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Nikon Z6 und Z7: Spiegellose Systemkameras mit Vollformatsensor 782 Kommentare

Peter Nonhoff-Arps
Nikon Z7

(Bild: Nikon)

Nikon stellt seine ersten spiegellosen Systemkameras mit Vollformatsensor vor. Die Z7 hat einen 45,7 Megapixel-Chip, die Z6 einen mit 24,7 Megapixeln.

Fast genau vor fünf Jahren stellte Sony mit den Alpha 7 und Alpha 7R [1] seine ersten beiden spiegellosen Vollformat-Systemkameras vor. Nun ist auch Nikon soweit und präsentiert die Z6 und Z7. Nach Aussagen von Nikon kommt derzeit fast jede dritte verkaufte Vollformat-Systemkamera (30 %) von Sony. Bei den spiegellosen Systemkameras mit Kleinbildsensor sind es sogar 100 %, da sich bislang nur Sony in dem Bereich tummelt. Canon beschränkt sich hier derzeit noch auf das APS-C-Format. Fujifilm hat das Vollformat übersprungen und bietet mit der GFX 50S ein Mittelformat-Modell an.

Nikons spiegeloses System mit Z-Bajonett (0 Bilder) [2]

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Nikon will mit seinen Neulingen natürlich gleich alles richtig machen und keine Kompromisse eingehen. So lehnen sich deren Technik, Ausstattung und Bedienung weitgehend an die aktuelle digitale Spiegelreflexkamera (DSLR) D850 an, die wir von c't Fotografie bereits ausführlich getestet haben [4]. Die Z7 besitzt einen hochauflösenden Sensor mit 45,7 Megapixeln und BSI-Technik (back side illumination). Die Empfindlichkeit gibt Nikon mit ISO 64 bis ISO 25.600 an, erweiterbar auf ISO 32 bis ISO 102.400. Zum Scharfstellen bietet die Kamera einen Hybrid-Autofokus mit 493 Messpunkten. 273 sind als Phasenmesspunkte ausgelegt. Sie decken einen Bereich von 93 Prozent der Sensorfläche ab. Das ist bei der D850 bauartbedingt deutlich weniger – ein klarer Vorteil der Spiegellosen. Die Serienbildrate soll neun Aufnahmen pro Sekunde betragen bei voller Autofokusunterstützung (AF-C).

Die Z6 bietet ebenfalls einen Kleinbildsensor in BSI-Technik, jedoch mit 24,7 Megapixeln Auflösung. Der Autofokus deckt hier ebenfalls 93 Prozent der Sensorfläche ab, muss sich aber mit 273 Messpunkten begnügen. Gegenüber der Z7 ist der Empfindlichkeitsbereich etwas nach oben erweitert und reicht von ISO 100 bis ISO 51.200 (bzw. erweitert ISO 50 bis ISO 204.800). Für den Serienbetrieb nennt Nikon zwölf Bilder pro Sekunde. Rein äußerlich sind die beiden neuen Modelle nahezu identisch. Die kürzeste Belichtungszeit beträgt 1/8000 Sekunde.

Nikon Z6 mit offenem Bajonett

Das neue Bajonett an den Kameras von Nikons Z-Serie bietet einen großen Durchmesser für lichtstarke Optiken. Der große Vollformatsensor liegt nur wenige Millimeter hinter dem Objektivring.

(Bild: Nikon)

Bei seinen spiegellosen hat sich Nikon dazu entschlossen, ein neues Bajonett mit einem Innendurchmesser von 55 Millimetern einzuführen – das Z-Bajonett. Als Konsequenz wird der Hersteller damit auch eine ganz neue Objektivserie ins Leben rufen. Das gegenüber den DSLRs wesentlich geringe Auflagenmaß (Abstand zwischen Bajonett und Bildfläche) von lediglich 16 Millimetern erlaubt es, leichtere Optiken mit verbesserten Eigenschaften vor allem im Randbereich zu entwickeln. Die große Öffnung direkt vor dem Sensor eignet sich für Objektive mit einer Lichtstärke von f/0.95. Beim F-Mount waren es lediglich f/1.4. Auch hier kann das spiegellose System seine Vorteile ausspielen. Zur Kommunikation zwischen Kamera und Objektiv stellt der Anschluss elf Kontakte zur Verfügung – einer mehr als beim F-Mount. Es wird gleich zur Einführung einen FTZ-Bajonettadapter geben, der volle Kompatibilität zu 363 bisher gefertigten Nikkor-Objektiven gewährleisten soll.

