Starlink bringt abgeschotteten Völkern Probleme mit Internetsucht, Pornografie

In Brasilien gibt es noch Völker, die bislang weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten waren. Starlink ändert das – und bringt uns nicht unbekannte Probleme.

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Luftbild auf Fluss, daneben Regenwald

Dank Starlink viel weniger abgelegen: Der Amazonas-Regenwald

(Bild: worldclassphoto/Shutterstock.com)

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Noch vor Monaten weitgehend von der Außenwelt abgeschnittene Völker im Amazonas-Regenwald kommen dank Starlink ins Internet und haben plötzlich ähnliche Probleme, wie Gesellschaften, die schon seit Jahrzehnten online sind. Das geht aus einem Bericht der New York Times über das Volk der Marubo vor, das an einem der abgelegensten Orte der Welt lebt. Seit dort Starlink-Antennen eine Internetanbindung ermöglichen, haben die Menschen demnach mit denselben Herausforderungen zu kämpfen, die etwa auch Deutschland beschäftigen: "Teenager, die nur am Smartphone kleben, Gruppenchats voller Tratsch, süchtig machende soziale Netze, Kontakt zu Fremden, gewalttätige Videospiele, Betrügereien, Desinformation und Minderjährige, die Pornografie schauen".

Wie die US-Zeitung ausführt, handelt es sich bei den Marubo nicht um ein isoliertes Volk, bis zur Ankunft von Starlink war der Kontakt zum Rest Brasiliens aber äußerst begrenzt. So konnten sie etwa bei medizinischen Notfällen per Amateurradio und über mehrere Zwischenstationen aus ihrer Heimatregion der Größe Portugals um Hilfe per Helikopter bitten. Inzwischen gehe das deutlich schneller und das habe auch bereits Leben gerettet, zitiert die Zeitung den Marubo, der für die Einführung von Starlink verantwortlich ist. Enoque Marubo hat demnach bereits vorher in der Stadt gelebt und war nur noch vorübergehend in seinem Dorf. Deshalb sei er es gewesen, den Anführer gefragt hätten, ob und wie sie einen Internetanschluss bekommen könnten.

Die Starlink-Antennen haben die Marubo dann über eine Aktivistin und eine illustre US-Amerikanerin bekommen. Allein letztere hat demnach mehr als 20 Antennen gespendet, die zu Fuß in die abgelegenen Dörfer getragen wurden. Dort werden sie mit Solarenergie betrieben und bringen Smartphones online, die vorher fürs Fotografieren und für Ausflüge in weit entfernte Städte benutzt wurden. Der Internetanschluss sei sofort eine Sensation gewesen, mit schädlichen Folgen: Die Menschen waren wohl so viel online, dass sie nicht mehr gejagt, gefischt oder gepflanzt hätten. Dann würde es aber nichts mehr zu Essen geben. Deshalb sei Starlink eingeschränkt worden, die Internetanbindung sei nun nur noch zwei Stunden am Morgen, fünf am Abend und den ganzen Sonntag aktiv.

Wenn die Internetanbindung aktiv ist, würden viele in dem Dorf nur an ihren Smartphones hängen und vor allem WhatsApp benutzen, der Kontakt zu weit entfernt lebenden Menschen sei viel enger geworden. Das Internet hilft demnach aber auch bei der Schulbildung der Kinder. Gleichzeitig berichtet die US-Zeitung von Beschwerden, dass Kinder und Jugendliche gewalthaltige Videospiele spielen, mit Fremden auf Instagram kommunizieren und pornografische Inhalte austauschen. Und das in einer Gesellschaft, in der man sich nicht einmal öffentlich küsst. Außerdem gibt es die Sorge, dass die jungen Menschen wegen des Internets den Kontakt zu den Traditionen verlieren. Inzwischen gebe es einen heftigen Konflikt über den Umgang mit dem Internet.

Laut dem lesenswerten Bericht gibt es jetzt Pläne, hunderte weitere Völker über Starlink ans Internet anzubinden. Daran gebe es aber auch Kritik. Die verantwortliche Aktivistin weist das zurück und spricht vom jüngsten Beispiel für eine lange Bevormundung. Die Menschen würden die Anbindung wollen und verdienen. Versprochen ist demnach auch Internettraining, bislang habe das aber niemand dort erhalten. Die Zeitung zitiert noch eine Behauptung, laut der ein Schamane die Entwicklung vor Jahrzehnten vorhergesagt habe. Er habe nach Visionen von einem handgroßen Gerät berichtet, dass die Völker an die ganze Welt anbinden werden. Zuerst werde es Positives bringen, habe er geweissagt – aber am Ende schließlich Krieg.

SpaceX baut Starlink seit 2019 auf, mehr als 6000 aktive Satelliten ermöglichen inzwischen schnelle Internetverbindungen. In Zukunft sollen 30.000 Satelliten vor allem Regionen anbinden, bei denen konventionelle Technik nicht wirtschaftlich ist – wofür der Amazonas-Regenwald ein Paradebeispiel ist. Schon seit Beginn des Aufbaus gibt es aber auch Kritik an der mit den Satelliten verbundenen Lichtverschmutzung, die hellen Lichtpunkte sind vor allem für die Astronomie ein Problem, aber auch die private Beobachtung des Nachthimmels wird eingeschränkt. Da neben Starlink noch weitere Konstellationen geplant sind, dürfte das Problem nur noch größer werden.

(mho)