VDSL-Turbo Vectoring: Beirat der Bundesnetzagentur sieht Nachbesserungsbedarf

In der hitzigen Debatte über Vectoring im Nahbereich der Hauptverteiler will die Politik für etwas Abkühlung sorgen. Der Beirat der Bundesnetzagentur sagt “Ja” zum Vectoring, teilt in einzelnen Punkten aber die Kritik der Wettbewerber.

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Vectoring: Beirat der Bundesnetzagentur sieht Nachbesserungsbedarf

(Bild: c't)

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Der Beirat der Bundesnetzagentur sieht noch offene Fragen bei dem Regulierungsentwurf für Vectoring im Nahbereich der Hauptverteiler des Telekom-Netzes. Das mit Vertretern des Bundestags und der Landesregierungen besetzte Gremium hatte bereits leise Kritik am Entwurf geäußert. In einem am Montag gefassten Beschluss fordert der Beirat die zuständige Beschlusskammer nun auf, den im November vergangenen Jahres vorgelegten Entwurf an einigen Punkten nachzubessern. Darin thematisiert der Beirat auch die Fragen, an denen sich die Kritik der Wettbewerber besonders heftig entzündet hatte.

Die Politik setzt auf die Brückentechnik Vectoring, um die Breitbandpläne der Bundesregierung kurzfristig voranbringen zu können. Das Vectoring-Verfahren habe sich dafür als “technisch kluger Weg” erwiesen, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister und stellvertretende Beiratsvorsitzende, Olaf Lies (SPD). Im Nahbereich der Hauptverteiler (Hvt) will die Telekom mittels Vectoring rund 1,4 Millionen Haushalte erstmals mit 50 MBit/s versorgen.

Vectoring: der VDSL-Beschleuniger

Kaum ein Netzthema wird so kontrovers diskutiert wie das Vectoring: Mit der neuen Technik lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln - kein Wunder, dass die Telekom das anbieten möchte. Die Konkurrenz befürchtet aber eine Re-Monopolisierung des Markts, da Vectoring einen exklusiven Zugriff auf die letzte Meile erfordert. Kritiker befürchten zudem weitere Verzögerungen beim zukunftsträchtigen Glasfaserausbau.

Während der Beirat die Pläne der Telekom grundsätzlich befürwortet und den Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur begrüßt, teilt das Gremium einige zentrale Kritikpunkte der Wettbewerber. “Wir nehmen die Kritik ernst”, sagte der Vorsitzende Klaus Barthel (SPD) im Anschluss an die Beiratssitzung am Montag in Berlin und plädierte zugleich für eine Versachlichung der zuletzt hitzig geführten Diskussion. Angsichts der Ängste der Wettbewerber vor einer "Re-Monopolisierung" weist der Beirat darauf ihn, dass es im Nahbereich um etwa 15 Prozent der Haushalte geht. Für den Beiratsbeschluss habe es im Gremium eine große Mehrheit gegeben, sagte Barthel.

Die Wettbewerber hatten mit scharfer Kritik die Debatte angeheizt und zuletzt mit dem Gang nach Karlsruhe gedroht. Sie lehnen die Pläne der Telekom und den Entwurf der Bundesnetzagentur rundheraus ab. Im Vectoring im Nahbereich sehen sie einen Präzedenzfall. Hier droht den Wettbewerbern der Verlust des physischen Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL). Mit dem im Regulierungsentwurf vorgesehenen, bisher nur schwach umrissenen virtuellen Ersatzprodukt kann die Bundesnetzagentur diese Ängste bisher nicht zerstreuen.

Auch der Beirat wünscht sich, dass bei der als Ersatzzugang vorgesehenen virtuell entbündelten TAL (“VULA”) schnell Klarheit geschaffen wird. Das Zugangsprodukt müsse wie der physische Zugang “weitgehende Freiheitsgrade für eigene Produktangebote” erlauben, heißt es in dem Beschluss des Beirates. Bei den von Wettbewerbern darüber hinaus kritisierten schwammigen Ausbauzusagen der Telekom wünscht sich auch der Beirat eine Präzisierung der Vorgaben sowie wirksame Sanktionsmechanismen.

Auch in der Frage des Stichtags und der Quotenregelung für den Ausbau sieht der Beirat noch Handlungsbedarf. Laut Entwurf sollen Wettbewerber dann selbst im Nahbereich mit Vectoring ausbauen dürfen, wenn sie eine “qualifizierte” Mehrheit der Kabelverzweiger (Kvz) am Hauptverteiler (Hvt) erschlossen haben. Als Stichtag für die Bemessung hatte die Bundesnetzagentur das Datum der Entwurfsvorlage, 23. November 2015, vorgeschlagen.

In diesem Zusammenhang bittet der Beirat die Bundesnetzagentur, “Ausbaumöglichkeiten der Wettbewerber” zu schaffen, wenn diese zwar weniger als die Hälfte der Kvz, aber mehr als die Telekom erschlossen haben. Auch möge die Bundesnetzagentur “verbindliche Ausbauzusagen von Wettbewerbern über den Stichtag hinaus” berücksichtigen. Die Ausbaufristen sollten darüber hinaus für alle Beteiligten gleich sein. Auch sinnvolle technische Alternativen sollten berücksichtigt werden. Die Wettbewerber hatten dafür zuletzt VDSL Annex Q ins Spiel gebracht. Dessen Einsatzmöglichkeit ohne Vectoring ist unter den Beteiligten allerdings umstritten.

Während die Wettbewerber begrüßen, dass der Beirat einige ihrer Kritikpunkte aufgreift, bleiben sie bei ihrer grundsätzlich ablehnenden Haltung. ”Die wettbewerbsverträglichste Lösung wäre eine Komplettablehnung des Antrags der Telekom”, meint Breko-Chef Stephan Albers. VATM-Boss Jürgen Grützner freut sich, dass die Politik “die Tragweite dieser Vectoring-Entscheidung für den Breitbandausbau” zumindest “teilweise” erkennt. Es sei allerdings unverständlich, dass das “Vectoring-Monopol” der Telekom “nicht grundsätzlich in Frage gestellt” werde. Und der Bundesverband Glasfaser betonte, dass in den zentralen Fragen nun “zwingend nachgebessert” werden müsse.

Die Telekom hingegen begrüßte die “insgesamt ausgewogene Stellungnahme” des Beirats, sagte ein Sprecher. Der Beirat habe “die Bedeutung des Vectoring-Ausbaus in den Nahbereichen für die Breitbandversorgung” anerkannt. “Perspektivisch werden wir die Glasfaser weiter zu den Haushalten bringen. Jetzt gilt es aber, mit Vectoring für möglichst viele Menschen den ersten Schritt für eine bessere Breitbandversorgung zu machen.“

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, begrüßte die sachliche Diskussion mit dem Beirat. Nun werden auch die anderen Eingaben im Konsultationsverfahren sondiert und gegebenenfalls berücksichtigt. Homann zeigte sich an Montag in Berlin zuversichtlich, das die zuständige Beschlusskammer einen fertigen Entwurf noch im Laufe des ersten Quartals vorlegt. Der muss dann im Notifizierungsverfahren noch von der EU-Kommission begutachtet werden, was noch einmal einen Monat dauern dürfte. (vbr)