Spyware-Hersteller: NSO Group-Chef tritt zurück, Mitarbeiter entlassen

Der unter Druck stehende Spyware-Hersteller NSO strukturiert sich um: Ein Wechsel des CEO sowie eine Entlassungswelle sollen einen Käufer anlocken.

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(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

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Das israelische Softwareunternehmen NSO Group steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Firma für Überwachungstechnik wolle sich auf bevorstehende Herausforderungen einstellen und werde daher ein Spar- und Restrukturierungsprogramm umsetzen. Im Zuge dessen sollen 100 der insgesamt etwa 750 Mitarbeiter entlassen werden und der bisherige CEO des Unternehmens, Shalev Hulio, von seiner Rolle zurücktreten. Das berichtet die israelische Zeitung Calcalist.

Neuer CEO soll der bisherige COO (zuständig für das operative Geschäft) Yaron Shoat werden. Hulio werde jedoch weiterhin im Unternehmen tätig sein, sich um Zukäufe kümmern und dabei helfen, einen neuen Besitzer für das Unternehmen zu finden. Das bestätigte die Firma gegenüber Calcalist. Shoat werde als neuer CEO die Entlassungen umsetzen. Ein Kaufinteressent aus den USA hatte sich erst kürzlich wieder zurückgezogen, nachdem die US-Regierung Bedenken geäußert hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hieß es, die NSO Group könne ihre Schulden nicht mehr bedienen.

Die Firma NSO Group ist bekannt für ihre Überwachungssoftware wie Pegasus, die sie an Regierungen und staatliche Behörden in aller Welt lizenziert. Über unentdeckt gebliebene Sicherheitslücken schleust das Unternehmen seine Spyware auf Computer der Zielpersonen und späht sie darüber aus. Die Software ist vom israelischen Staat als Waffe eingestuft und unterliegt daher Exportbeschränkungen; Verträge der NSO Group mit Kunden muss die israelische Regierung gegenzeichnen.

Obwohl Pegasus ausschließlich an "autorisierte" staatliche Kunden verkauft wird, ist der Einsatz der Spyware längst völlig außer Kontrolle geraten: Im Sommer 2021 wurde bekannt, dass auch Staats- und Regierungschefs sowie hunderte Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Gewerkschafter ausgespäht wurden. Auch wurde der NSO Group mehrfach vorgeworfen, Pegasus an autoritäre Staaten zu verkaufen, die damit Oppositionelle und missliebige Journalisten überwachen würden; jedes Mal weist das Unternehmen die Vorwürfe zurück.

Auch mehrere Regierungen und Unternehmen (etwa Microsoft, Meta, Alphabet, Cisco) gingen gegen NSO vor; unter anderem reichte Apple eine Klage wegen gezielter Überwachung ein. Unter dem Druck der Entwicklungen kürzte Israel die Liste der Länder, in die Pegasus exportiert werden darf, drastisch zusammen.

Im November 2021 wurde bekannt, dass auch US-Beamte in Afrika Opfer von Pegasus wurden. Das US-Handelsministerium setzte NSO daraufhin auf eine Sanktionsliste, somit war dem Unternehmen der US-Markt versperrt. Ende des letzten Jahres gab es bereits Gerüchte, NSO würde mit Investoren über einen Verkauf verhandeln; dabei hätte die Pegasus-Entwicklung eingestellt werden können, das Unternehmen hätte sich auf Cyberabwehr und Drohnentechnik konzentriert. Die israelische Polizei nutzt zudem selbst einen Pegasus-Prototyp gegen die eigene Bevölkerung, wie Anfang dieses Jahres herauskam.

Verschärft wird die Lage für die NSO Group auch durch eine Entscheidung des israelischen Verteidigungsministeriums, die Zahl der genehmigten Ausfuhrlizenzen für offensive Cyber-Werkzeuge zu verringern, berichtet Calcalist weiter in seinem Bericht. Dies habe bereits Unternehmen dieser Branche ruiniert. Ungenannten Quellen zufolge, die der NSO Group nahestehen sollen, wird das Unternehmen dennoch für das Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von voraussichtlich etwa 150 Millionen US-Dollar erzielen.

(tiw)