RoboCup-WM 2008: Aufregend schon vor dem Anpfiff

Im chinesischen Suzhou laufen die letzten Vorbereitungen für die diesjährige Roboter-Fußballweltmeisterschaft. Besondere Aufmerksamkeit genießt dabei "Nao", ein neuer zweibeiniger Standardroboter aus Frankreich.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Bloß nicht zu viel erwarten: Der neue Standardroboter Nao leidet noch an Kinderkrankheiten...

Noch sind nicht alle Teams eingetroffen, doch in den Hallen 3B, 4B und 5B des Messegeländes in Suzhou wird bereits eifrig geschraubt, gelötet und und programmiert. In der etwa 80 Kilometer westlich von Shanghai gelegenen Stadt, die ansonsten vor allem für ihre kunstvoll gestalteten, jahrhundertealten Gärten bekannt ist, werden am Mittwochvormittag die diesjährigen RoboCup-Weltmeisterschaften im Roboterfußball und anderen Disziplinen eröffnet.

Aufregend ist das Turnier allerdings schon vor dem Anpfiff. Bei keinem der seit 1997 alljährlich ausgetragenen Wettbewerbe hat es bereits im Vorfeld solche Turbulenzen gegeben. Die gipfelten vor zwei Monaten in der Ankündigung, die Veranstaltung müsse "due to the Olympic related issues" verschoben oder gar abgesagt werden. Nachdem dies abgewendet werden konnte, gab es für die teilnehmenden Teams aber noch die Hürden der Visumsanträge und Zollformalitäten zu nehmen. Manche bekamen ihr Visum erst wenige Stunden vor dem Abflugtermin.

...die bei Bedarf in der eigens eingerichteten "Nao-Klinik" behandelt werden.

Wie viele es am Ende nach Suzhou schaffen werden, ist derzeit noch unklar. Daher weiß auch niemand die genaue Teilnehmerzahl. Sie dürfte aber bei etwa 300 Teams aus über 30 Ländern liegen. Ihnen bietet die RoboCup-WM nicht nur eine häufig irritierende Begegnung mit einer grundlegend anderen Organisationskultur, sondern vor allem die Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit ihrer Roboter und Computerprogramme im sportlichen Vergleich mit anderen zu testen.

Die Etablierung einer einheitlichen Testumgebung, die eben diesen Vergleich verschiedener Ansätze für mobile, autonome Roboterteams in dynamischen Umgebungen erlaubt, ist eine Grundidee des RoboCup. Mitte der 90er-Jahre schälte sich recht rasch heraus, dass das Fußballspiel hierfür am besten geeignet war. Es dürfte aber vor allem der langfristigen Vision zu verdanken sein, dass der RoboCup sich mittlerweile als der größte und bedeutendste Roboterwettbewerb der Welt etabliert hat: Bis zum Jahr 2050, so das erklärte Ziel, soll ein Team autonomer humanoider Roboter gegen den amtierenden menschlichen Fußballweltmeister gewinnen. Damit manövrierte der RoboCup auch den älteren Fußballwettbewerb der Konkurrenzorganisation Fira ins Abseits.

Seit 1997 ist nicht nur die Zahl der Teilnehmer beim RoboCup stetig gestiegen, sondern auch die der verschiedenen Ligen. Je nachdem, wie groß die Roboter sind und ob sie rollen, laufen oder als Simulation über den Computermonitor flitzen, werden unterschiedliche Anforderungen an sie gestellt. Hinzu kommen stärker anwendungsbezogene Wettbewerbe für Rettungs- und Serviceroboter sowie die Nachwuchswettbewerbe im Rahmen des RoboCup Junior, die in den vergangenen Jahren das stärkste Wachstum verzeichnen konnten.

Eine neue Liga? Diese Schwimmroboter von der Peking University sollen in den nächsten Tagen in einem Planschbecken Wasserpolo vorführen - zunächst noch außer Konkurrenz.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit dürfte in diesem Jahr die neue Standardplattform "Nao" stehen, ein zweibeiniger Roboter der französischen Firma Aldebaran, der den vierbeinigen "Aibo" von Sony ablösen soll. Ein Standardroboter ermöglicht es den Teams, sich ausschließlich auf die Programmierung zu konzentrieren, ohne sich um die Hardware kümmern zu müssen. Der Wechsel war erforderlich geworden, nachdem Sony Anfang 2006 die Produktion des Aibo eingestellt hatte. Der putzige Vierbeiner wird in diesem Jahr voraussichtlich zum letzten Mal bei der RoboCup-WM antreten. Deren Organisator Xiaoping Chen von der University of Science and Technology of China (USTC) in Hefei erwartet spannende Spiele. "Es sind die zehn weltbesten Teams, die mit ihren über Jahre gesammelten Erfahrungen wetteifern", sagt er. Sein eigenes Team "Wright Eagle" ist natürlich auch dabei.

Für Nao müssen die Erwartungen dagegen deutlich tiefer gehängt werden. Die Teams haben den Roboter erst vor wenigen Wochen erhalten und konnten daher allenfalls Basisverhalten wie das Laufen zum Ball und das Ausrichten aufs Tor programmieren. "Zudem hat das System noch die üblichen Kinderkrankheiten", sagt Stephan Chalup vom australischen Team NUbots von der University of Newcastle. "Ständig lösen sich irgendwelche Verbindungen oder es brechen Gelenke." Um in solchen Fällen schnelle Abhilfe zu schaffen, ist Aldebaran mit 15 Mitarbeitern angereist und hat eine "Nao-Klinik" eingerichtet, wo die Roboter verarztet werden. Auf schöne Spiele, so Chalup, dürfe man in diesem Jahr noch nicht hoffen.

Dafür könnte sich in einer Liga, die schon weitgehend ausgereizt schien, neue Dynamik entwickeln. In der 2-D-Simulation stellen ein etwas schnellerer Ball, ein kleinerer Torwart sowie 18 heterogene Spielertypen die Programmierer vor neue Herausforderungen. "Jede Änderung für sich wirkt erst einmal nicht besonders dramatisch", sagt Ralf Berger von der Humboldt-Universität, der diesen Wettbewerb organisiert. "Zusammengenommen erzwingen sie aber eine deutlich andere Spielweise." So könne der Torwart jetzt nicht mehr einfach auf der Linie stehen bleiben, sondern müsse ein ausgefeilteres Stellungsspiel entwickeln. Der schnellere Ball dürfte zu einem weiträumigeren Spiel führen. Und die 18 Spieler, die sich hinsichtlich ihrer Schnelligkeit, Ausdauer, Präzision und anderer Parameter unterscheiden, stellen den, ebenfalls simulierten, Coach bei der Mannschaftszusammenstellung vor die Qual der Wahl.

In der 3-D-Simulation, bei sich auch physikalische Parameter wie die Schwerkraft berücksichtigen lassen, werden die Spieler diesmal erstmals anhand des Nao modelliert. "Wir wollen standardmäßig drei gegen drei Spieler antreten lassen", sag Ligen-Leiterin Sahar Asadi von der University of Teheran. "In Freundschaftsspielen wollen wir aber testen, inwieweit Spiele vier gegen vier oder fünf gegen fünf möglich sind." Da die zur Verfügung gestellten Prozessoren leistungsfähiger sind als erwartet, könnte es hier zu positiven Überraschungen kommen. (Hans-Arthur Marsiske) /

Zur RoboCup-WM 2008 siehe auch:

(pmz)