Studie: Beweise für Copyright-Verletzungen in P2P-Netzen oft unzureichend

Ein Forscherteam der Universität Washingtons nährt mit einer neuen Studie Zweifel an der Beweisführung in vielen Filesharing-Fällen. Die IP-Adresse sei als alleiniges Merkmal zur Identifikation eines P2P-Teilnehmers wenig geeignet.

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Ein Forscherteam der University of Washington untermauert mit einer Studie die wachsenden Zweifel an der Beweisführung der Film-, Musik- und Softwareindustie in Copyright-Fällen gegen Filesharer. Bei ISPs und Universitäten gehen zahlreiche Beschwerden wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen ein. Dabei machen die Vertreter der Inhalteanbieter ihre Vorwürfe zumeist an einer IP-Adresse fest, über die zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Dateien in Filesharing-Netzen bereitgehalten wurden. In solchen Fällen engagierte Rechtsanwälte argumentieren dagegen, dass der vom Gesetz verlangte Nachweis einer tatsächlichen Verbreitung des urheberrechtlich geschützten Materials durch ein Individuum so nicht zu führen sei.

Diese Argumentation wird durch das Ergebnis der Studie gestützt. Das Team um Tadayoshi Kohno hatte im August 2007 gezielte Requests an Bittorrent-Tracker geschickt, um das Verhalten der P2P-Nutzer und die Schwarmbildung in den Netzen zu analysieren. Dabei nutzten die Forscher ein eigenes Verfahren, das die Anmeldung bei einem Tracker und den Austausch mit so genannten Peers (anderen Rechnern) in einem Schwarm (die Gruppe der mit einer bestimmten Datei verbundenen Rechner) erlaubte, ohne dass tatsächlich Daten hoch- oder heruntergeladen wurden. Diese erste Untersuchung von über 55.000 Schwärmen hatte unter anderem ein unerwartetes Ergebnis: 206 Beschwerden von verschiedenen Industrievertretern.

Mit einem zweiten Testlauf im Mai 2008 wollten die Forscher auch der Fragestellung nachgehen, ob sich die Copyright-Fahnder manipulieren ließen. Mit über 27.000 untersuchten Schwärmen brachten es die Forscher diesmal auf 281 Beschwerden. Da wieder keine Daten geflossen waren, schlossen die Wissenschaftler, dass die Rechteinhaber ihre Anschuldigungen alleine auf eine IP-Adresse stützen, ohne die tatsächliche Verteilung einer Datei und deren Inhalt zu prüfen. Darüber hinaus gelang es ihnen, die IP-Adresse zu manipulieren. Damit können unter Umständen unschuldige Dritte ins Visier der Rechteinhaber geraten.

Auf diese Art sorgten Kohno und seine Mitstreiter unter anderem dafür, dass drei unschuldige Netzwerkdrucker Post von der Inhalteindustrie bekamen. Zwar seien nur wenige Beschwerden aufgrund der manipulierten IP-Adressen eingegangen, erklärten die Forscher, doch weise das Ergebnis auf grundlegende Schwächen in der Ermittlungs- und Beweisführung der Inhalteanbieter hin. Sie schließen die Existenz weiterer Schwachpunkte nicht aus und fordern die Industrie zu mehr Transparenz auf. Gleichzeitig sollten betroffene Universitäten und ISPs den Beschwerden mit mehr Skepsis begegnen, weil es relative leicht sei, als Unschuldiger ins Visier der Ermittler zu geraten. (vbr)