Start geglückt: Das Weltraumteleskop James Webb ist endlich im All

Das Weltraumteleskop James Webb ist ins All geflogen. Bald wird es tiefer ins Universum und weiter zurück Richtung Urknall blicken als alle Teleskope vor ihm.

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Das James-Webb-Weltraumteleskop im Einsatz (künstlerische Darstellung).

(Bild: NASA GSFC/CIL/Adriana Manrique Gutierrez)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Rauch

Es ist vollbracht: Das größte Weltraumteleskop in der Geschichte der Raumfahrt startete am 25. Dezember, erfolgreich und ist jetzt im All. An Bord einer europäischen Ariane-5-Rakete hob das James Webb Space Telescope (JWST) vom Raumfahrtzentrum Guayana bei Kourou in Französisch-Guayana ab.

Einen Monat wird es dauern, bis es seine Zielposition erreicht hat, den Lagrange-Punkt L2, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Während seiner Reise wird der über sechs Tonnen schwere Flugkörper zunächst seine Sonnenschilde und Solarzellen ausklappen. Bis Mitte Januar wird dann auch der 6,5 Meter große Hauptspiegel aus 18 goldbeschichteten Segmenten geöffnet sein. Damit wird das Weltraumteleskop der NASA, ESA und der kanadischen Weltraumbehörde CSA das größte bisher gebaute sein.

Verglichen mit seinem Vorgänger, dem Hubble-Weltraumteleskop, sammelt das Weltraumteleskop James Webb (JWST) zehnmal so viel Licht und ist bis zu hundertmal effizienter. Über tausendmal empfindlicher ist es gar als das bisher beste Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer. Wie Spitzer und anders als Hubble, fängt das JWST langwelligere Infrarotstrahlung auf. Und damit kann es besonders weit in das Universum blicken. Denn da dieses sich ausdehnt, wird das ultraviolette und sichtbare Licht, das sehr ferne Sterne einst ausgesandt haben, auf seinem Weg zu uns in das Infrarotspektrum verschoben.

Wissenschaftler erwarten sich von dem neuen Weltraumteleskop den Blick in eine bisher dunkle Zone. Denn Hubble blickte maximal 13,4 Milliarden Lichtjahre weit und in die Vergangenheit. Zurück bis fast zum Urknall sind es noch einmal einige Hundert Millionen Jahre und in dieser Zeit entstanden die ersten, womöglich noch ganz anders zusammengesetzten, Sterne und Galaxien. Das JWST soll sie aufspüren.

Weltraumteleskop Hubble (105 Bilder)

Der Affenkopfnebel im Orion
(Bild: ESA/Hubble)

Doch auch in andere Zonen des Alls wird das Teleskop spähen: in kosmische Wolken, in denen gerade neue Sterne und Planeten entstehen und durch deren Gas und Staub das Infrarot-Auge einfach hindurchblickt, in Schwarze Löcher, Quasare, und auf die Bewegung bisher kaum bekannter Galaxien, die Rückschlüsse auf die Verteilung Dunkler Materie erlaubt. Und schließlich auf bisher unentdeckte Exoplaneten, indem es gemäß der Transitmethode die minimalen Helligkeitsschwankungen misst, die ein solcher Planet hervorruft, wenn er vor seinem Mutterstern vorbeizieht. Und da ein wenig Sternenlicht auch durch die Atmosphäre eines Exoplaneten scheint, werden Messungen des JWST Rückschlüsse auf die Atmosphärenzusammensetzung erlauben. Dazu dienen Spektrografen, die Strahlung in ihr Spektrum, also ihre Wellenlängenbereiche, auffächern, wie im Regenbogen sichtbaren Lichts. Das Spektrum verrät, welche Gasschichten die Strahlung einst durchquert haben muss.

