SAS: Wir sehen kein echtes Business-Modell für ChatGPT & Co.

Der Hype um Large Language Models helfe der KI-Branche zwar – an nachhaltige Vorteile der großen Sprachmodelle glaubt SAS aber nicht.

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(Bild: SAS)

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Harald Weiss

Seit dem Höhenflug von ChatGPT gibt es zwei KI-Welten: die klassische mathematisch-statische KI und die neuen unterhaltsamen Sprachmodelle. SAS, der Anbieter für Analyse-Software, verortet sich selbst in der grundlegenden, klassischen KI. Gemeinsam mit Microsoft will das Unternehmen aber beide Welten miteinander verbinden. Large Language Models (LLM) sind das Schlüsselelement der generativen KI-Bewegung. Ein LLM ist aber nur eine Sprachoberfläche, das einerseits die Semantik der Eingabe analysiert und andererseits das Ergebnis einer Anfrage in natürlicher Sprache ausgibt. Das für die Beantwortung der Anfrage erforderliche Wissens-Repertoire liegt in der eigentlichen, klassischen KI-Engine.

SAS Institute operiert traditionsgemäß in der Kategorie der klassischen KI. Die eigenen Angebote sieht man daher auch nicht durch die neuen LLMs bedroht: "Die Unternehmen besitzen Unmengen an Daten, aus denen nur mit mathematischen Methoden etwas Sinnvolles herausgeholt werden kann", sagte SAS-CTO Bryan Harris auf der jüngsten Kundenveranstaltung Explore. "Die Analyse des Ausfallrisikos einer Bank lässt sich mit keinem LLM der Welt berechnen", sagte Harris weiter. Allerdings räumt er ein, dass es spannend sei, die Interaktionen mit Datensystemen auf einen Dialog zu reduzieren. Das senke die Hürden der Einführung. Mehr aber kann er dem Hype um die generative KI nicht abgewinnen. "Man muss zur sinnvollen Datennutzung immer noch ein gutes Datenmanagement betreiben, man muss Statistiken und Wahrscheinlichkeiten verstehen und man muss auf die Datenqualität achten – da hilft kein LLM", lautet die Einschätzung des SAS-CTO. Sein Chef Jim Goodnight ist sogar noch kritischer: Für ChatGPT sehe er nur einen einzigen Markt, nämlich Callcenter, in denen man die immer gleichen Fragen zu beantworten habe, sagte er in einem Gespräch mit iX. Allerdings sieht er in der aktuellen Entwicklung der LLMs auch etwas Positives. "Ich begrüße das schlagartige Interesse an KI, denn es fließt plötzlich sehr viel Geld in diesen Bereich, und das kommt allen zugute", lautet sein Zugeständnis an die neue KI-Welt.

Auch wenn SAS seine eigenen Stärken also in den Bereichen neuronale Netze, Deep Learning und Reinforcement Learning sieht, ist das Unternehmen bereit, verstärkt LLMs als I/O-Interface nutzen. Hierzu hat SAS eine umfassende Kooperation mit Microsofts neuer OpenAI-Abteilung bekannt gegeben. "SAS verfügt über ein breites Spektrum an Fachwissen in vielen Branchen. Durch die Nutzung der Azure OpenAI-Technologie ergeben sich für beide Unternehmen viele neue Möglichkeiten", sagt Brad Carlstedt, Global Director of Partner Development bei Microsoft.

Die Stärke von LLMs besteht nach Ansicht von SAS darin, aus riesigen Datenmengen Konversationserlebnisse zu schaffen. Sie seien jedoch nicht für die Integration quantitativer Berechnungen aus Unternehmenssystemen konzipiert – die entscheidende Herausforderung für SAS und Microsoft bestehe also darin, beides optimal zu verbinden.

Gleichzeitig ist klar, dass SAS selbst keine Pläne hat, in die generative KI einzusteigen. Lieber investiert man in klassische KI-Methoden und -Lösungen. So kündigte das Unternehmen an, dass man eine Milliarde US-Dollar in die Entwicklung neuer branchenbezogener KI-Lösungen stecken werde. Das betrifft vor allem den Ausbau von Anwendungen bei Finanzinstituten, wo SAS traditionell stark vertreten ist. Auch auf die Industrie und die Logistik plane man sich aber stärker zu fokussieren.

In der Industrie investiert SAS aktuell hauptsächlich in Digital-Twin-Simulationen für die Fertigung und Logistik sowie KI-gestützte IoT-Software (Internet of Things) zur Energieversorgung. Bei den Digital-Twin-Modellen kommt KI bei Prognosen zu Ausfällen zum Einsatz. "Der digitale Zwilling hat ja vor allem das Ziel, digitale Simulationen von möglichen Verbesserungen oder potenziellen Problemen virtuell durchzuspielen", erklärt Udo Sglavo, Vice President, Advanced Analytics Research and Development bei SAS. Dazu gehöre auch das Ermitteln des Ausfallrisikos von Materialen, Komponenten oder Baugruppen.

Im Bereich IoT hat SAS neue Prognose-Modelle für die Energieversorgung entwickelt. So liefert die Energy Forecasting Cloud Prognosen über den Energiebedarf und die Leistungsfähigkeit von verfügbaren erneuerbaren Energiequellen. "Es wird immer wichtiger, fundierte Energiebedarfsprognosen abzugeben, um eine optimale Balance zwischen Erzeugung und Nutzung herzustellen", sagt dazu Jason Mann, Vice President IoT bei SAS. Das neue Modell berücksichtigt auch Extremwetterlagen und nutzt für seine Prognosen Betriebs-, Wetter- und Anwendungsdaten aus verschiedenen Quellen wie Smart Metern oder anderen IoT-Geräten. Auch regulatorische Vorgaben und neue Anforderungen, wie die steigende Nachfrage nach Ladestationen für E-Fahrzeuge, berücksichtigt das SAS-Produkt bei der Prognose. Pilotanwender für das neue Modell ist der größte kommunale US-Energieanbieter, das Los Angeles Department of Water and Power (LADWP). Das Unternehmen hat 1,55 Millionen Stromkunden und 681.000 Wasserkunden.

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Zitat von Microsoft und SAS angepasst.

(jvo)