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TKG-Novelle: "Zu wenig Licht und zu viel Schatten"

Volker Briegleb

Mit der TKG-Novelle will die Bundesregierung vor allem den Breitbandausbau ankurbeln. Ein großer Wurf ist das aber nicht, kritisieren die Netzbetreiber.

(Bild: ThomBal / Shutterstock.com)

Kurz vor Weihnachten einigt sich das Kabinett auf die umstrittene Novelle des TK-Rechts und bringt mit dem Schnellschuss die ganze Branche gegen sich auf.

Das Kabinett hat am Mittwochmorgen wie erwartet die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auf den Weg gebracht. Das in einzelnen Punkten heftig umstrittene Gesetzesvorhaben solle "einen maßgeschneiderten und zukunftsorientierten Rechtsrahmen für den deutschen Telekommunikationsmarkt und die Endkunden" schaffen, teilten die Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWI) sowie für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Berlin mit. Dafür sei das geltende Telekommunikationsgesetz (TKG) vollständig überarbeitet und neu gefasst worden.

Das "Telekommunikationsmodernisierungsgesetz" soll den Ende 2018 in Kraft getretenen Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation [1] in deutsches Recht umsetzen. Die Frist dafür läuft Ende 2020 ab. Bis das neue TKG wirksam werden kann, sind allerdings noch Bundestag und Bundesrat am Zug – Deutschland ist also spät dran. Das hat auch dazu geführt, dass die Bundesregierung das Tempo verschärft hat, die [2] gesetzlich vorgeschriebene Anhörungen der betroffenen Wirtschaftszweige und zivilgesellschaftlichen Gruppen mit nur wenigen Tagen äußerst knapp ausfallen sind.

Wirtschaftsvertreter kritisieren dieses Hauruck-Verfahren scharf, denn das umfangreiche Vorhaben berührt eine große Bandbreite an Themen – von Marktregulierung über Netzausbau und bis zu Verbraucherrechten. "Das wichtigste Ziel des Europäischen Kodex für elektronische Kommunikation war es, den Breitbandausbau zu beschleunigen. Aber anstatt die Richtlinie zügig umzusetzen, haben sich die zuständigen Ministerien in immer neuen Gesetzesideen verloren. Das gesamte Verfahren hat für die betroffenen Unternehmen vor allem zu mehr Unsicherheit geführt", kritisiert Bitkom-Chef Achim Berg.

Eines der zentralen Ziele des EU-Kodex ist die Festschreibung eines Rechts auf schnelles Internet – ein zeitgemäß flotter Internetzugang wird damit in den Rang eines Universaldienstes erhoben, zu dem jeder Bürger Zugang haben muss. Das soll nun mit dem TKG umgesetzt werden: "Mit diesem Gesetz schaffen wir gleichwertige Lebensverhältnisse", freut sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Egal, ob ich mich für ein Leben auf dem Land oder in der Stadt entscheide, künftig haben alle ein gesetzlich verankertes Recht auf schnelles Internet."

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 20.10.2019 auf einer Veranstaltung von BDI und Fraunhofer IUK

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will mit dem TKG das Recht auf schnelles Internet einführen.

(Bild: heise online/vbr)

Doch bleibt das TKG bei der Feststellung, was eine zeitgemäße Mindestbandbreite ist, hinter den Erwartungen zurück [3]. Ein Internetanschluss soll laut Bundesregierung die im EU-Kodex festgelegten Standardanwendungen wie E-Mail, Medienkonsum, Online-Banking oder Videokonferenzen schaffen und sich zum Beispiel "für Teleheimarbeit im üblichen Umfang" eignen. Die dafür nötige Bandbreite soll die Bundesnetzagentur festlegen und dabei den Durchschnitt der genutzten Bandbreite von "mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet" heranziehen. In einem früheren Entwurf war noch von der "Mehrheit der Verbraucher" die Rede.

Wie sich das auf den ermittelten Wert auswirkt, hatte der Duisburger Telekommunikationswirtschaftler Torsten Gerpott Anfang November erklärt: So seien "mehr Leute dabei, die weniger Bandbreite haben" – und das senkt den Schnitt. Laut Schätzung des Verbands VATM haben etwa 47 Prozent der hiesigen Kunden eine Bandbreite von über 50 MBit/s. Ziehe man die geplanten 80 Prozent der Kunden heran, läge die Mindestgeschwindigkeit momentan bei 16 MBit/s. Die Grünen im Bundestag nennen das eine "Mogelpackung" und fordern klare Bandbreitenvorgaben. Der Netzbetreiberverband Breko fordert überdies, dass bei der Grundversorgung auch Funkzugänge berücksichtigt werden müssten.

Auch will die Bundesregierung mit dem TKG die Verbraucherrechte von Vertragskunden stärken [4]. Über das Thema haben die Ministerien lange gestritten, was die Veröffentlichung des Entwurfs immer wieder verzögert hat. Die für den Verbraucherschutz zuständige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte gegen Widerstände vor allem aus dem Bundeswirtschaftsministerium auf kürzeren Vertragslaufzeiten und leichterer Kündigung bestanden [5]. Das bringt die Netzbetreiber auf die Barrikaden: VATM-Chef Jürgen Grützner will die kürzere einmonatige Kündigungsfrist "in vollem Umfang" mittragen, kritisiert aber die Kompromissregelungen zu Vertragslaufzeiten als "unverantwortbare nationale Eingriffe in das Vertragsrecht und neue zusätzliche Bürokratie".

