Spionagefälle: Berlin kritisiert und Washington spekuliert

Nach der Enttarnung zweier mutmaßlicher US-Spione ebbt die Kritik an den Vereinigten Staaten nicht ab. Derweil wird in den USA spekuliert, warum Berlin in so ungewöhnlich öffentlicher Weise Agenten enttarnt.

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Wolfgang Schäuble findet das Abwerben" drittklassiger" Leute "dumm".

Angesichts des neuerlichen Spionagefalls eines von einem US-Geheimdienst angeworbenen deutschen Staatsbediensteten hat Bundesfinanzminister Schäuble das Vorgehen der USA als "sowas von blöd" bezeichnet. Dabei bezog er sich aber nur auf den Ansatzpunkt der US-Spione: "Dass die Amerikaner drittklassige Leute bei uns anwerben dürfen. [...] über so viel Dummheit kann man auch nur weinen", sagte er auf einer Veranstaltung des Fernsehsenders Phoenix. Ansonsten mahnte er in der Debatte über die US-Spionage aber zu Zurückhaltung. Insgesamt solle man "die Kirche zwischendurch auch mal im Dorf lassen". Er fühle sich "von den Amerikanern weniger bedroht als von manchen anderen in der Welt".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Unterdessen hat auch Verteidigungsministerium von der Leyen, in deren Haus der neue Spionagefall angesiedelt ist, die USA kritisiert. Der Berliner Zeitung sagte sie, durch die Enthüllungen des Edward Snowden sei Vertrauen erschüttert worden. Nun müssten die USA "wieder mit uns eine gemeinsame Sicht darauf entwickeln, wie wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit gestalten wollen." Gleichzeitig gab sie sich aber zuversichtlich, dass man durch Dialog dahin kommen könne. Auch in den USA wächst ihrer Meinung nach die Erkenntnis, dass die Geheimdienste gar nicht so viele Informationen sammeln können, wie sie in verbündeten Staaten Vertrauen zerstören.

In den USA wird derweil eingestanden, dass die beiden Spionagefälle die diplomatischen Beziehungen erschwert haben. Wie die Washington Post berichtet, wird gleichzeitig über Motive für die ungewöhnlich öffentlichen Enttarnungen diskutiert. Als ein möglicher Grund für das Vorgehen wird der innenpolitische Druck auf Bundeskanzlerin Merkel angeführt. Die Snowden-Enthüllungen, inklusive der Überwachung ihres Handys, würden sie "inkompetent" aussehen lassen, ein öffentliches Bild das korrigiert werden solle.

Ein anderes Motiv wird aber auch noch vorgebracht. Demnach will die Bundesregierung mit dem Vorgehen Druck ausüben, um doch noch den Abschluss eines Anti-Spionageabkommens zu erreichen. Deutschland versuche doch schon seit Jahren, in die Five Eyes zu gelangen, jene enge Geheimdienstallianz zwischen den USA, Großbritannien, Kanada und Australien, bei denen der gegenseitige Verzicht auf Spionage offenbar klappt. Dem widersetzten sich aber US-Geheimdienstkreise, weil es zu viele Felder gebe, in denen die Interessen Deutschland und der USA auseinandergingen. (mho)