Schachduell: High Noon in Bahrain

Spannender hätte die Finalpartie zwischen Wladimir Kramnik und dem Schachprogramm Fritz nicht ausfallen können. Die morgige Partie entscheidet das gesamte Match.

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Von
  • lab

Im Schachmatch zwischen dem Schachprogramm Fritz und Wladimir Kramnik steht es nach sieben Partien 3.5 zu 3.5, die Entscheidung fällt erst in der achten und letzten Partie am morgigen Samstag. Galt es nach der 3:1-Halbzeitführung des Weltmeisters noch für eine ausgemachte Sache, dass der Russe den vorwitzigen Computer zerquetschen würde, konnte Fritz in beiden folgenden Runden den Weltmeister bezwingen und den Wettkampf zum 3:3 ausgleichen. In der fünften Partie misslang es Kramnik erstmals, durch frühen Damentausch die Stellung unter Kontrolle zu bringen, sein Springer geriet am Damenflügel auf Abwege und Fritz gewann schließlich einen Bauern. In schwieriger Stellung verlor Kramnik zuerst die Nerven und dann einen Springer.

Dass ein Weltmeister eine Figur einstellt, ist schon eine kleine Sensation und zeigt den Druck, unter dem Kramnik steht. Seine Stellung war jedoch auch ohne diesen Fehler sehr schwierig. Fritz spielt in Bahrain mit einer Datenbank aller Endspiele mit maximal fünf Steinen – kommt eine solche Position aufs Brett, spielt Fritz perfekt. Aber auch, wenn noch ein paar mehr Steine auf dem Brett sind, greift das Programm, während es den Spielbaum durchsucht, auf diese Datenbanken zu. Auch einige (allerdings bauernlose und daher weniger relevante) Stellungen mit sechs Steinen sind schon verfügbar, jedoch hatte Kramnik sich vertraglich zusichern lassen, dass nur die Fünfsteiner im Wettkampf verwendet werden dürfen.

Die sechste Partie war das bisher spannendste Duell; wieder gelang es Fritz, eine komplizierte Mittelspielstellung aufzubauen. Kramnik opferte nach langem Nachdenken einen Springer für einen äußerst gefährlichen Angriff. Fritz verteidigte sich jedoch akkurat, sodass der Weltmeister im 34. Zug die Waffen streckte. Zu früh, wie sich herausstellte, denn es gab im Endspiel mit zwei Türmen gegen Dame und Springer von Fritz wahrscheinlich noch einen schmalen Pfad zum Unentschieden. Großmeister Dorian Rogozenko schätzte die Remis-Chancen auf 90 Prozent, gegen Fritz sogar auf 100 Prozent, denn das Programm hat trotz einer hohen Bewertung keine Ahnung, wie die Stellung zu gewinnen sein könnte. Eine erstaunliche Parallele zu Kasparows Deep-Blue-Wettkampf, auch hier hatte der damalige Weltmeister, beeindruckt vom starken Spiel des Rechners, eine Partie in Remis-Stellung aufgegeben.

In der siebenten Partie befolgte Kramnik die alte russische Regel, nach zwei aufeinander folgenden Niederlagen um jeden Preis ein Remis zu machen. Mit den schwarzen Steinen geriet der Weltmeister wieder unter Druck, aber Fritz fand keinen Plan und zog nur seine Figuren umher, bis der Bediener schließlich das Remis-Angebot des Weltmeisters akzeptierte. Im Chat auf heise online brachte ein Besucher die Sache auf den Punkt: "Fritz will Remis, weil er nicht weiß, dass er gut steht. Kramnik will Remis, weil er weiß, dass er nicht gut steht."

ChessBase hat sich anscheinend also die Kritik an der Eröffnungswahl der ersten Partien zu Herzen genommen. Im ChessBase-Team arbeitet übrigens kein Großmeister an den Eröffnungen, nur die beiden Programmierer Matthias Feist und Frans Morsch, unterstützt von Alexander Kure, der schon seit Jahren für die Eröffnungsbücher einiger Schachprogramme zuständig ist. "Ein Großmeister wählt seine Varianten nach schachlichen Gesichtspunkten", erklärte Geschäftsführer Matthias Wüllenweber, "für ein Programm muss das aber nicht immer am besten sein. Wir wählen die Varianten selber aus und können gleich Frans Morsch fragen, ob Fritz die sich ergebende Stellung versteht. Ein gutes Beispiel ist die fünfte Partie, hier hat Fritz das Wissen über den abgeschnittenen Springer in der Bewertungsfunktion und weiß am Ende auch, dass im resultierenden Endspiel die Springer nicht getauscht werden dürfen."

Die Stimmung bei ChessBase ist nach diesen beiden Siegen ausgezeichnet, man hält einen 4:4-Endstand für möglich. "Aber selbst wenn Fritz jetzt beide Partien verlieren sollte, haben wir unser Soll erfüllt", sagte Wüllenweber. Für ein Gesamt-Remis kassiert ChessBase 200.000 US-Dollar, bei einem Sieg wären es 400.000, jedoch wird die Firma das Geld dem europäischen Jugendschach stiften. Bevor es was zu stiften gibt, muss Fritz aber in der verbleibenden Partie noch mindestens ein Unentschieden holen, denn wenn der Weltmeister das Match gewinnt, geht Fritz ganz leer aus. Für Kramnik sieht die finanzielle Seite etwas lukrativer aus. Selbst wenn er verliert, streicht er 600.000 US-Dollar ein, bei einem Unentschieden kommt er auf 800.000 und bei einem Gewinn sogar auf eine Million Dollar.

heise online überträgt die Finalpartie morgen ab 14 Uhr. Der Chat-Raum, in dem Live-Kommentare und -Bilder aus Bahrain zu sehen sind, öffnet bereits um 13.30 Uhr. Zu dieser Zeit blenden wir Hinweise und Links auf der Homepage und auf den Chat-Seiten ein. (lab/c't) / (mw)