Sicherheitsprobleme beim geplanten Pfandsystem

Ab Mai 2006 muss die einheitliche Pfandrückgabe funktionieren. Eine Sicherheitstechnik soll Missbrauch verhindern, doch Lidl-Mitarbeiter haben das geplante System im Feldtest problemlos ausgetrickst.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Der Aufbau eines flächendeckenden Systems für die Rücknahme von Einweggetränkepackungen ist ins Stocken gekommen, nachdem Mitarbeiter des Discounters Lidl während eines Feldtests die von der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG) favorisierte Sicherheitstechnik mit einfachsten Mitteln ausgehebelt haben.

Ab dem 1. Mai 2006 muss jeder Laden, der Getränke in Dosen oder Einwegflaschen aus Kunststoff oder Glas verkauft, alle pfandpflichtigen Verpackungen zurücknehmen. Ausgenommen sind Packungen für Milch, Säfte und Wein. Je Dose oder Flasche bekommen die Kunden 25 Cent ausgezahlt. Eine hochkomplexe Infrastruktur soll dafür sorgen, dass die Auszahlungen korrekt zugeordnet werden können. Sie soll nach Schätzung des Einzelhandels bis zu 1,5 Milliarden Euro kosten.

Für den Aufbau des Rücknahmesystems haben Handel und Lebensmittelindustrie im Juni die DPG gegründet. Die schloss bereits im Juli einen Vorvertrag mit der Bundesdruckerei als Generalunternehmerin für ein Sicherheitsverfahren ab. Das System der Bundesdruckerei baut auf der Erkennung einer UV-Sicherheitsfarbe auf, die auf die Verpackungen gedruckt wird.

Lidl-Mitarbeiter hatten sich eine am Markt frei verfügbare fluoreszierende Farbe besorgt. Die mit der Farbe markierten Getränkeflaschen und Dosen wurden von den Leergut-Geräten akzeptiert. Über die Gründe für diese Versuche lässt sich nur spekulieren, da Lidl dazu keine Stellungnahme abgibt. Vermutlich möchte der Discounter die Einführung eines teuren Sicherheitssystems verhindern und präferiert die viel günstigere Barcode-Erkennung ohne Sicherheitsmerkmale.

Wolfgang Ringel von Tomra Systems, dem Entwickler der Erkennungskamera, sagte gegenüber heise online, man habe das UV-Sicherheitsverfahren aus kartellrechtlichen Gründen gegenüber 20 Herstellern offengelegt. Eine Überlistung des Systems sei daher keine große Kunst gewesen. Offensichtlich hätten sich die Werte der Lidl-Farbe mit der Sicherheitsfarbe in dem Messfenster überschnitten.

Die DPG räumte der Bundesdruckerei, dem Tinten-Lieferanten sowie Tomra Systems drei Wochen Zeit zur Nachbesserung ein. Statt des bisher vorgesehen Ein-Punkt-Messverfahrens soll nun ein so genanntes Mehr-Punkt-Messverfahren getestet werden.

Laut Tomra-Manager Ringel ist mit einem Mehr-Punkt-Messverfahren eine Farbverwechslung ausgeschlossen, da die Farbkurve an rund 300 Messpunkten ausgelesen wird. Um dann noch gleiche Werte zu erhalten, müssten die Farben identisch sein. Eine Fälschung ist unwahrscheinlich, da die eingesetzte UV-Farbe mit bestimmten Pigmenten exklusiv für die Bundesdruckerei hergestellt wird. Allerdings, so ist aus Kreisen der Automatenhersteller zu hören, soll das Mehr-Punkt-Messverfahren teurer sein als das Ein-Punkt-Messverfahren. Die Bundesdruckerei lehnte jede Stellungnahme ab.

Vor zwei Wochen hatte die DPG in einem Schreiben an Unternehmen, die an der Entwicklung eines Rücknahmeautomaten beteiligt sind, angekündigt, man werde auch ein Sicherheitsverfahren auf Basis einer Infrarot-Farbe genauer prüfen. Dieses Verfahren hatte in dem von Industrie und Handel gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger durchgeführten Auswahlverfahren hinter den UV-Verfahren der Bundesdruckerei den zweiten Platz belegt. Nächste Woche will die DPG eine endgültige Entscheidung fällen.

Weltweit werden dreißig Rücknahmesysteme eingesetzt. Sicherheitstechnik nutzt davon nur das seit 2003 in Dänemark installierte System; es arbeitet mit Infrarot-Farbe. Sie gilt jedoch in Herstellerkreisen als weniger sicher als die UV-Farbe. Dänische Hacker hatten vor einem Jahr mit einem Tintenstrahldrucker erfolgreich Etiketten gefälscht und damit das Sicherheitssystem der Automaten ausgetrickst. Die Farbe ist leichter zu beschaffen als die UV-Farbe und außerdem billiger.

Eine Umstellung der vorgesehenen Sicherheitstechnik auf Infrarot-Farbe betrifft nicht nur die Hersteller der Leergutautomaten, sondern auch die Hersteller der für die Zählzentren vorgesehen Automaten. Diese Maschinen müssen einen hohen Durchsatz bewältigen und die Sicherheitsmerkmale in Bewegung mit hohen Lesegeschwindigkeiten erkennen. Die Bundesdruckerei erstellte dafür eine neue Verfahrensbeschreibung. Sie soll Hersteller von Rücknahmeautomaten und elektronischen Erkennungssystemen in die Lage versetzen, ihre Entwicklungen an die neuen Umstände anzupassen. Ob alle Hersteller mitmachen werden, ist noch offen. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (ad)