UN-Konvention zu Cybercrime: Entscheidung vertagt

Die UN-Mitgliedsstaaten streiten weiter um Details der geplanten Konvention gegen Cybercrime. Es geht auch um die Wahrung von Bürgerrechten.​

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UN-Gebäude in New York

Der New Yorker UN-Sitz.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die Mitglieder der Vereinten Nationen (UN) konnten sich in der vergangenen Woche nicht wie geplant auf eine Konvention gegen Cyberkriminalität verständigen. Die Verhandlungen müssen nun in eine Extrarunde im Sommer, wenn die Konvention noch rechtzeitig vor der nächsten Generalversammlung im September stehen soll.

Die geplante Konvention soll den Kampf gegen Computerkriminalität international verbessern und zugleich den Austausch elektronischer Beweismittel ermöglichen. Bisher konnten sich die Regierungen weder darauf einigen, welche Delikte die UN Cybercrime Convention erfassen soll, noch auf die genauen Regeln für Zusammenarbeit und Amtshilfe.

Die Technologiebranche, Security-Forscher und Bürgerrechtsorganisationen warnen vor möglichen Einschränkungen für die Sicherheitsforschung. Auch befürchten sie Eingriffe in Bürgerrechte und kritisieren den viel zu breit und vage ausgelegten Anwendungsbereich.

Maßnahmen wie der direkte Durchgriff der Behörden eines Landes auf Internet Service Provider eines anderen UN-Mitglieds, wie sie im zweiten Zusatzprotokoll der europäischen Budapest-Konvention zur Computerkriminalität vereinbart wurden, sind zwar nicht Bestandteil der UN-Pläne. Trotzdem sei Budapest durchaus ein Vorbild, erklärte Alexander Seger, Sekretär des Vertragskomitees der Budapest-Konvention gegenüber heise online.

Nach wie vor sind zentrale Regelungsinhalte umstritten – selbst beim Thema Kindesmissbrauch, wo eigentlich große Übereinstimmung herrscht. Artikel für Grundrechtsgarantien sind zwar vorgesehen. Doch in der aktuellen Textfassung finden sich an den entsprechenden Stellen nur Artikelnummern als Platzhalter.

Die algerische Diplomatin Faouzia Boumaiza-Mebarki hat als Vorsitzende der Arbeitsgruppe einen Kompromissvorschlag für einige der umstrittenen Artikel vorgelegt. Demnach sollen sich die Staaten grundsätzlich dazu verpflichten, dass ihre Umsetzung der UN Cybercrime-Konvention mit internationalen Menschenrechten vereinbar ist. Auch die Bedingungen, unter denen die Strafverfolgung harmonisiert werden soll, sind bislang nur im Kompromissvorschlag der Vorsitzenden ausformuliert.

Einer der vielleicht heikelsten Punkte sei der umkämpfte Artikel 17, der inzwischen als Artikel 60 ans Ende des Textes gerutscht ist, sagt Seger. Er liest sich wie eine Art Universalklausel: Straftaten, die in anderen UN-Konventionen oder Protokollen kriminalisiert sind, sollen auch nach der neuen Cybercrime-Konvention verfolgt werden, sofern ein informationstechnisches System mit im Spiel war.

Im Abschnitt über die "Internationale Zusammenarbeit" – dem längsten Abschnitt des gut 40-seitigen Vertrags - wird nicht nur Amtshilfe beim Zugriff auf Bestands-, Verbindungs- und andere Metadaten sowie Kommunikationsinhalten geregelt. Vertragsstaaten sollen laut Artikel 50 auch beim Aufspüren, Einfrieren und letztlich auch bei der Übertragung von Gütern, Ausrüstung oder anderer "Tatmittel" aus Verbrechen helfen.

Seger verweist in diesem Zusammenhang auf einen Fall, in dem die Konten eines beim russischen Präsident Wladimir Putin in Ungnade gefallenen Autors eingefroren wurden, sondern auch dessen Bücher in Buchhandlungen eingesammelt wurden.

Den russischen Vertretern hingegen geht der Anwendungsbereich der Konvention noch nicht weit genug. Sie haben eine lange Wunschliste, die sie in die Konvention aufnehmen wollen. Ganz oben stehen dabei Extremismus, Terrorismus und Rassismus. Damit haben sie in den laufenden Verhandlungen bisher keine Chance. Die russischen Vertreter haben insoweit eingelenkt, als sie den Vorschlag der Vorsitzenden, die Wunschliste in ein Zusatzprotokoll aufzunehmen, gutheißen.

Die Regierungen müssen bis zum Sommer Einigkeit über den Text der Konvention erzielen. Laut dem von der Generalversammlung überlassenen Mandat müssten sie ihre Arbeit noch in der Periode der 78. Generalversammlung abschließen. Die endet am 26. September.

Sollte die Konvention scheitern, dürfte sich die Trauer bei den zahlreichen Kritikern in Grenzen halten. Allerdings glauben Beobachter der UN-Debatten, dass angesichts zunehmender Verluste durch Cyberkriminalität mittelfristig kein Weg an einem internationalen Vertrag vorbeiführt.

(vbr)