SIGGRAPH: Nvidias 3D-Grafik strebt nach Hollywood

Der kalifornische Chipentwickler will sich mit der Bildqualität messen, die man bislang nur von computer-generierten Darstellern aus Dragon Heart, Shrek und Final Fantasy kennt.

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Von
  • Manfred Bertuch

Der kalifornische Chipentwickler Nvidia begnügt sich bei seinem nächsten Grafikprozessor nicht länger mit Spielegrafik, sondern will sich mit der Bildqualität messen, die man bislang nur von computer-generierten Darstellern aus Dragon Heart, Shrek und Final Fantasy kennt.

Der Schlüssel für den Qualitätssprung sind sogenannte Shader, die unter anderem die Wirkung von Licht berechnen können und Materialien wie Leder, Haut und Fell mit ihren Feinstrukturen und Reflexionsverhalten sehr genau nachbilden. Während bei der Produktion eines Films für jedes einzelne Bild 10 bis 100 Minuten Rechenzeit üblich sind, möchte Nvidia dieselben Szenen in Echtzeit, also mit etwa 30 Bildern pro Sekunde erzeugen. Damit wäre Kinoqualität auch in Spielen und anderen interaktiven Anwendungen erreicht.

Unter der Codebezeichnung NV30 hat Nvidia ein Chipmonster mit 120 Millionen Transistoren in Arbeit, das die dazu nötige Rechenleistung liefern soll. In Präsentationen der gerade laufenden SIGGRAPH, dem jährlichen Mekka der Computergrafiker, läßt der Grafikzauberer einige Details seiner neuen 3D-Technologie durchblicken. Die beschriebene "CineFX"-Architektur erfüllt nicht nur die von Microsoft angekündigte 3D-Spezifikation DirectX 9.0, sondern geht in vielen Punkten noch darüber hinaus. So ist beispielsweise die Länge von Vertex Shader Programmen für die Berechnunung und Beleuchtung von Geometrien nicht auf 256 Befehle beschränkt, sondern kann 65536 Instruktionen umfassen.

Nvidia ist allerdings dazu gezwungen, den nächst kleineren Produktionsprozess mit 0,13 µm feinen Strukturen einzusetzen, da man sonst entweder die erforderlichen Taktfrequenzen nicht erreicht oder ein Problem mit der Wärmeentwicklung bekommt. Und für Nvidias Chipfabrikant TSMC ist die gewünschte 0,13-µm-Fertigung noch Neuland. Ob die Massenproduktion rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft in Gang kommt, ist daher fraglich. Eventuell muss sich Nvidia in den ersten Produktionsphasen mit einer schlechten Ausbeute abfinden oder im schlimmsten Fall den für diesen Herbst angekündigten NV30 auf nächstes Jahr verschieben.

Konkurrent ATI hat von Anfang an beweifelt, dass man mit der 0,13-µm-Technik mehr funktionierende Chips erhält als mit der 0,15-µm-Technik und ist bei der bewährten 0,15-µm-Fertigung geblieben. Dank seiner konservativen Strategie kann der Kanadier bereits seit einer Woche lauffähige Muster seines DirectX-9-Chips Radeon 9700 demonstrieren (107 Millionen Transistoren, Vertex Shader mit maximal 1024 Befehlen). Die entsprechenden SIGGRAPH-Präsentationen sind um einiges konkreter und zeigen Sportwagen mit zweifarbiger Metallic-Lackierung sowie Holz-Figuren mit einer im Pixel Shader des Grafikchip berechneten Maserung, die täuschend echt wirkt. Auch komplexe Animationen wie "Animusic Pipe Dream" laufen bei ATI bereits in Echtzeit, wozu neben den Shadern auch die reine Verarbeitungsleistung von 325 Millionen 3D-Punkte pro Sekunde beitragen dürfte. Mit Beleuchtung und Effekten liegt der Geometriedurchsatz zwar deutlich niedriger, stellt aber trotzdem einen beachtlichen Sprung gegenüber den rund 70 Millionen 3D-Punkten des Vorgänger-Chips dar.

Auch wenn der erwartete Nvidia-Chip -- wenn er verfügbar ist -- leistungsfähiger ausfallen wird, hat ATI wenigstens für den Moment die Rolle des ewig Zweiten abschütteln können. Und mit ein wenig Glück bleibt den Kanadiern die Aufmerksamkeit der Spiele-Enthusiasten sogar noch eine ganze Weile erhalten. Bereits bei Nvidias letztem Wechsel auf eine neue Architektur (GeForce3 ) vergingen zwischen Ankündigung und Markteinführung 3 Monate -- und der NV30 ist noch nicht einmal angekündigt. (Manfred Bertuch) / (anw)