Beide Modelle bieten einen Sensor-basierten Bildstabilisator, dessen Wirksamkeit einem Gewinn von fünf Blendenstufen entsprechen soll. Das ist ein Novum bei Nikon. Laut Nikon soll er auch problemlos mit stabilisierten Objektiven zusammenarbeiten. Ob sich beide in ihrer Funktion auch ergänzen können, ist bislang nicht bekannt.

Bei der Ergonomie und Bedienung orientieren sich die beiden Kameras an den bewährten Konzepten der Nikon-DSLRs. Die Menüs sind sehr ähnlich aufgebaut. Die Ergonomie ist auf den ersten Blick und nach ersten haptischen Tests sehr gelungen. Die Kameras liegen mit ihrem ausgeprägten Griffwulst trotz ihrer geringeren Abmessungen sehr gut in der Hand. Selbst mit schweren, adaptierten F-Mount-Objektiven klappt die Handhabung reibungslos. Es entsteht kein David-gegen-Goliath-Gefühl. Beide Gehäuse sind wie die D850 gegen Staub und Spritzwasser geschützt und aus einer Magnesium-Legierung gefertigt.

Sucher der Nikon Z7

Nikons spiegellose Systemkameras Z6 und Z7 sind mit einem elektronischen Sucher ausgestattet, der eine hohe Auflösung von 3,69 Megapixeln bietet und dank seiner hochwertigen Optik eine Vergrößerung von 0,8x.

(Bild: Nikon)

An der Rückseite hat Nikon einen neigbaren Monitor mit Touch-Funktion untergebracht, der eine Diagonale von acht Zentimetern (3,2 Zoll) und eine Auflösung von 2,1 Megapixeln besitzt. Der Sucher ist bei der Z-Serie elektronisch mit OLED-Technik ausgelegt. Er bietet eine hohe Auflösung von 3,69 Megapixeln und mit seiner aufwändigen Optik einen Vergrößerungsfaktor von 0,8. Zum Vergleich: Sonys A7R III bietet dieselbe Auflösung bei einer 0,78-fachen Vergrößerung. Auf der Oberseite ist ein monochromes Schulter-LC-Display untergebracht, wie man es von der Fujifilm X-H1 oder GFX 50S kennt. Es informiert den Fotografen zusätzlich über die aktuell eingestellten Belichtungsparameter.

An Bord haben die beiden Spiegellosen WLAN und Bluetooth, um sie per SnapBridge mit anderen Smart-Geräten zu verbinden. Via WLAN lassen sich Bilder und Filme direkt auf einen Computer übertragen. Zum Lieferumfang gehört ein LiIonen-Akku vom Typ L15. Es ist der gleiche wie in der D850. Die Kapazität soll für 700 bis 800 Bilder reichen. Derzeit befindet sich ein Multifunktionshandgriff (MB-N10) in der Entwicklung, der zwei weitere Akkus aufnehmen kann und die Kapazität um das 1,8-fache erweitern soll. An dieser Stelle sei ein kleiner Wermutstropfen erwähnt: Die Z-Modelle besitzen lediglich einen Kartenslot für XQD-Karten, der auch zukünftige CFX-Karten akzeptieren soll. In dieser Klasse kann man durchaus zwei Slots erwarten, was inzwischen auch Sony bei der A7R III erkannt hat.

Spiegellose Systemkameras sind nicht nur bei Foto-, sondern auch bei Videografen beliebt. So hat Nikon bei den beiden Neulingen auf diese Disziplin ein besonderes Augenmerk gelegt. Die Z6 und die Z7 nehmen 4k-UHD-Filme (3840 × 2160) mit 30p auf Basis des FX-Filmformats auf. Zusätzlich unterstützen sie auch Full HD-Filme (1920 × 1080) bis 120p. Filmer können während er Aufnahme auf Funktionen wie Active D-Lighting, einen elektronischen Bildstabilisator und Focus Peaking zurückgreifen. Ist ein Nikkor-Z-Objektiv angeschlossen lassen sich Fokus, Blende und Belichtung besonders geräuscharm einstellen. Die Videosequenzen lassen ich wahlweise auf die eingesteckte Speicherkarte speichern oder mit 10 Bit Auflösung über den HDMI-Anschluss ausgeben.

