Regierungschefs sollen über Galileo entscheiden

Im Streit um die Zukunft des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo brachte auch die heutige Sitzung der EU-Verkehrsminister in Luxemburg keine Einigung. Jetzt sind die Staats- und Regierungschefs am Zug.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Angelegenheit ist zäh wie Kaugummi: Fünf Jahre Verspätung haben Politik und Industrie beim Aufbau des geplanten europäischen Satellitennavigationssystems Galileo bereits zu verantworten. War ursprünglich vorgesehen, bis 2008 eine marktfähige Konkurrenz zum Monopol der US-Amerikaner zu etablieren, kann das Galileo-System nach derzeitigen Planungen frühestens im Jahr 2013 komplett in Betrieb gehen. Zeit, die nicht zuletzt Russland nutzen wird, um sein eigenes, früher fast ausschließlich für militärische Zwecke genutztes GLONASS (Globalnaya Navigatsionnaya Sputnikovaya Sistema) für den boomenden Navigationsmarkt auszubauen.

Die Zahl der Uragan-Satelliten, die die Erde auf drei Bahnebenen in einer Höhe von 19.100 Kilometern umkreisen, will Moskau auf 24 erhöhen – genug, um eine weltweite Nutzung russischer Navigationsdienstleistungen zu ermöglichen. Die USA trommeln unterdessen für ihr neues GPS-III-System, das zwei zusätzliche zivile Signale mitbringen und keine Selective Availability (SA) zur künstlichen Verzerrung der Satellitensignale mehr enthalten wird. Spätestens bis zum Jahr 2014 sollen die mindestens 24 aktiven GPS-Satelliten (derzeit insgesamt 31) einschließlich Bodenstationen durch die neue Technik ersetzt werden.

In Europa streiten sich die Verantwortlichen derweil seit Jahren um Geld und Kompetenzen – was dazu geführt hat, dass mit Giove-A bislang lediglich ein Galileo-Testsatellit im All ist. Dadurch konnte zumindest verhindert werden, dass die von der International Telecommunications Union (ITU) für Galileo reservierten Funkfrequenzen wieder entzogen werden. Der mehrmals verschobene Start des zweiten Galileo-Testsatelliten soll voraussichtlich im März 2008 erfolgen – wenn das Projekt bis dahin nicht komplett in sich zusammenfällt. Eine Einigung im Streit über die Zukunft von Galileo zeichnete sich beim heutigen Treffen der EU-Verkehrsminister in Luxemburg jedenfalls nicht ab.

Vor allem Deutschland interveniert gegen den Vorschlag von EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot, die 30 Galileo-Satelliten und andere technische Ausrüstung ausschließlich aus EU-Haushaltsmitteln zu bezahlen, nachdem ein Finanzierungsmodell gemeinsam mit der Industrie geplatzt war. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Aufträge neu ausgeschrieben und Finanzierungsfragen unter den EU-Mitgliedsstaaten neu ausgehandelt werden müssten. Von deutscher Seite wird befürchtet, dass die Industrie hierzulande dann weniger Aufträge zum Aufbau des Galileo-Systems erhalten könnte. Derzeit fehlen mindestens 2,4 Milliarden Euro, um das System überhaupt in Betrieb zu nehmen.

"Die Bundesregierung ist mit dem Vorschlag der Kommission so nicht einverstanden", erklärte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Luxemburg. Das Barrot-Konzept sei mit finanziellen Risiken behaftet und deutsche Industrieinteressen seien nur unzureichend berücksichtigt. Staatssekretär Jörg Hennerkes sagte, die Bundesregierung halte es für gefährlich, das Finanzpaket der EU von 2007 bis 2013 wieder aufzuschnüren. Barrot hatte vorgeschlagen, die fehlenden Gelder vor allem aus nicht genutzten EU-Töpfen für Landwirtschaft und Verwaltung zu nehmen. Deutschland plädiert hingegen für eine Finanzierung von Galileo auch durch die Europäische Weltraumorganisation (ESA).

Der ESA gehören 15 der 27 EU-Staaten sowie die Schweiz und Norwegen an. Nach Angaben der deutschen Delegation könnte sich beispielsweise auch Polen für diesen Plan erwärmen. Da Deutschland nach Frankreich der größte Beitragszahler der ESA ist, könnte Berlin auf diesem Weg die gewünschte 20-Prozent-Beteiligung an Galileo wieder durchsetzen. Darüber wird nun Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandeln müssen: Die Verkehrminister legten die Entscheidung, wie es mit Galileo weitergehen soll, in die Hände der Staats- und Regierungschefs, die Mitte Dezember in Brüssel zusammentreffen. (pmz)