Türkische Regierung verlangt von Twitter zur Wahl temporäre Inhaltssperren

Zur Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei blockiert Twitter auf Regierungswunsch "bestimmte" Inhalte. Auf Kritik daran reagiert Elon Musk dünnhäutig.

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(Bild: InFootage.com/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Der Kurznachrichtendienst Twitter sperrt in der Türkei auf Anforderung der Regierung kurzfristig und vorübergehend bestimmte Inhalte. Anlass ist die gleichzeitige Parlaments- und Präsidentschaftswahl in dem Land an diesem Sonntag (14. Mai). Das Unternehmen gab die Entscheidung selbst in mehreren knappen Tweets bekannt – auf Englisch und auf Türkisch. Jedoch erfährt man daraus weder den konkreten Anlass für die Sperren, noch welche Inhalte blockiert werden und für wie lange.

Unter dem Twitter-Firmennutzerkonto für weltweite Regierungsangelegenheiten schreibt das Unternehmen am Freitag, man blockiere "manche Inhalte" als Reaktion auf Gesetzesvorschriften und um Twitter weiterhin "für das türkische Volk" verfügbar zu machen. Weiterhin betont Twitter, dass man die von einer Blockade betroffenen Nutzer informiere und dass dies alles in Einklang mit den Firmenrichtlinien geschehe. Außerhalb der Türkei seien diese Inhalte weiterhin sichtbar. Damit ist die Sperre seit Samstag in Kraft, dem letzten Tag des Wahlkampfs zwischen den Parteien und den Präsidentschaftskandidaten – unter den Letzteren gilt Kemal Kılıçdaroğlu als einziger aussichtsreicher Gegenkandidat zum Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan.

Ohne weitere Angaben zu den Umständen der Sperren liegen Spekulationen in verschiedene Richtungen nahe – und die ließen nicht auf sich warten. Der US-amerikanische Blogger und Journalist Matthew Yglesias behauptete auf Twitter, die Sperre sei durch die türkische Regierung veranlasst worden und ziele darauf, die Opposition bei der Wahl zu "zensieren" – Belege für seine Aussagen lieferte er jedoch nicht. In einer Spitze gegen den Twitter-Besitzer schrieb er außerdem, Elon Musk habe der Anfrage entsprochen, was später eine "interessante Twitter-Files-Reportage" ergeben könnte. Yglesias spielt damit an auf die von Elon Musk und dem Journalisten Matt Taibbi herausgebrachten Interna der Twitter-Führungsriege (vor der Übernahme durch Musk), die vor allem vermeintliche Willkür bei Sperrungen von Tweets anprangerten.

Musk wiederum ließ die Spitze in seiner gewohnt dünnhäutigen Art nicht lange auf sich sitzen und antwortete polemisch, Yglesias begreife nicht die Tragweite der Entscheidung: Twitter habe nur die Wahl gehabt, bestimmte Tweets zu blockieren, oder insgesamt in der Türkei abgeschaltet zu werden. Im weiteren Verlauf der teils hitzigen Debatte auf Twitter kündigt er außerdem an, die Anforderung der Regierung für die Blockade zu veröffentlichen. Bis zum Sonntagnachmittag ist davon jedoch noch nichts zu sehen (die Wahllokale in der Türkei schließen um 16 Uhr deutscher Sommerzeit).

In der Türkei gelten für Online-Plattformen wie Twitter besondere Regeln. Die Firma musste etwa wegen eines Social-Media-Gesetzes in dem Land eine eigene Niederlassung mit örtlichem Vertreter einrichten, damit die Kommunikation mit Regierung und Behörden einwandfrei klappt. Twitter hatte zuvor gegen das 2020 erlassene Gesetz verstoßen und sich damit ein Werbeverbot eingehandelt. Bei Zuwiderhandlung gegen das Social-Media-Gesetz droht betroffenen Plattformen eine Sperre in Gestalt einer Bandbreitendrosselung oder einer Blockade der Zieldomain.

Außerdem verpflichtet ein Gesetz zur Bekämpfung von Onlinekriminalität solche Plattformen zu aktiven Gegenmaßnahmen. Immer wieder lässt die türkische Regierung unliebsame Äußerungen auf Twitter durch einzelne Sperren oder Totalblockade unterdrücken, zuletzt etwa bei dem verheerenden Erdbeben im Februar dieses Jahres.

(tiw)