Das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg war bei der Entwicklung eines der Instrumente des JWST beteiligt: MIRI, eine Kamera und Spektrograf für langwelliges Infrarot. "Unser Filter- und Gitterrad ist ein entscheidendes Bauteil, um in den Spektrallinien von Exoplanetenatmosphären verschiedene Gase aufzuspüren", sagt Oliver Krause vom MPIA. Auch Sauerstoff oder Ozon wird man damit entdecken können. Damit wird JWST wertvolle Puzzleteile für die Suche nach extraterrestrischem Leben beitragen. "Die Suche nach Leben oder gar einer 'zweiten Erde' aber ist nicht Ziel der Mission", stellt Oliver Krause klar. "Wir werden überhaupt erst einmal die chemischen und physikalischen Parameter von Exoplaneten-Atmosphären verstehen müssen, etwas, das ohne das JWST bisher nicht möglich war."

So hilfreich der infrarote Messbereich des JWST für die Wissenschaft ist, so sehr ist es aus technischer Sicht eine Herausforderung. Denn die Messinstrumente müssen extrem kühl betrieben werden. Würden sie noch Wärme (also Infrarotstrahlung) abstrahlen, störten sie sich unweigerlich selbst. Daher kann der eigentliche Betrieb des JWST erst rund sechs Monate nach dem Start, im Sommer 2022, beginnen. Bis dahin wird die Restwärme aus den Instrumenten entwichen sein und sie können bei 40 Kelvin (minus 233 Grad Celsius) arbeiten.

Betrieben wird das JWST am Lagrange-Punkt L2. Dieser Punkt befindet sich entlang einer Umlaufbahn um die Sonne, 1,5 Millionen Kilometer weiter außen als die Bahn der Erde. Eine Seite des Teleskops wird immer nach innen zeigen. Dort befindet sich der tennisplatzgroße Sonnenschild, der das Teleskop vor der Licht- und Wärmestrahlung von Sonne, Erde und Mond schützt. Auch die Antenne befindet sich dort, die dadurch permanenten Kontakt mit dem Deep Space Network der NASA auf der Erde halten kann. Das Teleskop selbst blickt zur anderen Seite, in die Tiefen des Alls. Da es nie nach innen blickt, muss ein Sonnenumlauf, ein ganzes Jahr, vergehen, bis das JWST einmal den gesamten Himmel erfassen kann.

Arbeiten am James-Webb-Weltraumteleskop (18 Bilder)

Das JWST wird im September 2021 für den Versand nach Kourou vorbereitet.
(Bild: NASA)

Bis zum Sommer werden die Wissenschaftler von der Erde noch die Instrumente kalibrieren und die 18 Spiegelsegmente, die den 6,5 Meter großen Hauptspiegel bilden, so exakt ausrichten, dass der Fehler deutlich kleiner ist als die Wellenlänge von Infrarotlicht – das entspricht einem Zehntausendstel der Dicke eines menschlichen Haares. 40 Millionen Arbeitsstunden von Experten aus 14 verschiedenen Staaten sind in den Bau des JWST eingeflossen. Die ersten Überlegungen begannen schon 1989, kurz bevor das Hubble-Weltraumteleskop gestartet wurde. Ende der Neunzigerjahre erwartete man einen Start im Jahr 2007. Dieser Termin verschob sich viele Male. Im gleichen Zeitraum vervielfachten sich die Projektkosten, auf zuletzt 9,7 Milliarden Dollar. Immer wieder musste das technologisch anspruchsvolle Teleskop umgeplant und Qualitätsmängel behoben werden. Für Oliver Krause rechtfertigt das enorme wissenschaftliche Potenzial die Kosten. "Wissenschaftler werden mehrere Jahrzehnte lang mit den JWST-Beobachtungen forschen können."

Auch wenn die Ariane-5 das James-Webb-Weltraumteleskop in eine Flugbahn zum Lagrange-Punkt L2 eingeschossen hat, muss es mit seinen eigenen Triebwerken noch mehrere Manöver vollführen. Das Erste beginnt 12 Stunden nach dem Start. Für die Ariane-5, nach der Falcon Heavy von SpaceX und der Delta IV Heavy die stärkste Trägerrakete der Welt, war es der 112. Start seit 1996 und der 107. erfolgreiche.

(jle)