Nikkor Z 24-70 mm 1:4 S

Passend zum neuen Z-Bajonett startet Nikon mit drei neuen Objektiven, hier das Nikkor Z 24-70 mm 1:4 S.

(Bild: Nikon)

Nikon zeigt seinen Objektivfahrplan bis 2020.

Nikon zeigt seinen Objektivfahrplan bis 2020.

(Bild: Nikon)

Zum Start der Z-Serie wird es drei Z-Objektive des sogenannten S-Serie geben: das Z 24-70 mm 1:4 S, das Z 35 mm 1:1.8 S sowie das Z 50 mm 1:1.8 S. Dabei sollen die f/1.8er Lichtstärken in ihrer optischen Leistung gleichwertig sein zu den F-Mount-Nikkoren mit f/1.4 sein. Gleich zu Beginn soll auch der Bajonetadapter FTZ erhältlich sein. Ein Blick auf die Roadmap zeigt, dass Nikon für 2019 sechs weitere S-Line-Objektive plant, darunter ein Z 58 mm f/0.95 für höchste Lichtempfindlichkeit. Desweitern soll es drei Zoom-Optiken geben: ein lichtstarkes Standardzoom und ein lichtstarkes Telezoom (f/2.8) sowie ein Weitwinkelzoom der Lichtstärke f/4.0. Ebenso sollen sich zwei f/1.8er-Festbrennweiten mit 20 und 85 Millimetern in der Entwicklung befinden. 2020 sollen dann noch einmal drei lichtstarke Optiken folgen.

Den Start macht die Nikon Z7. Sie wird voraussichtlich ab Ende September – eventuell schon zur Photokina – erhältlich sein. Zunächst wird Nikon die Kamera nur im Kit anbieten. Die günstigste Version soll für 3850 Euro erhältlich sein. Das Kit umfasst den Body sowie den FTZ-Bajonettadapter. Das zweite Kit enthält das Standardzoom Z 24-70 mm 1:4 S und kostet 4300 Euro. Das Kit mit Zoom und Adapter kostet schließlich 4450 Euro.

Die Z6 soll es ab Ende November geben. Hier wird es Kits in gleicher Konfiguration geben. Die Preise beginnen bei 2450 Euro mit Adapter, es folgen 2900 Euro mit Zoom und 3050 Euro für das Dreierset.

Das 24-70-mm-Zoom und die 35-mm-Festbrennweite sollen zum Start Ende September erhältlich sein. Das Z 24-70 mm 1:4 S soll 1100 Euro, das z 35 mm 1:1.8 S 950 Euro Kosten. Das Z 50 mm 1:1.8 S soll Ende Oktober zum Preis von 680 Euro folgen. Der FTZ-Objektivadapter soll einzeln 300 Euro kosten.

Wie nicht anders zu erwarten war, legt Nikon bei den Spiegellosen mit Kleinbildsensor einen soliden Start hin. Der Hersteller orientiert sich intern an der D850 und nach außen hin am Sony-System. Mit den neuen spiegellosen Systemkameras wendet sich Nikon bewusst nicht an Einsteiger, sondern gleich an ambitionierte (Nikon-) Fotografen, die die Vorteile des spiegellosen Systems auskosten wollen, aber gleichzeitig ihre alten Nikon-Optiken weiter nutzen möchten.

Nun darf man gespannt sein, was Canon in diesem Jahr noch aus dem Hut zaubern wird. Die Vermutung liegt nahe, dass sie es Nikon gleichtun werden und ebenfalls ein oder zwei Modelle auf Basis der 5D Mark IV und 6D Mark II inklusive eines neuen Bajonettes, EF-Adapter und einer neuen Objektiv-Reihe präsentieren werden. (pen [5])


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[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4143709.html?back=4143533;back=4143533
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4143709.html?back=4143533;back=4143533
[4] https://shop.heise.de/katalog/test-nikon-d850-vs-canon-eos-5d-mark-iv
[5] mailto:pen@ct.de