Republik Österreich muss Überwachungskosten selbst tragen [Update]

Die Regelung des Telekommunikationsgesetzes, dass Provider und Carrier die Kosten für Überwachungsmaßnahmen selbst tragen müssen, widerspricht der österreichischen Verfassung.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat jene Passage des Telekommunikationsgesetzes per 1. Januar 2004 aufgehoben, die einen Kostenersatz für vorgeschriebene Überwachungseinrichtungen ausschließt (§ 89 Abs. 1 letzter Satz TKG). Das Urteil stammt aus einer nichtöffentlichen Sitzung vom 27. Februar und ist dieser Tage an die Verfahrensbeteiligten zugestellt worden. Die Bestimmung ist demnach verfassungswidrig, da sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. In der Begründung des Urteils folgt der Verfassungsgerichtshof den Argumenten der Telekommunikations-Unternehmen UTA, 3, tele.ring sowie T-Mobile Austria und hält fest, dass die Strafverfolgung grundsätzlich Sache des Bundes ist und daher auch die Kosten von diesem zu tragen sind.

Die Republik hatte die Regelung nicht mit juristischen Argumenten, sondern nur mit budgetären Überlegungen begründet. Auf Wunsch der Regierung wurde dem Gesetzgeber bis Jahresende Zeit gegeben, eine Neuregelung zu erlassen. Er muss sich dabei an den Begründungen des VfGH orientieren. Wird der Gesetzgeber bis dahin nicht aktiv, fällt die Bestimmung ersatzlos. Die UTA beziffert ihre Unkosten für die vorgeschriebenen Abhöreinrichtungen mit bislang 500.000 Euro zuzüglich jährlicher Wartungskosten von etwa 35.000 Euro. Das Unternehmen bezeichnet das Urteil als "großen Erfolg für die gesamte Branche".

Die Anträge von Telekom Austria und ihrer Tochter mobilkom austria auf Aufhebung der Absätze 1 und 3 des Paragraphen 83 als verfassungswidrig sowie der Überwachungsverordnung (ÜVO) als gesetzwidrig wurden vom Verfassungsgericht hingegen abgewiesen. Diese Bestimmungen schreiben neben der Mitwirkung an Abhörmaßnahmen im Einzelfall die Anschaffung bestimmter technischer Überwachungs-Einrichtungen vor. Die Unternehmen müssen dafür jeweils zwischen 700.000 und 8 Millionen Euro aufwenden. Ab dem 1. Januar 2005 müssen diese Einrichtungen auf den ETSI-Standard ES 201 671 Version 2.1.1 aufgerüstet werden, was weitere Kosten von durchschnittlich 1,8 Millionen Euro pro Netzbetreiber verursacht.

Hierzu schreibt der VfGH: "Die Aufklärung strafbarer Handlungen durch Überwachung des Fernmeldeverkehrs [...] bildet eine im öffentlichen Interesse gelegene staatliche Aufgabe, die schon aus Gründen der Effektivität eine qualifizierte Mitwirkung der privaten Betreiber von Telekommunikationsdiensten erfordert. Eine entsprechende gesetzliche Mitwirkungspflicht, wie sie §89 Abs. 1 erster Satz und §89 Abs. 2 TKG sowie die zur Konkretisierung ergangene ÜVO anordnen, bildet eine angemessene, sachlich gerechtfertige Inpflichtnahme privater Telekommunikationsbetreiber. Angesichts der Privatisierung privater Telekommunikationsdienste ist es (...) geboten, diese privaten Betreiber mit der Bereitstellung der entsprechenden Einrichtungen (...) zu betrauen, weil die Betreiber diejenigen sind, welche die Überwachung auf Grund ihrer primären Betroffenheit und technischen Sachnähe am ehesten durchführen können."

Die Anbieter müssen also die Überwachungseinrichtungen installieren. Ihnen darf aber nicht jedweder Kostenersatz abgesprochen werden, da dies dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspricht. Ob die Unternehmen ab 2004 vollen Kostenersatz erhalten werden bleibt abzuwarten. Eine Kopie des 45 Seiten starken Urteils ist mittlerweile auf den Seiten des Verfassungsgerichtshofs verfügbar. (jk)