Fallen soll das sogenannte Nebenkostenprivileg – und zwar jetzt schon zwei Jahre nach Inkrafttreten des TKG und nicht mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren [6], wie es zunächst geplant war. "Das ist ein schwerwiegender Eingriff in bestehende Verträge, der langfristig kalkulierte Investitionen entwertet", kritisiert Thomas Braun, Präsident des Kabelnetzbetreiberverbands Anga. Wohnungswirtschaft und Kabelnetzbetreiber kritisieren das Vorhaben scharf und verweisen darauf, dass eine Abrechnung der Kosten von Hausverteilnetzen über die Miete auch eine Chance für die Beschleunigung des Glasfaserausbaus sei.

(Bild: heise online/vbr)

Doch den Ausbau zukunftsfähiger Netze will die Bundesregierung anders ankurbeln. "Mit dem Gesetz geben wir wichtige Impulse für einen schnelleren und flächendeckenden Ausbau von Gigabitnetzen", erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Wir setzen Anreize für Investitionen und Innovationen, um den marktgetriebenen Ausbau der digitalen Infrastruktur voranzubringen." So sollen neue Regelungen die langwierigen Genehmigungsverfahren vereinfachen. Alternative, aber bisher noch wenig eingesetzte Verlegeverfahren wie Trenching und oberirdische Verlegung sowie die Mitnutzung bestehender Infrastrukturen sollen erleichtert werden.

Auch bei der Regulierung will die Bundesregierung die Zügel lockern, um den Breitbandausbau voranzutreiben. Unter bestimmten Umständen sollen auch nicht-dominante Anbieter gezwungen werden können, ihre Netze für Wettbewerber zu öffnen. Auch sollen marktmächtige Unternehmen wie die Telekom nicht mehr zwingend reguliert werden, wenn sie freiwillige Zugeständnisse machen oder kooperativ ausbauen. Darüber hinaus sollen Zugangs- und Entgeltverpflichtung entkoppelt werden, damit Unternehmen die Preise untereinander aushandeln kann. Die Bundesnetzagentur soll insgesamt weniger vorab regeln, sondern den Fokus auf nachträgliche Missbrauchskontrolle legen.

Die Netzbetreiberverbände attestieren dem aktuellen TKG-Entwurf noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. "Der große, mutige Schritt in Richtung Glasfaser-Zukunft fehlt", sagte Breko-Chef Stephan Albers. "Wir hätten uns im Gesetzentwurf ein klares Bekenntnis für eine zukunftsfähige und belastbare digitale Infrastruktur gewünscht." Insgesamt "zu wenig Licht und zu viel Schatten", bilanziert VATM-Chef Grützner den aktuellen Entwurf. Die Lockerung der Zugangsregulierung geht dem VATM zu weit, zumal der von Brüssel ausdrücklich geforderte Zugang zur passiven Infrastruktur der Telekom nicht vollständig umgesetzt werde. Der Buglas kritisiert die Vorgaben zur symmetrischen Regulierung. "Aus Sicht des Buglas werden damit die Risiken des Netzausbaus erhöht und dieser insbesondere dort gebremst, wo er am dringendsten nötig ist", sagte Verbandschef Wolfgang Heer.

Auch der Bitkom-Chef zeigt sich "inhaltlich enttäuscht" von dem Entwurf, der die hohen Erwartungen nicht erfüllt habe. "Wir begrüßen zwar die vorgesehenen Erleichterungen beim Gigabit- und 5G-Ausbau im Wegerecht. Hier baut der Gesetzesentwurf Hürden ab", sagte Berg. "Was jetzt kommt, ist eine neue staatliche Planungsbürokratie, die den wettbewerblichen Netzausbau erschwert. Außerdem wird das Ziel einer europäischen Harmonisierung im Verbraucherschutz konterkariert. Die betroffenen Unternehmen müssen ausreichend Zeit bekommen, die neuen Vorgaben umzusetzen."

(vbr [7])


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/EU-Kosten-fuer-Ferngespraeche-sinken-Gigabitnetze-sollen-kommen-4240539.html
[2] https://www.heise.de/news/TKG-Novelle-Bundesregierung-draengt-mit-unfertigem-Entwurf-zur-Eile-4950855.html
[3] https://www.heise.de/news/TKG-Novelle-Recht-auf-schnelles-Internet-wird-geschmaelert-4952318.html
[4] https://www.heise.de/news/Ungewollte-Vertraege-lange-Laufzeiten-Einfacher-kuendigen-durch-Verbraucherrecht-4990456.html
[5] https://www.heise.de/news/Regierungsstreit-ueber-Vertragslaufzeiten-verzoegert-TKG-Novelle-4940728.html
[6] https://www.heise.de/news/TKG-Novelle-So-viele-Seiten-so-wenig-Zeit-4986321.html
[7] mailto:vbr@heise.de