Raumfahrt: Weibliche Crews benötigen auf Langzeitmissionen weniger Ressourcen

Die ISS ist vergleichsweise leicht zu versorgen. Geht es weiter ins All, zählt jedes eingesparte Gramm Nutzlast. Dafür empfiehlt sich eine Crew nur aus Frauen.

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Die drei Astronautinnen Samantha Cristoforetti, Kayla Barron und Jessica Watkins auf der ISS (v.l.n.r.) – ganz links Kjell Lindgren

(Bild: NASA)

Lesezeit: 3 Min.

Bemannte Langzeitmissionen im Weltall bräuchten merklich weniger Ressourcen, wenn die Crews ausschließlich aus Frauen bestehen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die vom Team für Weltraummedizin der Europäischen Weltraumagentur ESA durchgeführt wurde. Demnach brauchen Astronautinnen aller Staturen weniger Sauerstoff und produzieren weniger Kohlenstoffdioxid sowie Wärme als gleich große Astronauten. Eine vierköpfige rein weibliche Crew würde demnach auf einer dreijährigen Mission im Weltraum allein rund 1,7 Tonnen weniger Nahrung benötigen, das wären 4 Prozent mehr Platz in einem Modul der geplanten Raumstation Gateway um den Mond – praktisch wäre das von großer Bedeutung, schreibt das Team.

Wie die Gruppe um Jonathan Scott vom Institut Médecine Physiologie Spatiale in Toulouse ausführt, baut ihr Studie auf einer theoretischen Arbeit auf, in der lediglich männliche Astronauten untersucht worden waren. Sie habe nun berechnet, welche Folgen es hätte, wenn man stattdessen annehmen würde, dass eine Mission nur aus Frauen besteht, die zwischen 1,50 und 1,90 m groß sind. Dabei ging es ihnen um den totalen Energieaufwand, den Sauerstoffverbrauch, die Produktion von CO₂ und Wärme sowie das benötigte Wasser. Je nachdem, ob außerdem der Effekt von Übungen einberechnet wurde, mit denen den Folgen der Schwerelosigkeit entgegengewirkt werden muss, kommt man demnach auf Ersparnisse zwischen 5 und 41 Prozent.

Bei Langzeitmissionen weitab von der Erde könnten diese Einsparungen deutlich wichtiger werden, als sie es etwa an Bord der Internationalen Raumstation sind, schreibt die Gruppe. Schon auf der ISS, wohin Nachschub noch vergleichsweise leicht transportiert werden kann, würden die Raumfahrer und Raumfahrerinnen rund 20 bis 25 Prozent weniger Energie zu sich nehmen, als empfohlen sei. Wenn auf Langzeitmissionen dann auch noch umfangreicheres Training nötig wird, um die Gesundheit der Teilnehmenden sicherzustellen, könnte die Stoffwechselaktivität der Crew zu einem entscheidenden Faktor der Missionsplanung werden, prophezeien sie.

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern haben ihre Ursache demnach im geringeren Sauerstoffbedarf von Frauen sowohl in Ruhephasen als auch bei Aktivitäten. Außerdem ist die sogenannte maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) während der Ausbelastung bei Frauen gleicher Größe im Schnitt geringer als bei Männern. Wenn man dann noch davon ausgehe, dass künftige Raumstation aktuell mit weniger Platz geplant werden, als er auf der ISS zur Verfügung steht, spricht einiges für komplette weibliche Besatzungen. Bezieht man in die Berechnungen außerdem ein, dass noch immer jedes Kilogramm an Nutzlast, das ins All geschossen wird, extrem teuer ist, ließe sich noch einiges an Geld einsparen.

Die im Fachmagazin Scientific Reports erschienene Studie wird jetzt wenige Monate nach dem offiziellen Startschuss für das ambitionierte Artemis-Programm der NASA öffentlich. In dessen Rahmen will die US-Weltraumagentur wieder Menschen zum Mond bringen, diesmal aber nicht nur für kurze Besuche, sondern auf Dauer. Nachdem die Raumfahrt lange von Männern dominiert wurde, starten inzwischen auch immer mehr Frauen ins All und noch mehr bereiten sich auf solche Flüge ins All vor. Die NASA zählt aktuell 16 aktive Astronautinnen und 25 aktive Astronauten. Bei der ESA stehen Samantha Cristoforetti dagegen fünf Männer gegenüber, im vergangenen Jahr wurden hier zwei weitere Astronautinnen und drei Astronauten ausgewählt.

(mho)