"Projekt Drachenboot": Amazons Griff nach der Logistikkette

Amazon expandiert weiter in Sachen eigener Logistik: Laut der "Süddeutschen Zeitung" will der Konzern Schnell-Lieferzentren in Berlin aufbauen, Hamburg und das Ruhrgebiet seien auch geplant. Auch ein Flughafen könnte Amazon interessieren.

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Amazon Logistikzentrum Pforzheim

(Bild: dpa, Christoph Schmidt)

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Amazons Ambitionen, die Logistik in die eigenen Hände zu nehmen, gehen offenbar auch in Deutschland rasant voran: So will der Onlinehändler laut Bericht der Süddeutschen Zeitung in Berlin bis zum Sommer ein Zentrum für sein Schnell-Lieferangebots Prime Now in Betrieb nehmen. Für weitere Metropolen wie Hamburg liefen entsprechende Verhandlungen, im Ruhrgebiet solle es bereits Einstellungen geben. Sogar an dem zum Verkauf stehenden Flughafen Frankfurt Hahn könnte Amazons Interesse bekundet haben. Das Unternehmen nahm bislang keine Stellung dazu.

Die aktuelle Offensive trägt laut Süddeutscher Zeitung den Namen "Dragon Boat“ (Drachenboot) und bezieht sich nicht nur auf Deutschland: Ziel sei die komplette Logistik-Kette von der chinesischen Fabrik bis zur Haustür des Kunden. Der Wettbewerbsvorteil stationärer Händler, Produkte vorrätig zu haben, solle durch schnelle Lieferungen minimiert werden. "Das Motto lautet, bis du losgefahren bist und einen Parkplatz gefunden hast, ist Amazon schon da", zitiert die Zeitung einen anonymen Insider.

In Berlin werde aktuell noch am mutmaßlichen Auslieferzentrum im "Kudamm-Karree“ gebaut. Behörden haben der Zeitung eine Betriebsgenehmigung für Amazon bestätigt, der Konzern selbst hielt sich bedeckt. Geplant ist offenbar, dass die Pakete von dort über Kuriere mit Elektrorädern binnen einer Stunde nach Bestellung zugestellt werden. Davon sollen allerdings nur Kunden des mit 49 Euro pro Jahr kostenden Vorzugsdienstes Prime profitieren können. Bereits Ende März kursierten Berichte, dass Amazon für Berlin eine Zustellung innerhalb von zwei Stunden plant.

Für weitere deutsche Metropolen suche Amazon aktuell nach Standorten. Laut dem Bericht sind die Pläne am weitesten im Ruhrgebiet gediehen, neue Mitarbeiter würden bereits dafür eingestellt. Gerüchten nach liege der Standort in Dortmund. Auch hier machte Amazon keine Angaben.

Bereits bekannt ist, dass Amazon einen Liefer-Standort in Olching bei München aufbaut. Das Verteilzentrum diene als Modellprojekt für andere Großstädte. Mit dem eigenen Dienst solle auf mögliche Engpässe angesichts des anhaltenden Booms des Onlinehandels reagiert werden, hatte ein Amazon-Manager dazu erklärt. Der Aufbau eines eigenen Zustellnetzes sei aber kein Ausdruck mangelnden Vertrauens in die Fähigkeiten der derzeitigen Dienstleiter Deutsche Post DHL, Hermes oder DPD.

Ein weiterer Baustein könnte der Flughafen Frankfurt Hahn sein. Ein Sprecherin des Flughafens bestätigte zumindest gegenüber der SZ, dass es "Vertriebsgespräche“ gegeben habe. Laut Innenministerium Rheinland-Pfalz lägen drei Kaufangebote für den Flughafen vor, die Namen der Bieter wurden noch nicht genannt. Dank eines Leasingdeals mit einem US-Dienstleister hat Amazon zumindest schon mal Zugriff auf eine Flotte von 20 Frachtflugzeugen. Abgesehen davon hat sich der Konzern auch eine Reedereilizenz gesichert, die etwa Transporte auf der Route Shanghai-Hamburg möglich macht.

Hermes und Post gelassen?

Die etablierte Logistik-Konkurrenz reagiert unterschiedlich auf den drohenden Schatten des Handelsriesen: Hanjo Schneider, Aufsichtsrats-Chef von Hermes, ging im Interview mit der Welt davon aus, dass Amazons eigene Schnell-Lieferungen nur einen kleinen Teil der Sendungen ausmachten – die Masse werde weiterhin über andere Paketdienste laufen. Und die von Amazon geplanten Paketkästen könne man ja gemeinsam nutzen.

Der Platzhirsch Deutsche Post gibt sich betont gelassen: Chef Frank Appel sagte anlässlich der jüngsten Bilanzvorlage, er sehe die Entwicklung mit "sportlichem Ehrgeiz". Die Post habe hervorragende Mitarbeiter, verfüge über eine hervorragende Infrastruktur und sei Qualitätsführer. (axk)