VR-Headset Oculus Rift S im Kurztest: Drei Schritte vor, drei zurück
Im Frühjahr kommt der Nachfolger des VR-Headsets Oculus Rift: Rift S. Die Brille macht vieles besser als der Vorgänger, aber auch vieles schlechter.
Im Frühjahr erneuert Facebook seine Oculus-VR-Hardware: Das PC-Headset Rift S beerbt die Rift, das autarke Headset Oculus Go wird durch die Oculus Quest ersetzt. Beide Geräte sollen inklusive Handcontroller 449 Euro kosten. Doch während die kabellose Quest in allen Belangen deutlich besser ist als die Go (siehe Hands-on-Artikel), macht die Rift S einiges schlechter als die drei Jahre alte Rift. Wir haben das neue Headset – das wie der Vorgänger einen per Kabel angeschlossenen Gaming-PC erfordert – auf einer Oculus-Veranstaltung in London ausführlich angetestet.
Zuerst die positiven Veränderungen: Statt mit einem elastischen Kopfband trägt man die Rift nun mithilfe einer steifen Ringkonstruktion am Kopf. Dieses sogenannte "Halo"-Design kam bereits bei Sonys Playstation VR zum Einsatz und wird besonders von Menschen mit kleineren Köpfen als angenehmer empfunden als die alte Skibrillen-Bauform – aber auch Großkopferte kommen unserer Erfahrung damit sehr gut zurecht. Oculus hat beim Design mit Lenovo zusammengearbeitet, deshalb prangt ein "Lenovo"-Schriftzug auf dem Headset.
Tracking: Beeindruckend unkompliziert
Das neue Trackingsystem kommt ohne die vom Vorgänger zwingend benötigten Trackingkameras aus. Mithilfe von fünf im Headset eingebauten Kameras orientiert sich die Rift S im Raum und erfasst die beiden Handcontroller. Schon beim Kurztest der Oculus Quest waren wir beeindruckt vom zuverlässigen internen Tracking, auch bei der Rift S (die sogar eine Kamera mehr hat als die Quest) konnten wir keine ernsthaften Probleme feststellen. Das Tracking stockt lediglich kurz, wenn man die Hände so dreht, dass der Controller-Ring nach unten zeigt – was aber in der Praxis so gut wie nie vorkommen sollte. Insgesamt funktioniert das interne Oculus-Tracking besser als das der Windows-Mixed-Reality-Headsets.
Ebenfalls ein Fortschritt ist die Auflösung: Statt wie zuvor 1080 × 1200 Pixel zeigt die Rift S (ab 1473,37 €) jedem Auge 1280 × 1440 Bildpunkte. Das Bild sieht nicht nur wegen der um 40 Prozent höheren Auflösung weniger pixelig aus, sondern auch wegen der verwendeten Displaytechnik. Statt eines OLED mit ungleichmäßiger Subpixelausstattung ("Pen-Tile") hat die neue Rift ein schnelles LC-Panel mit gleichmäßig aufgeteilten Subpixeln. Die Bildwiederholrate wurde von 90 auf 80 Hertz reduziert, negativ aufgefallen ist uns das im Kurztest nicht.
Graues Schwarz, Augenabstand nicht mehr mechanisch einstellbar
Nachteile hat die neue Displaytechnik aber auch: Bei starken Kontrasten sieht man bei Kopfbewegungen Nachzieheffekte. Diese fallen jedoch nur in extremen Situationen auf, zum Beispiel bei schwarzer Schrift auf schneeweißem Hintergrund. Als deutlich störender empfanden wir den schlechteren Schwarzwert: Während das OLED-Panel in der alten Rift bei Schwarzdarstellung die Pixel ausknipsen konnte, stellt die Rift S Schwarz als dunkles Grau dar.
Statt zwei Panels verwendet die Rift S nur noch einen einzelnen Bildschirm – was ziemlich sicher keine technischen, sondern vor allem finanzielle Gründe hat. Dadurch kann man das Headset nicht mehr mechanisch an den eigenen Augenabstand (IPD, Interpupillardistanz) anpassen, sondern nur noch digital. Sprich: Die beiden auf dem LC-Display dargestellen Bilder werden per Software um ein paar Pixel verschoben. In der Praxis bedeutet das, dass die Rift S nur für Menschen mit einem IPD zwischen 61,5 und 65,5 Millimeter angenehm nutzbar ist, bei der alten Rift waren es noch 56 bis 74 Millimeter. Übrigens: Die gleich teure Quest beherrscht die gleiche mechanische IPD-Anpassung wie die erste Rift.
Quäkige Lautsprecher statt guter Kopfhörer
Die Rift S leidet auch noch unter anderen Sparmaßnahmen: Statt ordentlich klingender Kopfhörer wie bei der alten Rift hat das S-Modell lediglich quäkige Lautsprecher eingebaut. Diese beschallen nicht nur das eigene Ohr, sondern den ganzen Raum. Zumindest gibt es eine Klinkenbuchse, so dass man eigene Kopfhörer anschließen kann – das muss man aber auch, wenn man wirklich in VR eintauchen will. Spiele wie Beat Saber machen mit den eingebauten Lautsprechern keinen Spaß.
Wer schon eine Oculus Rift besitzt, muss abwägen, ob die positiven Veränderungen (besseres Tragegefühl, internes Tracking, höhere Auflösung) die negativen (schlechterer Schwarzwert, schlechtere IPD-Einstellung, schlechtere Kopfhörer) aufwiegen. Gut zu wissen ist auf alle Fälle, dass Oculus die alte Rift weiterhin softwareseitig unterstützen wird.
(jkj)