Polen auch heißer ist und heller leuchtet. Vor allem aber umkreist WASP-189b seinen Stern nicht in dessen Äquatorebene, wie es bei einer Entstehung aus der protoplanetaren Scheibe zu erwarten wäre. Vielmehr verläuft sein Orbit im rechten Winkel dazu über die Pole des 326 Lichtjahre entfernten Sterns. Wissenschaftler vermuten, dass er sich ursprünglich in größerer Entfernung gebildet hat, dann aber entweder von anderen großen Planeten oder durch einen vorbeiziehenden Stern ins Innere des Planetensystems und auf den polaren Orbit gedrückt wurde.

Übrigens ist nicht nur WASP-189b so heiß, sondern auch sein Heimatstern strahlt an der Oberfläche mit 8000 Grad Celsius etwa 2000 Grad heißer als unsere Sonne. "Es ist nur eine Handvoll Planeten um so heiße Sterne herum bekannt, und dieses System ist bei weitem das hellste", sagt Monika Lendl (Universität Genf), leitende Autorin der Studie, die in Astronomy & Astrophysics erschienen ist. "WASP-189b ist auch der hellste 'heiße Jupiter', den wir beobachten können, wenn er vor oder hinter seinem Stern vorbeizieht, was das ganze System wirklich faszinierend macht."

"Es ist eine fremde, seltsame Welt", ließ David Lynch einst in dem Film "Blue Velvet" (1986) seinen jungen Protagonisten Jeffrey immer wieder aussprechen. Angesichts der mittlerweile beobachteten Exoplaneten liegt die Frage nahe: Wieso nur eine?

(olb)